12

„Die Tram hat uns einen Park gebracht“

Lange grüne Bänder ziehen sich durch die Straßen zahlreicher französischer Städte, wo früher Lärm und Auto-Chaos herrschten: die voies engazonnés, Rasengleise. Sie sind das optisch vielleicht auffälligste Zeichen eines neuen Verständnisses von Mobilität.

Mit Gras bewachsene Gleiskörper gab es natürlich immer schon, vor allem bei ungenügender Pflege von Gleisen mit Schotter-Oberbau. Dort ist Gras allerdings schädlich, es lockert den Schotter, bringt Feuchtigkeit in die Schwellen und sorgt letztlich dafür, dass das Gleis nicht mehr sicher befahrbar ist.
In Frankreich wurde das grüne Gleis im städtischen Bereich bereits vor 20 Jahren als Gestaltungselement erkannt, technisch perfektioniert und hat von dort aus seinen Siegeszug in die ganze Welt angetreten.
Es ist nicht unmaßgeblich dafür verantwortlich, dass allein in Frankreich seit 1992 in 19 Städten neue Straßenbahnbetriebe entstanden sind und in den nächsten fünf Jahren in sechs weiteren Städten die Tram (wieder) eingeführt wird.

Die erste Stadt, die ihre neu eröffnete Tram auf grünen Gleisen fahren ließ, war Innsbrucks Partnerstadt Grenoble. Auch in einer weiteren Partnerstadt, Freiburg, rollen die Bahnen auf weiten Strecken über Gras.

Warum ist Rasengleis so wichtig für den Erfolg neu gebauter Tramlinien? Ein geflügeltes Wort in Frankreichs neuen Tramstädten lautet: "Die Straßenbahn hat uns einen Park gebracht".
Nicht mehr Grauschattierungen von Asphalt und Beton dominieren in diesen Städten dort, wo die Tram fährt, sondern sattes Grün, Büsche, Baumreihen, dazwischen Kunstobjekte und andere sorgfältig gesetzte gestalterische Akzente.
Da findet man im Tramgleis auch mal Wasserfontänen, kleine Teiche oder ganze Biotope.
"Kräutergleise" aus niedrigen Flechten und Kräutern setzen bunte Akzente, ermöglichen Leben wo sonst keines wäre. Verdunstung kühlt die Umgebung in die Hitze des Sommers, und die Humusschicht unter der Vegetationsebene dämmt die Fahrgeräusche der Bahnen und kann auch Regenwasser versickern lassen.

Von grün gestalteten Gleiskörpern haben alle etwas, nicht nur die, die in der Tram sitzen. Städte werden grüner und lebenswerter, dem Bau neuer Tramstrecken mit all seinen Belastungen während der Bauzeit wird weniger Widerstand entgegengebracht, einige neue Tramlinien wurden überhaupt erst möglich, weil die grüne Gestaltung den Widerstand der Bevölkerung brechen konnte.
Eigentlich ist das grüne Gleis nur logisch, braucht doch die Tram viel weniger Platz als der Autoverkehr. Zum Fahren reichen zwei Schienen – drumherum muss man nichts befestigen.

Nicht nur in Frankreich, auch in den Städten in unserer Nachbarschaft gibt es begrünte Tramstrecken, so zum Beispiel in Zürich, Linz oder Wien. Wer aber eine ganz hervorragend gestaltete Straßenbahnstrecke sehen will, fährt am besten einfach mal nach München. Dort wurde erst 2011 die Linie 16 nach St. Emmeram eröffnet – sie fährt durchgehend auf Rasengleis.

Innsbruck ist ein Nachzügler, will jetzt aber aufholen. Aus den Fehlern der bereits fertigen Neubaustrecke von der Anichstraße bis in die Höttinger Au hat man unter anderem gelernt: die Menschen mögen keine Asphaltwüsten, und aufgemalte Sperrlinien reichen nicht aus, um unerwünschte Fahrzeuge wie Taxis oder Radfahrende von Gleiskörpern fernzuhalten.
Ein kurzes Stück Rasengleis am neuen Endbahnhof der Linie 3 in Amras ist bisher das einzige positive Beispiel. Nur in Igls, an der Endstation der Linie 6, gibt es in Innsbruck sonst noch Rasengleis. Im restlichen Netz muss die Innsbrucker Tram heute noch durchwegs über Schotter oder Asphalt rollen.

Viele Kilometer an neuen Gleisen werden in den nächsten rund sieben Jahren für dfie zwei in Bau befindlichen neuen Tramlinien noch gelegt werden.
Manchmal müssen Asphalt oder Beton leider sein, weil Busse die Gleisstrecken mitbenützen, so zum Beispiel in der Kranebitter Allee. An vielen anderen Stellen sind aber Rasen- und Kräutergleise möglich.

Jetzt will die Stadtregierung wissen, ob Innsbrucks BürgerInnen grüne Gleise wollen.

Mit einem Klick kannst Du hier noch bis 18. Juli anonym abstimmen (Kasten rechts, "Frage der Woche"): http://innsbruckinformiert.at/

Manni Schneiderbauer

12 Comments

  1. Und die Gleise rosten dann auch nie, trotz des durch den Rasen doch wahrscheinlich feuchten Untergrunds?

    • Nein. Schienen sind aus einer rostfreien Stahlregierung. Es bildet sich nur Flugrost, der sich aber nicht ins Innere frisst. Zusätzlich sind die Schienen in einem Rasengleis mit einer Schutzhülle ummantelt, die Streustrom verhindert, Körperschallemissionen verringert und eben auch vor Feuchtigkeit schützt.

