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INNSBRUCK LIEST 2013

Wie alle Jahre im März ist es auch heuer wieder soweit, und INNSBRUCK LIEST – eine löbliche Aktion der Stadt, die meines Wissens nur noch in Wien gemacht wird, nämlich dass ein Buch an die Bevölkerung gratis verteilt wird – ist in ihr zehntes Jahr gegangen.
 
Heuer ist es die Oberösterreicherin Margit Schreiner, und ihr 2011 erschienener Roman Die Tiere von Paris, die die Jury, bestehend aus dem Buchhändler Ekkehard Hey-Ehrl, dem Autor Hans Platzgummer und dem Literaturwissenschaftlerin Evelyn Polt-Heinzl, ausgewählt hat. Und ich denke, obwohl ich das Buch noch nicht gelesen habe, sie hat dabei einen guten Griff getan, ist die Autorin doch schon länger bekannt für ihre schonungslose realitätsnahe und doch nicht ironieferne Darstellung sozialer Befindlichkeiten und Problemlagen. Im vorliegenden Buch geht es um eine Alleinerzieherin, die den Spagat von Elternrolle, Beruf und Liebhaberin aufzudröseln nicht ganz leicht findet und sich dabei im oft heilsamen Selbstgespräch über sich und ihre Situation Klarheit zu verschaffen sucht.
 
Ein Thema, jedenfalls, dass ja viele Leute ansprechen dürfte, vor allem dann, wenn sie davon betroffen sind. Und wem Niklas Luhmanns Liebe als Passion zu schwer ist, weil zu viele Fußnoten den Lesefluss stören (so ist es zumindest mir ergangen) und wer den Blick in die schönen Augen der Brotverkäuferin beim täglichen Semmelkaufen nicht schon für das Höchste der Gefühle hält, der wird mit Margit Schreiner Die Tiere von Paris sicher seine Freude haben. Auch wenn ersteres weniger Probleme der im vorliegenden Buch geschilderten Art machen dürfte. Aber der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier und wills am Ende doch  immer schwerer haben. Also stürzen wir uns hinein ins Lese-Liebes-Vergnügen.
 
 
Hinzweisen wäre noch auf ein paar Termine von INNSBRUCK LIEST Gleich morgen Montag geht es weiter mit einem MONTAGSFRÜHSTÜCK im Literaturhaus am Inn. Wo die Autorin zusammen mit dem in letzter Zeit ebenfalls mit Familienthemen aufhorchen hat lassenden Autor Raul Schrott über moderne Familienkonstellationen diskutieren wird. Moderiert wird die Diskussion vom Literaturwissenschaftler an der Uni Innsbruck, Martin Sexl. Der das Projekt INNSBRUCK LIEST wissenschaftlich betreut.
 
 
Weiter geht es dann schon am Mittwoch, den 20. März, wo Margit Schreiner um 19.30 Uhr in der Buchhandlung THALIA lesen und sich danach einem Puzblikumsgespräch stellen wird.
 
Die weiteren Termine sind:
Do, 21. März 2013, 20 Uhr
11. Innsbrucker Prosa-Festival
Margit Schreiner liest aus neuen Texten.
Weiters: Jan Kossdorf, Kristof Magnusson, Raoul Schrott
Moderation: Robert Renk & Markus Köhle
Ort: freies theater innsbruck, Wilhelm-Greil-Straße 23
 
 
Mo, 25. März 2013, 20 Uhr
Podiumsdiskussion „Literatur im Alltag: Alleinerziehung
als Alltagserfahrung und als literarisches Thema“.
Mit Margit Schreiner, Prof. Dr. Salvatore Giacomuzzi/ Psychologe
und Vanessa Schatzer/ Literaturstudentin und Betroffene.
Eine Veranstaltung der "Innsbrucker Vergleichenden Literaturwissenschaft“ (Universität Innsbruck) in Kooperation
mit der "Tiroler Plattform für Alleinerziehende"
Ort: Haus der Begegnung, Rennweg 12
 
