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Kunde von einem fernen Land

Unter dem Titel An Ode to the Wasteland and Gulags ist zurzeit im Kunstraum Innsbruck eine Ausstellung der kasachischen Künstlerin Almagul  Menlibayeva zu sehen. Diese führt uns in ein Land, von dem wir sehr wenig wissen. Kasachstan heißt Erdöl und Erdgas und damit verbundener Reichtum, heißt ein etwas märchenhafter Staatspräsident, der schon über zwanzig Jahre an der Macht ist und das wahrscheinlich auch noch länger bleiben dürfte.
 
Nursultan Nasarbarjew heißt er übrigens, der das Land wie eine Art Monarchie führt und in dem die Menschenrechtslage nicht besonders rosig ist, wenngleich es laut Amnesty seit 2012 Fortschritte geben soll.
 
 
Aus eben diesem Land kommt die junge Künstlerin, die in ihrer Ausstellung eben auf ganz eigene und – wie ich denke – sehr spannende Weise die Geschichte ihres Landes aufrollt. Aufrollt jetzt im doppelten Sinne nämlich So rollen etwa in einem der beiden im KUNSTRAUM gezeigten Videos unter dem Titel Kurchatov auf runde Tische geklebte Bilder von Politikern, Atompilzen und zerstörten Landschaften..
 
Kurchatov war das operative Zentrum des Atomtestgeländes von Semipalatinsk . Dort wurden von 1949-1989 ca. 456 atomare Bombentests durchgeführt. Das ganze natürlich unter strengster Geheimhaltung, und ohne dass die dort ansässige Bevölkerung natürlich darüber informiert gewesen wäre. Die Schäden, die dabei entstanden sind, kann man sich wohl ohne viel Phantasie vorstellen. Almagul Menlibayeva versucht nun anhand von Interviews mit den Bewohnern des ehemaligen Atomtestgeländes diese Geschichte aufzubereiten. Dieses gelingt ihr mit sehr bewegenden Bildern.
 
 
Im Video Milk for Lambs , das im kleinen Ausstellungsraum zu sehen ist, beschäftigt sich die Künstlerin mit den schamanistischen Traditionen ihres Landes, Kasachstan ist ja so etwas wie ein multireligiöser Hotspot. Neben dem Islam, zu dem sich 70% der Bevölkerung bekennen, sind es  noch Christen- und Judentum, aber es gibt auch sehr viele nomadische Naturreligionen und Kulte.
 
Und eben damit setzt sich die Künstlerin in diesem Video auseinander, indem sie die ehemaligen Nomaden, die sich nur mehr zu ihren religiösen Feierlichkeiten in die Steppe zurückziehen und dort ihre Rituale feiern, diese filmt und verfremdet, indem sie sie durch in Tierfellen gekleidete Fotomodels kombiniert. So den  Gegensatz zwischen dem alten archaischen Riten und der natürlich auch schon längst mit den Problemen des 21. Jahrhunderts kämpfenden Bewohner/innen dieses sicher sehr schönen und naturräumlich vielseitigen Landes auf bizarre Weise. illustrierend
 
 
Das künstlerische Spiel mit Versatzstücken zu Ende gegangener historischer Epochen – im konkreten Fall sind es die des Sowjetimperiums – und andererseits religiös aufgeladener Symbole hat mittlerweile die Kunsthallen und Biennalen des auch schon nicht mehr ganz taufrischen 21. Jahrhunderts angefüllt und neue Fragestellungen eröffnet.
 
Nichtsdestotrotz aber vermitteln gerade diese Formen der künstlerischen Auseinandersetzung oft auch einen freiern Blick auf unsere eigenen Traditionen und tun gerade in Zeiten neu/alter Fundamentalismen erfrischend gut. In diesem Sinne eine gelungene Ausstellung!
 
 

Helmut Schiestl

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