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Tirol: Eine Klasse für sich? Teil 2

Seit das Recht auf Wahlfreiheit in Kraft getreten ist, können sich Eltern entscheiden, ob ihre Kinder in die örtliche Wohnortschule gehen, oder der Besuch einer Sonderschule besser auf die Bedürfnisse ihrer Sprösslinge abgestimmt ist. Diesmal ist die Rede von Kindern mit Behinderung.

Wieder ist die Rede von Aussonderung

Verankert wurde das Recht auf Wahlfreiheit zwischen Sonder- und Regelschulen bereits im Jahr 1993. Doch obwohl Eltern den Bildungsweg ihrer Kinder dem Gesetz nach seit beinahe 20 Jahren bestimmen könnten, müssen Betroffene immer noch darum kämpfen.

Nun ist es natürlich nicht so, dass Kinder mit Behinderung einfach abgelehnt oder mit einem klaren „Nein“ vor die Tür gesetzt werden können. Dass der Besuch der gewünschten Schule, die sich eventuell nur zwei Straßen weiter befindet und die vielleicht auch von Freund_innen oder den Nachbarkindern besucht wird, mit denen das eigene Kind groß geworden ist, unmöglich gemacht wird, hat dennoch Methode.

Wieder ist die Rede von Tirol

Was „Wahlfreiheit“ in der Praxis wirklich bedeutet, wird aktuell an einem Beispiel aus dem Schulbezirk Innsbruck-Land Ost sichtbar. Wie kürzlich bekannt wurde, sorgt ein „interner Beschluss“ für Unmut der besagt, dass es für Schüler_innen mit Unterstützungsbedarf „keine Stützstunden“ mehr geben soll, wenn die Klasse von weniger als 15 Kindern besucht wird. Eine Klassengröße, die in kleineren Gemeinden wohl keine Seltenheit ist.

Für Wolfgang Begus, der sich als betroffener Vater seit Jahren für die Umsetzung von Menschenrechten für Kinder mit Behinderung stark macht, stellt diese Vorgehensweise einen „konkreten Anschlag auf alle Verbesserungsbemühungen in den Wohnortschulen“ sowie „eine klare Ungleichbehandlung von Kindern mit Behinderung“ dar, „die keine Sonderschule besuchen“. Neu ist ihm diese Form von Diskriminierung nicht, aber deshalb nicht weniger erschreckend unmenschlich.

Seiner Meinung nach kann auf die Stützstunden erst dann verzichtet werden, „wenn alle Lehrpersonen eine sonderpädagogische Grundausbildung erhalten haben und sie die Kinder wirklich nach ihren individuellen Fähigkeiten »differenziert« unterrichten können. Das soll auch das Ziel sein! Aber einfach nach Klassengröße Stunden zu vergeben ist schon eher fahrlässig. Einem Kind In einem Jahr Stützstunden zu gewähren und im 2. Jahr diese wieder zu streichen, überfordert Kinder und Lehrpersonen und zeigt die Orientierungslosigkeit der Schulaufsicht.“

Die Verteilung der Stützstunden obliegt den Bezirksschulinspektor_innen der jeweiligen Schulbezirke. Diese – wie im Schulbezirk Innsbruck-Land Ost geschehen – von der Klassengröße abhängig zu machen, lässt sich von keiner gesetzlichen Bestimmung ableiten. Und während sich die Verantwortlichen entweder in Schweigen hüllen oder Aktivität vorgaukeln, in dem sie sich die Verantwortung gegenseitig zuspielen, müssen betroffene Familien nicht zuletzt oft auch sehr beschwerliche Anfahrtswege in Kauf nehmen, um ihre Kinder in Schulen zu bringen, die sie sich nicht ausgesucht haben.

Warum Kinder mit Behinderung nicht in Schulen gehen können, die sie sich ausgesucht hätten, wenn sie nicht behindert werden würden, ist eine Frage, die wohl weiterhin offen bleibt.

Weitere Informationen:

 

http://www.integration-tirol.at/index.php?menuid=43&reporeid=82

http://www.monitoringausschuss.at/

http://diepresse.com/home/bildung/schule/530283/Experten_Sonderschule-gehoert-abgeschafft

 

Isabella Krainer

One Comment

  1. Ich gebe der Verfasserin grundsätzlich recht, nur eine kleine Anmerkung: An den Schulen herrscht eine "Verwaltung des Mangels". Sie bekommen nach einem sehr komplizierten System eine bestimmte Anzahl an Werteinheiten zugeteilt und müssen diese anschließend verteilen. Die Politik ergeht sich zwar regelmäßig in Sonntagsreden (Integration, Förderung, Kompetenz) – in der ERalität wird aber gekürzt, wo immer es geht (oder eigentlich schon nicht mehr geht).

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