        • "Streustrom" ist auch nicht schlecht. Werde ich in meine nächste Liebesbotschaft einbauen: Sei du der Streustrom meines Lebens und elektrisiere täglich meiner Liebe tiefes Fühlen!

  2. Seit wann wollen die Grünen wissen, was die Bevölkerung will?

    Die wissen doch selber immer alles viel besser.
    Und dann – sofern die Möglichkeit besteht – wird es der Bevölkerung aufs Aug gedrückt.


  3. Heute in den Radionachrichten : 7 von 10 Menschen fahren ihre kürzeren Strecken mit dem Fahrrad, lassen das Auto wegen teurem Sprit und der Gesundheit einfach stehen“. Sie wünschen sich nur bessere Radwege und mehr Stellplätze. Und KEINE begrünten Strassenbahnschienen. Was Soll überhaupt dieser Blödsinn, Schiene ist Schiene, und fürs Begrünen brauchen wir wieder ein paar Firmen, die das bewerkstelligen und kräftig absahnen. Unterstützt uns Radfahrer, baut breitere Wege und haut den Autoverkehr aus der Stadt, dann ist es auch ohne Begrünung super.

  4. Danke für den Artikel! 
    Was für ein tolles, und wohl zukunftsträchtiges Konzept. Grünflächen (selbst wenn es nur ein Rasen ist) wirken sich positiv auf Stimmung und Gesundheit aus, und machen das Stadtbild ingesamt attraktiver.
    Weil das Argument der Kosten gebracht wurde:  In der Erhaltung sind Rasengleise gewiss aufwändiger, da regelmässig gemäht werden muss, aber bei der Errichtung kostet Asphaltieren kostet genauso Geld. Der zusätzliche Aufwand (Mähen) dürfte sich zumindest finanziell in Grenzen halten, da die neuen Flächen ledigliche zu den zahlreichen bereits jetzt zu pflegenden Grünflächen hinzukämen.
    Das andere Argument, jenes mit den Radfahrern, ernstzunehmen, fällt mir schwer. Wie kann man ernsthaft Radfahren gegen öffentliche Grünflächen ausspielen?
    Ich erwarte mir von der Stadtregierung, dass diese innovative Begrünung bei der Errichtung neuer Trassen wo es möglich ist eingesetzt wird.

  5. ein park, der von den kindern nicht zum spielen genutzt werden kann, ein park, in den man sich nicht zum entspannen legen kann, ein park, der hundebesitzern nicht zum gassigehen nutzt, das ist kein park, sondern ein grünstreifen. nicht anders als bei der autobahn…

    auch wenn ich den grünstreifen für die strassenbahn gut finde, so ist die überschrift nicht ganz so klug gewählt (jaja, ich weiss, dass das die franzosen so sagen, aber trotzdem!)

    • @umpalumpa: das Rasengleis ist ja nur zentrales Element aller den Trambau begleitenden Stadtgestaltungsmaßnahmen. Dazu gehören auch Parks und andere nutzbare kleine oder größere Grünflächen und -räume. Das Rasengleis selbst ist nicht der Park, den das Zitat meint. Im Idealfall wird das ganze Umfeld menschenfreundlich gestaltet, Parkplätze und Fahrbahnen verschwinden oder werden zumindest deutlich reduziert.

  6. @"wahre Gästin": so positiv Radfahren ist – das Fahrrad wird in der Großstadt niemals den öffentlichen Verkehr ersetzen können. Es gibt genügend Menschen, die nicht radfahren können oder wollen. Die Entfernungen sind zu groß. Oft ist das Wetter ungeeignet.
    Der Radverkehr ist eine prima Ergänzung zum öV, ja, aber das war’s dann auch schon. Und natürlich ist der Radverkehr bevorzugt gegenüber dem Autoverkehr zu behandeln und auszubauen.
    Und zu dem was du sonst noch schreibst: gebaut werden muss so oder so, ob jetzt eine auf befestigte Flächen spezialisierte Baufirma gewinnt oder eine, die Grünflächen errichten kann, ist ziemlich einerlei.
    Die Pflege der Rasengleise übernehmen Verkehrsbetriebe und Stadt. "Kräutergleise" benötigen so gut wie keine Pflege – kein Schnitt, kein Düngen, keine Bewässerung. Nur ab und zu vielleicht mal eine Reparatur, wenn wieder mal ein/e besoffeneR AutofahrerIn das Gleis mit der Straße verwechselt.

  7. @ Manni

    Der Radverkehr nimmt aber die Rolle als Zubringerverkehr zu den Stationen ein.
    Eine attraktive Haltestelle (gerade bei Überlandbahnen) mit Radstellplätzen, evtl Speis und Trank, Trafik, überdachten Wartebereich zieht sehr viel Potenzial an. Grundlage ist aber :

    – einwandfreie Radwege, verkehrsarme Zufahrten
    – o.g. Haltestelleninfrastruktur
    – Taktpläne der Strassenbahn, die auch die Früh und Abendstunden abdecken/attraktiv erscheinen

    Ziel muss es sein, dass die Menschen abwegen, Autofahrt vs Radfahren + Strassenbahn, und dann zugunsten dem Zweiteren sich entscheiden.

    Für IBK mag das weniger relevant erscheinen (außer direkt im flachen Talboden, bzw in den ebenen Gebieten des Mittelgebirges), aber es sollte dennoch umgesetzt werden.
    Ähnlich verhält es sich auch mit den neuen S-Bahn-Stationen, welche weiter auf sich warten lassen.

    Zum Topic Rasengleis sagst du alles richtig.

Schreibe einen Kommentar zu umpalumpa Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert