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Wohnungsvergabe neu – ein unsolidarisches Projekt?

Die Stadt Innsbruck überarbeitet die Vormerk- und Vergaberichtlinien für die Sozialwohnungen der Stadt Innsbruck. Eine Überarbeitung der Vergaberichtlinien zum Vorteil der Wohnungssuchenden wäre schon längst überfällig. Was allerdings bislang nach außen gedrungen ist , deutet – gelinde gesagt – nicht gerade darauf hin, dass es sich hier um eine Verbesserung handelt. Zumindest dann nicht, wenn man der Ansicht ist, dass es Aufgabe der Stadt ist, leistbaren Wohnraum für alle zur Verfügung zu stellen.

WohnungswerberInnen müssen statt drei nun ganze zehn Jahre in Innsbruck gemeldet sein, um es überhaupt auf die Vormerkliste zu schaffen. Wenn man bedenkt, dass die Wartezeiten dann zwei bis sechs Jahre dauern, dann ist einmal gesichert, dass Wohnungssuchende mindestens 12 – 16 Jahre lang auf dem privaten Wohnungsmarkt sehen sollen, wo sie bleiben. Bei den Wohnkosten in Innsbruck wird das allerdings immer schwieriger.

Die Befristung der Vormerkung ist angesichts der langen Wartezeiten ohnehin kritikwürdig. Die Umkehrung der „Bringschuld“ macht es also noch leichter Wohnungssuchende „unter den Tisch fallen zu lassen“, wenn diese nicht fristgerecht ihren Antrag erneuern.
Der Anteil an Drittstaatsangehörigen soll nun ein Fünftel der BewohnerInnen in Innsbruck nicht überschreiten. Was sich dann als „Rücksichtnahme auf Migrationshintergründe“ liest, ist in Wahrheit nichts anderes als rassistische Vergabepraxis.

Die Ablehnung einer Vergabewohnung soll automatisch für einen Ausschluss von der Vormerkliste für zwei Jahre zur Folge haben. Bislang wurde erst nach der dritten Ablehnung eine Sperre für ein Jahr verhängt.

Es bleibt abzuwarten, ob diese Überarbeitung der Vergaberichtlinien so kommt. Es wird allerdings deutlich, dass sich die Stadt schon lange von der Aufgabe verabschiedet hat, den Menschen, die hier leben, leistbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Ganz abgesehen davon, dass die Mieten auch in den Sozialwohnungen der Stadt Innsbruck alles andere als billig sind, hat die Stadt nicht einmal ansatzweise die Bestrebung, ihre BewohnerInnen vor dem Zins am privaten Markt zu schützen.

Diese überarbeiteten Vergaberichtlinien strotzen vor Zynismus, während sich Pokorny Reitter bei der Vergabe von einer Handvoll Wohnungen dann medienwirksam ablichten lässt. Dass aber 2400 Wohnungssuchende derzeit nur diejenigen sind, die vorgemerkt sind, interessiert dabei selbstverständlich nicht. Die Dunkelziffer ist weitaus größer ist und es sind umfassende Maßnahmen nötig, um die Mietkosten nachhaltig zu senken. Leider hat sich dies bis zu den Mitgliedern der städtischen Ampelkoalition nicht durchgesprochen.

Es ist erfreulich, dass derzeit ein Projekt der TKI zum Thema Wohnen läuft. Eine temporäre Beschwerdestelle hat sich der Sorgen und Nöte zum Thema Wohnen in Innsbruck angenommen und verschafft den Menschen die Möglichkeit, ihrem Ärger über die Wohnungspolitik in Innsbruck Ausdruck zu verleihen. In Innsbruck muss eine breit angelegte Debatte zum Thema Wohnraum ins Rollen zu gebracht werden!
 
ROLAND STEIXNER

9 Comments

  1. die Kritik an den Plänen von STR Kaufmann ist voll inhaltlich richtig!

    was aber wären denn Lösungsvorschläge aus dem derzeitigen Problem?
    Grundstücke, die für sozialen Wohnbau zur Verfügung stehen sind in Innsbruck knapp. Also kann man einerseits "Verdichten" mit den daraus resultierenden bekannten Problemen: mehr Menschen leben immer enger zusammen.
    Oder man schraubt an der "Treffsicherheit" im Bestand: sind die derzeitigen Bewohner_innen noch sozial bedürftig? Oder haben sie bereits eine wirtschaftliche Basis, die die Bezahlung eines anderen Tarifs ermöglichen würde und wo es legitim wäresie auf den freien Wohnungsmarkt zu verweisen .
    Ich weiss, dass es sicher nicht angenehm ist nach 10 oder mehr Jahren wieder umziehen zu müssen, NUR SICH DAMIT NICHT AUSEINANDERSETZEN bedeutet für diejenigen, die es wirklich brauchen würden lange, lange Wartezeiten und große finanzielle Belastungen, die sie sich weniger leisten können, wie die andere Gruppe.
    Mehr sozialen Wohnbau zu forden halte ich unter den gegeben Umständen für unrealistisch. Die Innsbrucker Poliker_innen werden irgendeine der "Kröten" schlucken müssen, weiter den Kopf in den Sand zu stecken bringt nichts.