 
Mo, 15. April 2013, 10 Uhr
Schulprojekt „Am Mikrofon“
SchülerInnen der 7. Klasse des BRG Sillgasse
interviewen Menschen in ihrem Umfeld zum Thema „Familie heute“.
In Kooperation mit der Servicestelle des Landes Tirols für Lesepädagogik
Ort: Stadtbücherei Innsbruck, Colingasse 5a
 

www.innsbruck.gv.at/page.cfm

Helmut Schiestl

3 Comments

  1. Mich hat "Die Tiere von Paris" nicht so wirklich vom Hocker gerissen. Der "Clou" des Romans besteht darin, dass er in der 2. Person Singular (also der "Du-Form") verfasst ist … was anfangs ganz nett ist, ging mir bald auf die Nerven. Allerdings ist das natürlich hauptsächlich eine Geschmacksfrage und das jährliche Gratisbuch halte ich auch für eine tolle Idee. Wer schon geschenkten Gäulen nicht ins Maul schaut, sollte in geschenkte Bücher zumindest reinschmökern.

    • Will es mir hiermit mal einfach machen und mich zu einem gewissen Teil Wiese anschließen! Was ich allerdings als positiv empfinde, ist die Tatsache, dass durch das Buch evt. ein Thema zur Sprache kommt (das Alleinerziehned-Sein) und damit ausnahmsweise auch mal abseits von am Ende eh so gut wie nie realisierten Wahlkampfslogans oder irgendwelchen "in den nächsten x Jahren ist geplant, dass"-Sätzen vorkommt. 

  2. Hab das Buch vor wenigen Tagen fertiggelesen. Hier meine Kurzkritik:

    Das heurige „Innsbruck-liest-Buch ist vielleicht nicht eben der große Hit, denken wir etwa an Annette Pehnts Mobbing oder Sepp Malls Wundränder. Die Geschichte, wird da doch eher etwas einseitig erzählt, man kommt einfach beim Lesen des Buches nicht dazu, dem männlichen Part auch nur ein Fünkchen Sympathie zu schenken, und das sollte einem guten Roman doch eigentlich nicht passieren. Dieser ist doch meistens so aufgebaut, dass man auch die Handlungsweise des selbst noch miesesten Charakters irgendwie nachvollziehbar ist und man zumindest die eine oder andere Eigenschaft von ihm auch bei sich selbst entdecken könnte.
     
    Hier ist einfach zu sehr der Frauenpart im Vordergrund, und man könnte  Die Tiere von Paris daher ohne Probleme als „feministischen Roman“ oder eben als „Frauenbuch“ bezeichnen. Hat man sich damit erst mal abgefunden, kann man dem Buch aber trotzdem einen Lesegenuss abgewinnen. Vermittelt es einem doch einen guten Einblick in die Welt der Patchworkfamilien, und den Problemen  der Scheidungskinder, die ja   wohl fast immer die noch größeren Opfer der ganzen Geschichte sind, da die Scheidung meistens Auswirkungen auf deren Psyche hat.
    Es ist eine (für mich zumindest ) doch ziemlich andere Welt, die man eigentlich nicht teilen möchte. Ihre Akteure sind zum Teil verhärtet, auch wenn sie wissenschaftliche angesehene Berufe haben – was eigentlich noch mehr irritieren sollte – und erkennen wohl schnell den Splitter im Auge des ehemals geliebten Partners / der Partnerin, und nur selten oder überhaupt  nicht den Balken im eigenen. Das ist schade.
     
    Auch wenn Frau Bücher über das Verirren schreibt, von einem Uni-Projekt dieses Themas lebt – etwas, was einem Nicht-Uni-Menschen wohl nur schwer zu vermitteln sein dürfte – was das Buch zusätzlich eher zu einer Art Insiderliteratur macht. Und irgendwie scheinen mir diese im Buch beschriebenen Projekte über das Verirren in … doch eher als eine Metapher der Autorin zu sein, eine Metapher über das Verirren in Beziehungen: Man(n)Fau verirrt sich vielleicht weniger in Wäldern oder italienischen oder japanischen Städten als in Beziehungen und daraus folgenden Ehen. Vielleicht auch nur, weil die Kompasse dazu leider nirgendwo erhältlich sind.

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