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Von Kanten und H(u)egeln am Landhausplatz

Es sind vielleicht nicht die ersten Personen, die einem in den Sinn kommen, wenn man über den Landhausplatz schlendert: Hegel, Kant und am Ende, quasi als Aufhebung, Adorno. Ehrlich, auch bei mir, dem Autor dieses Textes, dauerte es einige Momente – zwei, drei Gedankengänge wurden schon benötigt. Es kann auch gar nicht sein, dass der Hauptvertreter des Deutschen Idealismus, Georg Friedrich Wilhelm Hegel, der aufgeklärte Immanuel Kant und der Grandseigneur der Frankfurter Schule, Theodor W. Adorno die Gedanken rund um den Landhausplatz als Erstes prägen. Dieser, der erste Gedanke, soll nämlich sein: Hier stimmt etwas nicht. Hier passt Einiges nicht. Hier existiert Dialektisches.

 
Architektur der individualistischen Resignation
 
Alles begann mit einem Kurzschluss. Einer ästhetischen Resignation. Alles begann 1939, mit dem Bau des neuen Landhauses, einem fünfgeschoßigen Bau mit sachlicher Fassade, monumentalem, neoklassizistischem Eingangsportal. Einem Bau, dessen Ähnlichkeit zur Reichskanzlei in Berlin sicher nicht zufällig war. Einem Bau der Nazis. Einem Bau, der das Subjekt negiert und dadurch den Willen des Individuums aufhebt. Es ist eine Architektur des faschistischen, autoritären Denkens. Der verwendete Stil des Neoklassizismus, der in faschistischer Architektur innewohnt, hatte Programm: Er ist ein Wunschbild von Objektivität (Adorno), mit der das Subjekt ausgeschlossen wird – die Abdankung des Subjekts wird manifest und architektonisch übersetzt. Dieses Wunschbild ahmt vergangene, homogene, idealisierte und verklärte Formen nach und steht im Gegensatz zur subjektiven, organischen und natürlichen Willkür. Die faschistische Architektur, und sie soll in diesem Text als solche bezeichnet werden, hofft in ihrem anorganischen Vollzug auf eine Objektivitation und die Negation der im Subjekt verborgenen Wahrheit. Sie ist Symbol des Übergeordneten, des Systemischen; sie ist Ausdruck von Ordnung ohne individuelle, organische Irritation. Sie, die faschistische Architektur, duldet keinen Widerspruch; sie ist absolut. Obwohl sich ja über Geschmack bekannterweise gerne streiten lässt, zumal, so Kant, ein Geschmacksurteil kein Erkenntnisurteil sein kann, da der Bestimmungsgrund rein subjektiv ist, ist die Objektivierung der faschistischen, autoritären Architektur quasi in Stein gemeißelt. Sie erscheint sachlich, logisch und lässt keine subjektive Interpretation zu.
 
 
 
Das Objekt als Stein
 
Es muss aber Dialektik geschaffen werden um eine konstitutive Bewegung (Hegel) zu ermöglichen. Denn die Dialektik ist wahres Denken, das Erkennen der Gegensätze.
Es hätte die Möglichkeit nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus gegeben, die Gegensätze im hegelschen Sinne am Landhausplatz in Innsbruck architektonisch zu artikulieren. Quasi ein Manifest der Subjektivität, des Antifaschismus zu schaffen, ein Denkmal des Lebens, der Geschichte, des Individuums zu kreieren. Es wurde aber die Fortführung des subjektlosen Gedankens gepflegt. Das „Freiheitsdenkmal“, das nach dem Zweiten Weltkrieg eigentlich als Auftakt zum demokratischen Ideal gedacht war, verfehlte in seiner architektonischen Ästhetik die Abgrenzung zur absoluten Objektivitation und Heranführung an das Individuum. Tatsächlich erscheint das dem faschistischen Bau ästhetisch angepasste Tor als eine Fortführung der Abgrenzung zum individualistischem Sein – diese Symbolik wurde durch ein abgrenzendes Gitter noch verstärkt. Ein Schriftzug „Die für die Freiheit Österreichs gestorben“ ist in der ästhetischen Symbolik zu wenig. Die Schaffung einer notwendigen Dialektik wurde schlichtweg verabsäumt und die Prinzipien der faschistischen, autoritären Architektur wurden mit einem Satz übernommen: „Wenn Völker große Zeiten innerlich erleben, so gestalten sie diese Zeiten auch äußerlich. Ihr Wort ist dann überzeugender als das gesprochene. Es ist das Wort aus Stein!“ (A. Hitler) Eine aus Stein gehauene Monumentalität mit einer kultisch-sakralen Inszenierung der Ästhetik, die dogmatisch gleichgeschalten ist.
 
 
 
Interpretation des Organischen
 
Nun bildete sich am Innsbrucker Landhausplatz (Eduard-Wallnöfer-Platz) eine Hügellandschaft. Organisch umwindet sie das Denkmal, widerspricht in ihrer Ästhetik, mimt Natur, ist in sich durch den verwendeten Baustoff Beton widersprüchlich und bildet einen Gegenspruch zu ihr selbst um sich gleichzeitig geradlinig vom nationalsozialistischen Bau zu entfernen: Die Organik bindet das demokratisch gedachte Denkmal mit ein, distanziert sich aber (repräsentiert durch den symmetrischen überdimensionalisierten Platz hin zum Landhaus) vom Wunschbild der Objektivität, sie distanziert sich vor allem von der faschistischen Negation des Individuums.
Die abstrakte Imitation der Natur durch eine Beton-Hügellandschaft repräsentiert  die Willkürlichkeit des Individuums und stellt eine (ebenfalls in sich geartete) Dialektik her, die als notwendiger Widerspruch zum Faschismus wahrnehmbar ist. Und erst sie verdeutlicht die autoritäre Ästhetik faschistischer Architektur und dem damit negierten Subjekt.
 


Text & Fotos: David Bullock

3 Comments

  1. Wenn man davon ausgeht, dass sich die faschistische Architektur vor allem im Anorganischen äußert, was wäre ein treffenderes Gegen-"Bild" als Bäume und Grünflächen? Warum muss immer alles zubetoniert werden und jedes Bäumchen, das ein wenig krankt, wird gnadenlos umgeschlagen?Faschismus drückt sich meiner Meinung nach auch in einer Welt aus, die alles normt, gleichschaltet und jede Eigenart unterdrückt und sigmatisiert. Auch die moderne Architektur verkleinert die Menschen und schafft Zonen der Exklusion und der allgegenwärtigen Überwachung – der Neoliberalismus hat den Faschismus in vielem sublimiert und damit unangreifbarer gemacht. 

  2. der platz hat leider vor dem gebäude halt gemacht. schön wäre gewesen eine demokratische öffnung auf platzniveau, in dieses faschistische gebäude zu schlagen.

    die heldendenkmäler gehören überhaupt auf einen friedhof. 

  3. Die dialektische Grundmethode lautet "These – Antithese – Synthese" – und genau das, eine Synthese, kann ich hier nirgendwo erkennen. Die drei prägenden Elemente, Gebäude, Platz und Denkmal, stehen weitgehend unverbunden nebeneinander, es ergibt sich weder ein Spannungsfeld noch eine Verbindung. Dadurch entsteht ein gesichtsloser Durchzugsort und ein Raum ohne Idee und Perspektive. Aber zumindest für einige Veranstaltungen eignet sich der Platz, wie man sieht, hervorragend: http://www.youtube.com/watch

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