    •  Die Lösung der derzeitigen Probleme sind ein grundlegender Wandel in der Wohnungspolitik. Wenn die Marktpreise auf dem freien Wohnungsmarkt bei über zehn Euro pro Quadratmeter liegen, so muss eine grundlegende Diskussion über die Beschaffung von Wohnraum angestoßen werden. Dabei ist an mehreren Hebeln anzusetzen:
      1.) Eine grundlegende Überarbeitung des Mietrechtsgesetzes. Klare Mietzinsobergrenzen sind einzuführen. Für den Altbau bedeutet das auf jeden Fall die Wiedereinführung des Kategoriemietzinses und das Verbot von Zuschlägen. Für den Neubau muss ebenfalls eine klare Mietzinsbegrenzung her. Auch dort sollten die Kosten nicht über acht Euro pro Quadratmeter liegen. Auch muss die Definition "Neubau" eingeengt werden. Schließlich sind "Neubauten" mittlerweile bis zu 60 Jahre alt. Im Gegenzug kann dann bei den Mietzinsbeihilfen gespart werden, die ohne verbindliche Mietzinsobergrenzen ohnehin nur zur Subvention der exorbitant hohen Mieten dient. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass uns die Reformen der letzten 30 Jahre diese Misere eingebrockt haben.
      2.) Die Wiedereinführung Zweckbindung der Wohnbauförderungsbeiträge ist längst überfällig, weil nicht einsehbar ist, warum diese immer wieder als Spielgeld für Landeshauptleute zweckentfremdet werden.
      3.) Saftige Leerstandsabgaben müssen eingeführt werden und diese für sozialen Wohnbau verwendet werden.
      4.) Wir werden um eine Verdichtung nicht herumkommen, wenn wir nicht, wie es durch die derzeitige Wohnungspolitik geschieht, die Zersiedelung fördern wollen, was wieder dazu führt, dass sich die Anfahrtswege für viele Menschen verlängern. Mit all den ökologischen Problemen die die langen Wege mit sich bringen.
      5.) Wir werden uns ansehen müssen, wer noch Grund hortet, der für die Schaffung von Wohnraum geeignet wäre.
      Was aber derzeit das letzte ist, worauf ich einen Wohnungssuchenden in Innsbruck derzeit verweisen möchte, ist der freie Wohnungsmarkt. Denn hier haben es sich Immobilienspekulanten bequem gemacht und die derzeit herrschende Politik, scheint sich mehr um die Bedienung der Interessen dieser Gruppe zu kümmern als um die Sorgen der Wohnungssuchenden.

  2. Zehn Euro pro qm sind am freien Markt mittlerweile ja richtig günstig. Wichtig und gut finde ich, dass die Durchmischungsregel und -quote endlich einmal publiziert wird. Die gibt es nämlich schon recht lange, nur hat noch selten jemand darüber öffentlich gesprochen. Diese Regelung, die die Konzentration der Menschen mit Migrationshintergrund auf bestimmte Gebäude verhindern soll, führt nämlich den dummen Spruch: "Soll ich mir ein Kopftuch aufsetzen, damit ich schneller eine Wohnung bekomme?" ad absurdum. Tatsächlich warten die, die einen ausländisch klingenden Namen haben, länger auf eine geförderte Wohnung als andere, da so das mögliche Angebot verkleinert wird. Das Mietrecht endlich komplett neu zu erlassen tut Not, keine Frage. Das ist ja seit Jahrzehnten nur Flickwerk. Besonders ärgerlich finde ich, dass VermieterInnen, die für Wohnungen, die dem Mietrecht unterliegen, einen überhöhten Mietzins verlangen, den zu unrecht erhobenen Teil zwar zurück zahlen müssen, aber nur, wenn die jeweiligen MieterInnen dies auch begehren und (meist nicht ohne Rechtsanwaltsunterstützung) durchsetzen. Für so einen Rechtsbruch werden VermieterInnen aber weder bestraft noch werden andere Mietverträge dieser RechtsbrecherInnen von Amts wegen untersucht. Und nachdem der Mietvertrag der unbequemen MieterInnen ausgelaufen ist, werden diese VermieterInnen munter weiter einen unrechtmäßig überhöhten Mietzins verlangen. Und leider immer auch bezahlt bekommen. Einen sehr heiklen aber wichtigen Ansatz finde ich auch den Umgang mit Altverträgen in Sozialwohnungen. Was früher die so genannten Hofratswitwenwohnungen im Saggen waren, sind heute die Großwohnungen im O-Dorf und der Reichenau, die von ein oder zwei Personen bewohnt werden. Klar ist niemand dazu zu bewegen, freiwillig in eine kleinere Wohnung zu ziehen, wenn eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit neuem Vertrag mehr kostet als die alte Whg. Den restlichen Lösungsansätzen Rolands kann ich nur zustimmen.

