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Wenn die Maria-Theresien-Straße zum Büro wird

Dass AsylbewerberInnen in Österreich nur schwer eine Existenz aufbauen können, ist hinreichend bekannt. Sie dürfen keinem Beruf oder Beschäftigung nachgehen, die halbwegs das Einkommen sichern und verzichten sonst auf viele Rechte. Einen kleinen Lichtblick gibt es dennoch: Die Straßenzeitung 20er, die in Innsbruck an jeder Ecke verkauft wird.

 

Wenn man über die Maria-Theresien-Straße und durch die Innenstadt geht, trifft man sie immer wieder. Verkäufer und Verkäuferinnen, welche an den Ecken oder Eingängen zu den großen Einkaufspassagen die Straßenzeitung 20er verkaufen. Die monatlich erscheinende Zeitschrift kostet 2 Euro, wovon 1 Euro direkt an den/die VerkäuferIn geht. Von außen betrachtet macht das Blatt eher einen bescheidenen Eindruck. Der Umfang ist sehr gering und zudem auf Recyclingpapier gedruckt. Wer aber mal einen Blick hineinwirft, wird schnell feststellen, dass die Artikel von einer unglaublichen Qualität zeugen und interessante Themen ansprechen. Solch solide Handwerkskunst von Journalisten sucht man heutzutage in größeren Zeitungen meist vergeblich.

 

Das erste Mal Berührung mit dem 20er hatte ich kurz nach meinem Umzug nach Innsbruck. Es war ein junger Afrikaner, der mich mit breitem Englisch ansprach: „Do you want to buy a Newspaper?“ Dabei grinste er mich fröhlich an.

Bereits nach etwas Smalltalk kamen wir ins Gespräch. Sein Name war Ijudy er kam aus Nigeria und war seit ein paar Monaten in Österreich gelandet.
„I hope I can start here a new life with better work“, erzählt er mir offenherzig. „At the moment I have work, I am proud about it“, sagte er weiter stolz. Ich fragte ihn, was genau er machte und Ijudy zeigte mir stolz seinen Stapel an Zeitungen in seinen Arm. „This is my work and the street is my office. Here come so many people!“ Das ist wahr, so viele Menschen trifft man wohl kaum in einem Büro an. Was genau in den Zeitungen stand, wusste  er nicht, aber er lernte immer wieder Menschen durch den Verkauf kennen, fühlte sich nicht ganz so alleine. Ob er seine Heimat vermisst, fragte ich ihn. Ijudy zuckte mit den Schultern und sagte, dass er versuche hier die Zukunft zu finden. Vielleicht kehrt er irgendwann zurück.

 

Obwohl ihm das Leben in Österreich nicht gerade leicht gemacht wurde, gab er nicht auf. Im Anschluss an unser Gespräch kaufte ich ihm eine Ausgabe ab. Ijudy bedankte sich überschwänglich und verabschiedete mit den Worten: „You’re always welcome in my office“.

 

Leider habe ich Ijudy danach nicht mehr getroffen, weiß auch nicht, was aus ihm geworden ist. Seit 2 Jahren kaufe ich nun monatlich eine 20er Zeitung und lese gerne die Artikel. Die Menschen, die sie verkaufen, haben immer eine andere Geschichte. Ein besonders bewegender Moment war für mich, als ich in der Früh einmal eine alte Frau mit Gehstock und den Zeitungen in der Hand am Eingang zum Tyrolia-Buchhandel sah. Was ist das für eine Welt in der auch alte Frauen und Männern mit solchen Mitteln versuchen, ihr Leben irgendwie lebenswert zu machen?

 

Der 20er wird leider oft unterschätzt, viele Passanten gehen genervt an den VerkäuferInnen vorrüber, ohne darauf zu achten, was sich hinter dieser Idee verbirgt. Für die VerkäuferInnen ist die Straßenzeitung ein Lichtblick in dem sonst harten Leben. Man kann nur hoffen, dass genügend LeserInnen diesen Lichtblick auch wahrnehmen und es erst ermöglichen. Ob man 2 Euro in einen Spritzer oder in eine Zeitungsausgabe investiert sollte nochmal überlegt werden. Vorallem, wer am Ende mehr davon hat.

 

20er-Homepage

Ines Burkhardt

2 Comments

  1. sehr schöner beitrag!

    ijudy, oder auch john verkauft den 20er noch immer. er ist mittlerweile auch in einer bau- und elektroinstallationsfirma (oder etwas ähnlichem) tätig und daher vorallem samstags im dienste der interessanten und ehrenwerten zeitung im "büro". er scheut weder harte arbeitszeiten, noch hartherzige passanten und bewahrt stehts die freundlichkeit, die ihn zur menschlichen oase zwischen innsbruck´s konsumtempeln macht. nicht um zusammen mit anderen (nord)afrikanern europa ins chaos zu stürzen, sondern im beharrlichen versuch hier ein menschenwürdiges und bescheidenes leben zu führen und vom täglichen brot noch ein stück an die familie in nigeria abzutreten. einer familie, der das zweifelhafte glück europa verwehrt blieb. 

    20er regelmäßig kaufen und lesen(!) zahlt sich aus- und zwar für alle!

    ….kann dir übrigens john´s aktuelle handy nr. zukommen lassen, wenn du möchtest… schreib mir einfach. danke für den artikel!

    •  Vielen Vielen Dank Hans, es macht mich sehr glücklich zu hören, dass er immer noch hier ist und dass es ihm gut geht. Vielleicht schaffe ich es auch irgendwann einmal mehr zum 20er beizutragen, als nur die Zeitung zu kaufen 🙂 Ein wunderbares Projekt!

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