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Tiroler Frauenwahlkampfspots – innovativ oder geschmacklos oder dazwischen?

Letztes Mal war es die ÖVP, dieses Jahr die Liste FRITZ, deren YouTube-Wahlkampf-Videos, in dem Frauen die Hauptrolle spielen, tirolweit "viral" werden. Inhalt? Der ÖVP-Spot zeigt den Alltag einer "ÖVP-Superwoman", einer Frau, die ihren Tag mit dem materiellen und psychischen Versorgen ihrer Familie verbringt, und als das erledigt ist, Laufen geht. Danach setzt der Werbespruch ein – "ÖVP-Superwoman, weil wir dann noch aktiv sind, wenn die Männer schon längst schlafen".

[video:http://youtu.be/cmHyEFFhQQY]

Der Spot der Liste FRITZ ist konzeptuell recht anders: Es werden Verführungsposen einer Frau gezeigt, die die Zuseher in die Wahlkabine locken möchte. Dort wird eine Graphik über das Fremdgehen beider Geschlechter enthüllt, anschließend dieselben Verlockungsgesten in die Wahlkabine, die darin kulminieren, dass die Verführerin, aus zwei dargebotenen Möglichkeiten Liste FRITZ statt ÖVP wählt. Spruch: "ICH geh politisch fremd. Trau dich auch."

 

(Der Wahhlkampfspot wurde von der Liste FRITZ inzwischen wieder entfernt, dazu: kurier.at/politik/inland/aufregung-um-dinkhauser-werbespot/9.202.216)

 

Was haben wir davon zu halten? Der ÖVP Spot spricht offenbar wirklich die Vorstellung einer "Superwoman" an. Nach der ÖVP ist der Alltag einer "Superwoman" offenbar der, dass man sich tagsüber hingebungsvoll Beruf und Familie widmet – mit Blicken, die eher Stress und Mühe als freudigen Lebensinhalt an diesen Tätigkeiten erkennen lassen – um erst danach Zeit für sich selbst zu haben.

 

Der Spot sollte wohl die Idee einer ’starken Frau‘ dadurch suggerieren, dass die Superfrau allen Rollen, von Karrierefrau, traditionellem Am-Herd-und-bei-den-Kindern-Bild bis hin zur (durch Fußmassage des biertrinkenden Mannes etwas eigenartigen) erotischen Dame, gerecht wird. Interessant ist, dass in diesem Spot der Mann eher schwächlich, unselbständig und durch beruflichen Alltag schwer geprägt erscheint. Umso seltsamer, dass dieser Spot als Wahlkampfvideo eingesetzt wurde.

Der Spot der Liste FRITZ hingegen konzentriert sich nur auf den Akt des Verführens an sich. Dieser wird von der Frau verkörpert (und von dem gezeigten Diagramm mit nicht näher erklärter Statistik sanft unterstützt) und wohl schwer missverständlich dargestellt. Ob die Wahl einer Frau als Symbol der Verführung gerecht erscheint oder ob sie gefällt, ist natürlich dem Zuseher überlassen. Was aber der Spot auch zeigt: die Lust am Verbotenen, am moralisch Falschen. Fremdgehen ist moralisch nicht sehr positiv besetzt, was bedeuten würde, dass Nicht-Fremdgehen eigentlich das Bessere wäre – wenn da nicht die eigene Lust wäre, das Es, das mit Leidenschaft sucht was es im Moment wirklich will.

 

Man könnte das jetzt auch im Sinne dieses Spots ins Politische übersetzen und sich folgende Frage stellen: Ist die ÖVP das moralisch Richtige für mich? Dass sich der Spot ja wohl an Leute wendet, die aus traditionellen oder anderen Gründen die ÖVP als moralisch wertvollere Partei betrachten, sieht man ja an der dargebotenen (etwas sehr binären) ÖVP-FRITZ Auswahl.
Wieviel Inhalt oder wieviel ‚Sex sells‘ bei diesen beiden Spots enthalten ist – von beidem etwas, aber nicht bei beiden gleich viel – ist allerdings wohl von den Zusehern abhängig. Von ihrerer Aufmerksamkeit für die vermittelten politischen Botschaften und von der Sympathie für Blondinen.
 

