1

Verdrängte Orte

Das Bekannteste liegt in Wien. Auch in Salzburg und Vorarlberg gibt es welche. Aber auch die Alpenmetropole Innsbruck unterhält im Polizeianhaltezentrum in der Kaiser-Jäger Straße einen Trakt für Schubhäftlinge. Seit dem Jahr 2006 ist der Verein Menschenrechte Österreich für die Betreuung von Schubhäftlingen zuständig.

Viele Diskussionen gibt es um diesen Ort, direkt neben der SoWi, nicht. Liegt wohl mitunter daran, dass nur wenige Informationen aus dem PAZ (Polizeianhaltezentrum) an die Öffentlichkeit dringen. Doch sollte es die InnsbruckerInnen nicht interessieren wie viele Menschen in Schubhaft sitzen und ob es dort mit rechten Dingen zugeht?

Bis 2005 lag die Betreuung noch in den Händen einiger idealistischer MenschenrechtlerInnen, die sich zur ARGE Schubhaft (jetzt Fluchtpunkt) formierten um sicherzustellen, dass Schubhäftlinge auch zu ihrem Recht kommen bzw. dass es nicht so leicht passieren kann, dass ihre Rechte übergangen werden. Falls jemand noch nicht weiß was Schubhaft ist, dem empfiehlt sich die kurze Lektüre unserer dritten B.A.M. – die auch ein Interview mit Herbert Auderer von Fluchtpunkt beinhaltet.

Diese Kontrolle durch eine unabhängige Organisation ist seit dem Jahr 2005 nicht mehr gegeben. Zwar bezeichnet sich der “Verein- Menschenrechte Österreich” als private Hilfsorganisation, jedoch zeigt eine kurze Recherche, dass es diese Organisation mit der Unabhängigkeit von der Politik nicht so ernst nimmt (hier, oder auch das). Böse Zungen behaupten sogar der VMÖ ist der lange Arm des Innenministeriums.
Dessen Chef, Günter Ecker, begleitet auch immer wieder einmal die Deportationen durch FRONTEX und gibt sich als “humanitärer Beobachter” dieser Flüge.

Nun wissen wir, dass wir nicht viel wissen- doch was wir wissen, sollte unser Gewissen bezüglich unserer Verantwortung gegenüber den Betroffenen schärfen.
Doch was wissen wir?

1. Keine Rechtsberatung in der Schubhaft (das war auch der Grund weshalb der Vertrag mit der ARGE Schubhaft nicht verlängert wurde). Das bedeutet, dass die Menschen, gegen die Schubhaft verhängt wurde, bloß nicht wissen sollen, warum sie eingesperrt werden und wie sie sich gegen eine rechtswidrige Inhaftierung wehren können.

Aber es gibt ja Listen mit Rechtsanwälten, die an die Schubhäftlinge ausgegeben werden
“müssen”. Blöd nur, dass die Betroffenen meist nicht über die finanziellen Mittel verfügen um
sich auch eine Vertretung zu leisten. Auf dieser Liste sollte sich übrigens auch die unabhängige Rechtsberatung befinden. Die bietet kostenlose Rechtsberatung an, auch für Menschen in Schubhaft. Seit es die unabhängige Rechtsberatung gibt (November 2009), wurde sie “drei” mal aus der Schubhaft kontaktiert. Die Leute in der Schubhaft wollen wohl keine kostenlose Beratung. Blöd aber auch.

2. Dinge die in der Schubhaft vorfallen, sollten auch möglichst in der Schubhaft bleiben.

Das scheint in den letzten Jahren gut zu funktionieren. Wir wissen weder wie viele Menschen tatsächlich in Schubhaft angehalten werden, noch ob diese auch Zugang zu Rechtsberatung bekommen. Damit ist es auch nicht möglich zu kontrollieren ob Menschen länger als gesetzlich erlaubt in Schubhaft angehalten werden (derzeit maximal 10 Monate innerhalb von zwei Jahren). Laut Informationen des VMÖ befinden sich meist vier bis fünf Personen in Schubhaft. Schwer nachzuvollziehen. Zum einen befanden sich während der Betreuungszeit der ARGE Schubhaft meist 20 bis 30 Personen im PAZ, zum anderen erlebten wir seit dem Hinauswurf der ARGE Schubhaft gefühlte fünf Novellierungen (könnten auch mehr sein, wer hat nicht aufgehört zu zählen?) der relevanten Gesetzesmaterien. Dabei wurden beständig die Schubhaftgründe erweitert. Es sollten sich also eigentlich immer mehr Menschen in Schubhaft befinden als weniger.

