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About locker room talk

trump__clinton

 

 

 

 

 

Jeder, der den US-Wahlkampf auch nur am Rande verfolgt, hat gerade in den letzten Tagen mitbekommen, daß ein bestimmtes Thema das amerikanische Volk mehr denn je in zwei Lager spaltet.

Hat dieser bis vor einer Woche mit nicht allzu wenig Skandalen und rassistischen und populistischen Aussagen aufwarten können, so hat keine der bisher ausreichend ungustiösen Taten und Worte des republikanischen Kandidaten die Emotionen derart hochkochen lassen wie die 11 Jahre alte Aufnahme, in der sich besagter Herr darüber äußert, wie er Frauen auf Grund seines gesellschaftlichen und finanziellen Standes zu behandeln befähigt sieht.

Es ist ein Einfaches, sich darüber zu mokieren und sich darüber zu amüsieren, daß ein solcher Mensch in den USA, »und nur in den USA« als Präsident in Frage kommt, weil er trotz all diesen herablassenden Kommentaren und hasserfüllten Aussagen immer noch genügend Unterstützer auf seiner Seite zählen kann, die ihn zum mächtigsten Mann der Welt katapultieren könnten.

Only in the US, right?

Ich kann mir den Luxus leider nicht leisten, wirklich überrascht und empört zu sein – ich muß sogar zugeben, daß die Aufnahmen über das bereits eingeschaltete Mikrofon mich gar nicht so schockiert haben. Und zwar nicht deswegen, weil das Verhalten des amerikanischen Millionärs bereits auf vielfache Art und Weise auf einen niveaulosen und egozentrischen Charakter hinweist, sondern aus einem einfachen Grund: ich höre zu.

Ich arbeite in einem Beruf, der mich in direkten Kontakt zu Menschen bringt und die sich mit mir, untereinander und übereinander unterhalten. Es vergeht kein einziger Arbeitstag, an dem ich nicht auf eine mehr oder weniger »originelle« Art und Weise negativ auf meinen Körper, mein Verhalten, meine Kleiderwahl, mein Wortwahl, mein Auftreten direkt angesprochen werde. Ich werde beleidigt, degradiert, angemacht, beurteilt. Über mich werden Witze gemacht und über meine sexuellen Vorlieben spekuliert.

Ich kann mit ruhiger Stimme darauf hinweisen, daß ich so ein Verhalten nicht zu schätzen weiß oder mit erhobener Stimme meinen Ärger kundtun. Die Reaktionen sind meist dieselben – es fallen Worte wie »frustriert«, »aggressiv«, »im falschen Beruf«, »humorlos«, etc. Ein Einsehen gibt es selten, man fühlt sich im Recht und man sieht die Schuld beim Opfer, weil dieses nicht versteht, wie getätigte Aussagen wirklich gemeint sind.

 

»Locker room talk«, dieses Wort, das sich in den letzten Tagen durch sämtliche Berichterstattungen des US-Wahlkampfs zieht, ist etwas, das täglich passiert, das geduldet und gefördert wird. Ein Spaß, den man sich abseits des seriösen Geschäftslebens erlaubt, als Ausgleich zum gesitteten Auftreten untertags gesehen wird. Ich könnte in meiner langjährigen Erfahrung ein nicht zu kurzes Buch über all die Dinge schreiben, die mir passiert sind und vieles würde selbst dem orangehäutigen und wattehaarigen »Politiker« die Schamesröte ins Gesicht treiben.

Von der geilen Brünetten ist da die Rede, die sich auch bei einem daheim auch mal über den Tisch beugen kann. Davon, daß man sich nicht erlauben braucht, zu lange in die Augen der männlichen Begleitung blicken zu dürfen. Daß es für echte Arbeit wohl nicht ausreicht, daß man sich mit einem schmaleren Hintern schneller bewegen könne, daß ein engeres T-shirt geschäftsfördernder wäre, daß man auch schon mal sexier ausgesehen hätte, daß es für Nischenporno aber immer noch reicht – Biermuschi, Zuckerarsch, Depperte,…

Auf niedrigstem Niveau wird vorwiegend von Männern, aber auch von Frauen die vermeintliche Machtverteilung genutzt, um die eigene Gefühlswelt auf das unbekannte, aber stets präsente Wesen projiziert. Macht und Missbrauch gehen auch hierzulande Hand in Hand – zwar auf einer weit weniger prominenten Bühne, jedoch nicht weniger zerstörerisch, aber irgendwie doch salonfähig.

Das Traurige ist, daß ich weiß, daß da draußen auch Frauen ihr Geld in einer Berufssparte verdienen, die sich nicht zu wehren wissen und die sich solche Aussagen nahe gehen lassen und ihnen Raum geben, ihr eigenes Selbstbild auf eine Art zu ändern, sodaß sie wirklich denken, daß sie nichts anderes sind, als Ausstattung, ein Objekt, über das es zu urteilen gilt und denen es nicht erlaubt ist, sich dagegen zu wehren.

Anstatt also mit teils amüsiertem, teils empörten Blick nach Westen zu schauen, wäre es an der Zeit, sich in nächster Nähe umzublicken und umzuhören und sich zu fragen, wieviel Sinn es macht, Trump für seine Aussagen zu verurteilen, während man sich im selben Atemzug durch »unschuldige Späße« auf dasselbe Niveau begibt.

 

Karin Hollenstein

Foto von Wikimedia

Gast

One Comment

  1. Nach einem der untergriffigsten Wahlkämpfe in ihrer Geschichte haben die USA nun ihren neuen Präsidenten gewählt. Ein Rechtspopulist mehr an der Macht. Seine frauenfeindlichen Aussagen, die Drohung, Clinton einzusperren, und was er sonst noch alles Verrücktes von sich gab – all das ließ die Mehrheit der Wähler kalt. Seine rechte Gesinnung – der Hass auf Muslime und Mexikaner – verhalf ihm zum Sieg. Und wer waren die ersten, die ihm in Europa gratulierten? Die Rechten. Viktor Orbán und Marine Le Pen griffen sofort zum Telefon. Einer der ihren hat es im mächtigsten Land der Erde geschafft. Brüssel war hier zurückhaltender. Dort blickt man schon lange mit Sorge auf den Rechtsruck. Ein Rechtsruck, der langsam die ganze Welt zu erobern scheint. Wie es bei uns am 4. Dezember ausgehen wird, ist noch ungewiss. Der Rechtsruck ist in Österreich jedenfalls auch schon lange zu spüren. Für uns Linke ist das besorgniserregend. Doch um nicht ganz den Glauben an die Zukunft zu verlieren, können wir es durch die sarkastische Brille betrachten: Wenn die ganze Welt rechts ist, zieht sie wenigstens am selben Strang. Dann können sich die Staaten hinter ihren Mauern verkriechen, sich abschotten und wieder ihren eigenen Problemen nachgehen.

    Manuel Schwaiger

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