 Von Société 14/3

6 Comments

  1. Hübsch und sexy ist die junge Dame ja, die da wirbt. Sie würde ja wahrscheinlich auch für etwas anderes werben. Und wahrscheinlich hat sie mit diesem Filmchen mehr verdient als z.B. eine Reinigungsfrau in der Stunde verdient. Auch dazu sollte sich frau mal Gedanken machen. Wo liegt mehr wirtschaftliche Ungerechtigkeit: das schöne Model, das (wahrscheinlich) nicht nur männliche Kunden zum Kaufen verführt oder verführen soll, und dafür viel Geld verdient, oder die Ausbeutung von Frauen im sogenannten Dienstleistungsgewerbe, für das sich wohl auch die Feministin oder Bobofrau zu schade sein dürfte. Deren Aussehen aber wahrscheinlich niemand zum Kaufen oder Wählen von irgend etwas verführen würde.

  2.  Unfassbar. Und ich red noch nicht mal vom Inhalt dieser Filmchen. Ich möchte auch mal festhalten, wie beleidigend schlecht die Dinger produziert sind. Und haben die da eine Nebelmaschine angeworfen? Soll die die Zigarette nach vollzogenem Kreuzlmachen suggerieren? Und das ganze dann auch noch auf stolze 1min7sec breittreten. Wenigstens muss die junge Dame selber darüber lachen, wo sie jetzt da das Kreuz macht. Sichtlich erleichtert, dass sie’s nur "vortäuschen" musste (um in Fritzls Wahljargon zu bleiben). Hoffentlich ham die alten Herren wenigstens gut bezahlt.

    Viel schlimmer als diese filmischen Altherrenwitze finde ich allerdings das Bergsteigerplakat der ÖVP. Der Mann himmelt den Landesvater an, und die Frau ist schön brav unten – und schaut ihrem Mann beim schmachten zu. Oder überlegt sie grad wie noch mal die Nummer ihres Scheidungsanwaltes war?

  3.  Also, wenn schon mit männlichem Gegenpart – also so zwei Wahlkabinen. In der anderen ein Mann, natürlich dem gängigen Schönheitsideal entsprechend – groß, durchtrainiert – insgesamt halt ganz schneidig und so, ihr wisst eh was ich meine. Er in sexy Unterwäsche – wie sie aussieht sehen wir eh. 

    Ich denke mir: Immer gleiches Recht für beide Geschlechter – entweder man lässt das mit dem Schönheitsideal überhaupt sein – für Mädels ist das sowieso der Horror, dem ständig nacheifern zu "müssen" – oder man hängt neben jedes –  z. B. Palmersplakat oder H&M Plakat –  immer gleich eines mit einem genauso "tollen" männlichen Schönheitsideal daneben, damit alle auf ihre Kosten kommen. Da die Werbeindustrie sich nicht abdrehen lässt, wäre die zweite Option vielleicht realistischer……. 

    Frau Blondine und Herr Blondkopf haben also jeder eine Wahlkabine – gibt es etwas Unerotischeres als eine Wahlkabine? Ich geh da schnell rein, mache mein Kreuz und gehe wieder raus.

    Also beide ziehen den Vorhang auf und schauen lieb drein und sagen so etwas wie: "Schön, dass du da bist" oder "Komm rein in meine Kabine der Freude" (oder so einen ähnlichen Blödsinn, Kabine der Lust, Kabine der unsäglichen Dankbarkeit und des Wohlwollens oder so).  

    Sie sollten wenn dann beide Geschlechter dazu einladen "politisch fremdzugehen". Oder gehen nur die Männer wählen? Hab ich da was verpasst, muss gleich auf der ORF homepage nachschauen, ob das Frauenwahlrecht wieder abgeschafft wurde?

    "Politisch fremd gehen" was soll das denn sein? Wenn jemand bei der Liste Fritz ein Kreuz macht, muss er/sie dann ein schlechtes Gewissen gegenüber den anderen Parteien haben? Ist das eine moralische Entscheidung bei wem das Kreuz gemacht wird?  Ich dachte da geht es um Inhalte im Wahlprogramm und Wahlziele mit denen jmd. konform geht oder halt nicht. Die Message, die eigentlich meiner Meinung transportiert werden soll: Trau dich auch mal was Anderes zu wählen und überleg dir mal wirklich was dazu, setz dich damit auseinander, in welcher politische Landschaft du dich künftig bewegen willst, kommt so nicht an, sie geht leider unter, weil sich alle über das Video aufregen (mein Gott, wenn es wenigstens witzig wäre). So leicht kann man sich nicht notwendige Eigentore schießen.

  4. Der Spot ist nicht gerade druckfrisch – kursiert ja schon seit längerem.

    Wahrscheinlich hat sich die AktionsGemeinschaft diesen bei der Herstellung ihres Wahlkampf-Spots für die Hochschülerschaftswahlen  zum Vorbild genommen:

    http://www.youtube.com/watch

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