3. Seelsorge nur für ChristInnen bitte

Tatsächlich befinden sich auch SeelsorgerInnen in der Schubhaft. Allerdings nur katholische.
Zwar dürfte eine beträchtliche Anzahl an Schubhäftlingen nicht-christlichen Glaubens sein,
aber wen kümmert das schon. Die katholischen SeelsorgerInnen kümmern sich ja auch um
Muslime und bringen ihnen mal ein Buch vorbei bevor sie abgeschoben werden.

4. Die Bedingungen in der Schubhaft werden nicht besser!

Ganz im Gegenteil – am kommenden Dienstag, dem 22. Februar 2011, wird mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit die nächste Novellierung des FrÄG (FremdenrechtsÄnderungsGesetz) beschlossen werden. Mit den Stimmer der SPÖ.
Darin wird nicht nur die Rot-Weiß-Rot Karte zum geltenden Recht, “nebenbei” wird es massive Einschnitte in den Rechten von Schubhäftlingen und AsylwerberInnen geben. So wird die maximale Anhaltungsdauer auf maximal 18 Monate (innerhalb von drei Jahren) verlängert werden.

Und wie es sich für einen Rechtsstaat gehört, werden auch Dinge beschlossen, die schon
wieder aus dem öffentlichen Kurzzeitgedächtnis gelöscht wurden. Beispielsweise die pauschale Inhaftierung von Menschen die um Asyl angesucht haben. Die übrigen Gemeinheiten, welche diese Novelle beinhaltet soll die/der geneigte LeserIn der recht guten
Berichterstattung des Standards entnehmen.

Zum Schluss darf natürlich nicht der Hinweis fehlen, dass sich Menschen die sich in Schubhaft befinden, nichts verbrochen haben- außer zu existieren. Auch wird kaum einE ÖsterreicherIn jemals in die Verlegenheit kommen, genauso lang wie einE FremdeR wegen eines verwaltungsrechtlichen Vergehens in einem Polizeianhaltezentrum zu schmoren. Freiheitsstrafen nach dem Verwaltungsstrafgesetz dürfen sechs Wochen nicht überschreiten.

Aber die Schubhaft ist ja keine Haft – und braucht auch kein Vergehen.

Text und Bild von Ralf Niederhammer

Zur Person:
Lebt seit drei Jahren in Innsbruck und studiert Jus! Mitarbeiter beim Projekt B.A.M. (Bewusstsein für Asyl und Migration) und Rechtsberater bei der unabhängigen Rechtsberatung des Diakonie Flüchtlingsdienstes!

Redaktion

One Comment

  1. wie kalt, dekadent und brutal kann staat sein? allein im mittelmeer ertrinken jährlich hunderte von menschen – bei der überfahrt in die goldene eu. überall in europa siegen die rechten hetzer und rassisten und die einzige antwort der regierungen: abschottung, abbau des asylrechts, mehr kohle fürs militär.

    vor 1989 war die sache klar: die böse, rote sowjetunion, die menschen einsperrte und hinter der mauer menschen einkerkerte. inzwischen baut der freie westen seine mauern hundert mal höher, er nimmt tote billigend in kauf und schiebt menschen ab, deren einzige perspektiven gefängnis, folter und der tod sind.

    freiheit ist nur global zu verwirklichen, gerechtigkeit und staatsgrenzen sind widersprüche – denkt global und befreit euch international: denn menschlichkeit ist grenzenlos.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert