1

Vanitas-Wahn

Ed Hardy-PosterAls ich diesen Sommer mit meinen üppig verzierten Ed-Hardy-Schlapfen Richtung Badestrand schlenderte, kam ich an einem Trödler-Stand vorbei, der sofort mein Interesse weckte, war er doch voller antiquarischer Vanitas-Objekte: Da fanden sich kleine Tödlein-Särge, Betschnuren mit geschnitzten Totenköpfen, Elfenbein-Skelette und vieles andere mehr, was den Menschen stets daran erinnern sollte, dass alles schnell vorbei sein kann.

Nachdem ich vor lauter (Neu)Gier meine Finger nicht von einem prunkvollen, höfischen Tödlein-Sarg lassen könnte und ihn beinahe beschädigte, weil mir der Sargdeckel auskam und runterfiel, kam ich mit dem Händler ins Gespräch. Ich fragte ihn, ob er sich denn auf „Memento-Mori-Zeugs“ spezialisiert hätte und er meinte: „Eigentlich nicht, aber das makabre Zeug, das findet seit ein paar Jahren wieder reißenden Absatz. Die jungen Leut‘ sind wie wild drauf, und zwar nicht nur die Gruftis und die Emo-Punks. Denk nur dran, dass heut auf jedem Leiberl ein Totenschädel drauf ist.“ Ach ja, da hat er recht, dachte ich an mein auffälliges Schuhwerk, das er offensichtlich übersehen hatte.

„Mors certa hora incerta“ („Der Tod ist gewiss, seine Stunde ungewiss“) oder „Memento moriendum esse“ („Bedenke, dass Du sterben wirst“) – diese Sätze sind untrennbar mit dem Lebensgefühl des Mittelalters und des Barock verbunden. Moderne „Memento Moris“ kamen allerdings tatsächlich vor ein paar Jahren über die Mode wieder auf: Totenköpfe und Skelette findet man seit einigen Jahren wieder überall im Alltag.

Handtuch mit SkullsDie Marke „Ed Hardy“ wurde berühmt für ihre Skull-Motive auf T-Shirts, Schuhen und Life-Style-Produkten. So bekam ich von einer Freundin ein Handtuch mit Totenköpfen drauf und auch eine Eiswürfel-Box, mit deren Hilfe man Skull-Eiswürfel (engl. „skull“ = der Schädel) produzieren kann. Mein Kollege überreichte mir im letzten Jahr ein Skelett aus weißer Schokolade im Sarg aus dunkler Schokolade.

Armbänder und Meditationsschnur aus Tibet - Schnitzerei aus Yak-KnochenIch besitze außerdem zwei Armbänder aus Tibet mit aus Knochen geschnitzten Totenköpfen und eine ebenso gearbeitete Meditationsschnur: Die Meditation über den eigenen Tod spielt bis heute auch im Buddhismus eine zentrale Rolle. Die buddhistische Ethik und die Ethik der Stoa sind sich grundsätzlich sehr ähnlich.  

Bei uns – im abendländischen Kulturraum – fand die Memento-Mori-Kultur vor allem im Mittelalter und im Barock ihren Höhepunkt. Das Todes-Gedenken war zu diesen Zeiten durch die hohe Sterblichkeit in Kriegs- und Pestzeiten und durch die Angst vieler Gläubiger vor einem unvorbereiteten Tod besonders tief verankert und spiegelte sich natürlich in Literatur und bildender Kunst wieder.

Neben den zum Vanitas-Thema gehörenden Texten sind vor allem auch Objekte aus dem Brauchtum überliefert, unter anderem kleine „Tödleins“ als Sensenmänner oder Skelette in Denker-Pose, Sanduhren, Totenköpfe, Ring-Köpfe etc. 

Schoko-Tödlein und Tödlein-Sarg aus 1873„Tödleins“ in Särgen stellen eine ganz besondere Kunstgattung dar. Es sind Miniatursärge von ca. 10 bis 15 Zentimetern Länge. Manche lassen sich mithilfe einer Feder aufklappen und es springt ein kleines Tödlein mit der Sense heraus. Andere verfügen über keinen Mechanismus, wenn man aber den Deckel abhebt, ist ein geschnitztes Tödlein zu sehen.

 

Schoko-Tödlein und Tödlein-Sarg geöffnetEin solches Tödlein hab ich im Urlaub bei dem Trödler erstanden. Es ist ein 11 cm langes sogenanntes „bäuerliches Tödlein“ aus dem Jahr 1783. Wenn man den Deckel des kleinen Sarges öffnet, sieht man einen kleinen Toten in ein Laken gewickelt. Tödlein und Sarg sind aus einem Stück geschnitzt und wurden in einem Bauernhof gefunden. Es erweitert jetzt meine Sammlung an Vanitas-Objekten.

Donald Ed Hardy hat die Mode in den vergangenen Jahren stark geprägt und zahlreiche Fake-Produkte sind am Markt erhältlich. Warum taucht der Tod plötzlich in Mode und Life-Style auf? Warum ist das Ed Hardy-Label überhaupt so erfolgreich? Ed Hardy war in den 80er-Jahren als Tätowierer tätig, das sieht man seinen Werken auch an: Es ist Tattoo-Kunst. Man könnte sagen, Tattoos haben sogar etwas Barockes, wenn man so will.  Ed-Hardy-Skulls sind häufig mit dem Schriftzug „Love kills slowly“ versehen. In den 80ern starben die ersten Prominenten an Aids, der neuen „Seuche“ das 20. Jahrhunderts, wie man Aids damals nannte. Die 90er waren dann geprägt vom Endzeitdenken und einer Weltuntergangsstimmung, da die Jahrtausendwende nahte. Ed Hardy brachte sein Mode-Label im Jahr 2002 auf den Markt und hatte rasch Erfolg damit. Kriege, Terrorismus, Naturkatastrophen, Hungersnöte, Epidemien, Umweltzerstörung, Klimawandel … sind Themen, die via Fernsehen und Internet omnipräsent sind. Panik und Weltuntergangsstimmung werden geschürt. Da ist es nicht verwunderlich, dass „das Tödlein“ wieder modern wird. Dass wir dadurch klüger oder gar weiser werden, das bezweifle ich, aber egal: Es ist ein Zeichen dafür, dass der Tod nicht mehr so ganz tabu ist. 


Quellen:

www.aspetos.at

www.wikipedia.com

www.kulturraumtirol.at

Christine Pernlochner

One Comment

  1. super text – mal was anderes, jenseitiges – einfach spitze! meine meinung: der tod bringt ewigen frieden, wer ihn akzeptiert, wird das leben lieben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert