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1+1 Leider nicht umsonst

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Eins plus eins gratis. Statt Aktionismus erleben wir momentan so etwas wie das Zeitalter der Aktion. Die Aktion meint es gut mit uns, erspart uns Geld oder beschenkt uns immer und immer wieder aufs Neue mit Gütern und sonstigem Schnickschnack, der uns Wohlgefühle verschaffen soll.

Die Aktion und mit ihr der erwünschte, permanente und permanent steigende Konsum lenken uns ganz gut ab vom eigentlich unerträglichen Dauerzustand des emotionalen Mangels. Man könnte auch sagen: von echter Zufriedenheit, wahrem Glück, tief empfundener Erfüllung.

Eins plus eins gratis. Es ist chic und gerade sehr in, politisch ganz korrekt die Illusion von Großmütigkeit und Gemeinwohlsinn zu erzeugen und dabei auftretende ökologische Widersprüche mithilfe von schlauem Marketing ganz einfach in Luft aufzulösen, sprich falsches Verhalten in gutes Verhalten umzudeuten. Alle wollen nichts weniger als die Welt retten, das Klima schützen oder nachhaltig für die Umwelt wirtschaften. Das Mittel zum Zweck ist die Aktion. Denn Aktion muss sein. Immer und überall.

Zum Beispiel beim M-arkt um die Ecke. Anfangs hat man sich gefreut über soviel Aktion, später einmal geärgert über die eine oder andere, noch später ab und zu gewundert ein bisschen, manchmal den Kopf geschüttelt über dieses und jenes, aber heute. Nimmt man alles hin, weil man sich nicht mehr erwehren kann vor lauter Aktionen, nimmt, was man kriegt, aber kriegt man auch das, was man tatsächlich wollte oder sich eben auch einmal vorgestellt hat?

War der politisch motivierte, agitierende und zielgerichtete Aktionismus noch einer, den man belächeln, total blöd oder aber auch sehr gelungen und passend finden konnte, hinterlässt die Aktion als Ausdruck einer politischen Gleichgültigkeit einen faden, geradezu nicht mehr abzuschüttelnden Bei- und Nachgeschmack, der einem sauer aufstößt. Gegen die geballte Phalanx der Wirtschaftsmacht ist offenbar (noch) kein Kraut gewachsen. Wer oder wie soll sich da bitte je etwas ändern? Andererseits, wider besseres Wissen zuschauen und Frust sammeln will man auch nicht. Das einst schlechte Gewissen existiert aller Werbungsflut zum Trotz noch immer.

Auswege wären gefragt. Man sucht sie manchmal zwischen Einkauf und Nachhausweg, zwischen den Zeilen der eigenen Gedanken, die zuweilen recht seltsam erscheinen. Vielleicht kann man sich komplett verweigern? Teilweise verzichten? Was bei keiner Aktion draufsteht: hier wird Müll produziert.

Der Müll ist tatsächlich ein Wahnsinn. Die Stadt Innsbruck stellt derzeit gerade ihre Müllinseln ein, oder besser gesagt um. Es ist nur folgerichtig und dem politischen Pragmatismus unserer Zeit geschuldet, wenn nun bald jede Klein-Wohnanlage über eine eigene Müll-Sammelstation verfügt. Wenn wir mehr Müll produzieren, brauchen wir natürlich mehr Tonnen. Und schon ist das Problem verschwunden, denn darüber, dass wir eigentlich viel zuviel und vermeidbaren Müll produzieren – was uns überfüllte Sammelplätze vor Augen geführt haben – braucht sich bald niemand mehr Gedanken oder so etwas wie ein schlechtes Gewissen machen.

Eins plus eins umsonst. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man vermuten, es handelt sich um eine konzertierte Aktion. Man könnte auch sagen eine Re-Aktion in einem reaktionärem Wettbewerb. Und in dem wurschteln wir uns und die Welt, wenn es in dem Stil weitergeht, irgendwann zu Grunde. Quasi gratis.

Wilhelm Giuliani

Gast

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