  3. Tut mir leid, dass die ganzen Zeilumbrüche in meinem Text automatisch entfernt wurden und er so schlecht lesbar ist.

  4. „Die Ausdehnung der modernen großen Städte gibt in gewissen, besonders in den zentral gelegenen Strichen derselben dem Grund und Boden einen künstlichen, oft kolossal steigenden Wert; … Das Resultat ist, dass die Arbeiter vom Mittelpunkt der Städte an den Umkreis gedrängt, dass Arbeiter- und überhaupt kleinere Wohnungen selten und teuer werden und oft gar nicht zu haben sind; denn unter diesen Verhältnissen wird die Bauindustrie, der teurere Wohnungen ein weit besseres Spekulationsfeld bieten, immer nur ausnahmsweise Arbeiterwohnungen bauen.

    Diese Mietsnot trifft den Arbeiter also sicher härter als jede wohlhabendere Klasse; aber sie bildet, ebenso wenig wie die Prellerei des Kaufmanns, einen ausschließlich auf die Arbeiterklasse drückenden Übelstand…“

    http://www.mlwerke.de/me/me18/me18_209.htm

  5.  Hallo Roland, du hast wohl übersehen, dass ich seit 1 1/2 Jahren nicht mehr Wohnungsstadträtin bin Und daher schon lange nichts mehr übergebe. Jetzt ist VizeBM Kaufmann zuständig. Ich habe in meiner Zeit wie eine Löwin für den sozialen Wohnbau gekämpft und auch viel erreicht, auch im Zusammenhang mit mietsenkenden Maßnahmen. Die Vergaberichtlinien, die es noch gibt, sind ausgewogen, sozial und solidarisch und wurden in meiner Regierungszeit beschlossen.

    •  … ablichten ließ. Pardon. Was aber nichts daran ändert, dass deine Partei maßgeblich an der Wohnungssituation in Innsbruck mitschuldig ist. Oder wo war die SPÖ, als die Richtwertmieten eingeführt wurden? Wo war sie, als die Befristungsmöglichkeit für die Mietverträge eingeführt wurde? Das MRG ist auch nicht so der Bringer, wenn mittlerweile bereits 60 Jahre alter Häuser als "Neubau" durchgehen, mit den dir natürlich bekannten mietrechtlichen Konsequenzen. Das hat die SPÖ offenbar nicht wirklich interessiert. Vor den Wahlen heftete sich die SPÖ das Thema "Wohnen" auf die Fahnen und hat wieder einmal gehofft, dass die Leute den Schwindel nicht merken.

      Was die bisherigen Vergaberichtlinien betrifft, eine einfache Frage: Ist dir bekannt, wieviele Menschen versuchen, im Stadtmagistrat um eine Wohnung anzusuchen und unverrichteter Dinge wieder weggehen und sich anhören dürfen, dass sie ja doch am privaten Wohnungsmarkt fündig werden müssen? Offenbar gibt es diese Leute ja gar nicht, weil die Vergaberichtlinien "ausgewogen, sozial und solidarisch" sind, was daran liegen muss, dass sie unter deiner Regierungszeit beschlossen wurden. 

      PS: Mich würde außerdem interessieren, was der Consulter, den du zur Stadtplanung heranziehen möchtest, kosten soll und welches Wissen uns das Geld wert sein soll. 

  6. Hab über 14€ pro qm in Innsbruck gezahlt.
    Bin deswegen nicht grade traurig nun weit weg von Innsbruck zu sein.

    Aber die Innsbrucker habens ja so gewollt.

    Eine einzige Partei hat sich die Mietpreise auf die Fahnen geschrieben.
    Sie hat nichtmal einen Sitz bekommen.
    Offenbar wollen die Innsbrucker Mieten, die Durchschnittslöhner dazu zwingen Mietzinsbeihilfe und Mindestsicherung zu beziehen, und mit 400€ pro Kopf auszukommen?

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