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Innsbruck, deine Plätze – Innsbrucker Platz

Innsbrucker Plätze müssen ja nicht zwangsläufig in Innsbruck sein, dachte sich einer der erst kürzlich vom Hier ins Dort ging, und in Berlin auf eine Heimat-Referenz stieß. Versuch einer Verbindungsaufnahme.

Berlin hat ja bekanntlich neben vielen Großartigkeiten auch einige unansehnliche Seiten vorzuweisen. Der Innsbrucker Platz ist ein „schönes“ Beispiel dafür. Er liegt im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg und bildet die Nahtstelle der Ortsteile Schöneberg und Friedenau. Auf seinen heutigen Namen getauft wurde der Platz 1927, als Anfangspunkt der schon seit 1907 gewidmeten Innsbrucker Straße.

Südlich des Platzes verläuft seit 1877 die Ringbahn. Der S-Bahnhof Innsbrucker Platz wurde allerdings erst 1933 angelegt. Unter dem Innsbrucker Platz liegt seit 1910 der Bahnhof der Schöneberger U-Bahn, der heutigen Linie U4. Im Zuge seiner Erbauung entstanden noch weitere Straßen in diesem als „Tiroler Viertel“ geplanten Bereich.

[video:http://youtu.be/DVkSViS2B8E]

Verwirklicht wurden die Pläne nie. Ein Viertel mit stärkerem Tirol-Bezug entstand stattdessen im Norden Berlins. Dessen Zentrum bildet der Andreas-Hofer-Platz, ein kleiner Park mit einem Hügel aus Trümmerschutt, von den Einwohnern sinnigerweise „Brenner“ genannt. Im Winter verwandelt sich der „Berg“ regelmäßig in einen Rodelhang für Kinder. Auch rundherum tirolert es mit Brenner-, Dolomiten-, Maximilian-, Zillertaler-, Brixener- und Tiroler-Straße schwer. Um den Innsbrucker Platz hingegen erinnert außer der anschließenden Innsbrucker Straße nur mehr die Eisackstraße an die Tiroler Namensgebung.

Seit dem Jahr 1979 dominiert die Anschlussstelle zur Stadtautobahn den Platz. Die Umsetzung des Konzepts „Autogerechte Stadt“ verwandelte den Ort endgültig in einen Verkehrsknotenpunkt. Trotz der großen Fläche, die hier dem innerstädtischen Transit geschenkt wird, gibt es weder separate Fahrradwege noch durchgehende Fahrradstreifen.

Oberirdisch bestimmt stattdessen der motorisierte Abbiegerverkehr das Geschehen. Die Autobahn selbst untertunnelt den Platz. Fußgänger werden ebenfalls unter die Erde verbannt, nämlich ins zwischen Oberfläche und Autobahntunnel liegende Fußgängerverteilergeschoss. Am meisten Leben spielt sich hier noch im Discounter ab, der seinerzeit in diese Zwischenwelt gepflanzt wurde.

Viele Gebäude am Innsbrucker Platz wurden im Zuge des Zweiten Weltkrieges stark beschädigt oder zerstört. Was danach neu aufgebaut wurde, ist wenig schmuckvoll. Am Westeingang steht die ausladende Niederlassung einer Bank. Überquert man die Innsbrucker Straße, eine verkehrsberuhigte Sackgasse, trifft man auf kleine Nahversorger: Unscheinbare Restaurants, ein Friseur-Salon, eine Apotheke.

Eine umfangreichere Kommerzialisierung verhindert allein schon die Abwesenheit nennenswerter Passantenströme. Auf den vereinzelten Parkbänken am großzügig bepflasterten Saum rund um die euphemistisch als Platz bezeichnete Kreuzung verweilen nur wenige. Rentner, Alteingesessene, rastende Gelegenheits-Radler. Sie müssen alle sehr erschöpft sein. Touristen verschlägt es hier – ganz im Gegensatz zur Namenspatronin – keine her.

Überhaupt wird nur schwer fündig, wer abgesehen vom Verweis auf den starken Durchzugsverkehr nach weiteren Parallelen zur namensgebenden Stadt sucht. Gut, die von Norden kommend an den Innsbrucker Platz stoßende Martin-Luther-Straße könnte als ein Affront gegen das katholische Tirol gewertet werden. Das wäre aber wohl ebenso weit hergeholt wie ein Lob für die realistische Abbildung geografischer Verhältnisse im kleineren Maßstab.

Der Bayerische Platz liegt zwar nur zwei U-Bahn-Stationen weiter nördlich. Politisch durchschlagend war die Namensgebung der beiden Plätze bisher aber jedenfalls nicht: Im Bezirksrathaus sitzt derzeit eine SPD-Bürgermeisterin. Der latenten Tristesse am Innsbrucker Platz beizukommen, etwa mit einer verbesserten Radfahrtauglichkeit, dazu konnte offenbar auch sie sich bisher noch nicht durchringen.

Text und Fotos: SIMON MOSER




One Comment

  1. Der Platz befindet sich immerhin nicht im berüchtigten Stadtteil Neukölln 🙂

    Grüße aus Düsseldorf.

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