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Music and the city (Vol. 32)

Das Festival „Heart Of Noise“ führt den Zusatz „Festival der allerneuesten Musik“. Beim gestrigen „Warm-Up“ zum Ende Mai/Anfang Juni stattfindenden Festival war davon aber wenig zu bemerken – der Abend blieb die Erklärung schuldig, warum die Verwaltung von Genre-Klischees allerneuste Musik sein soll.

 

Man kann sicherlich lange darüber diskutieren, was neueste, neue und allerneueste Musik sein soll, von welcher Seite man sich diesem Begriff überhaupt annähern kann. Deutlich ist jedoch, dass eine diffuse und unklare Verwendung direkt in eine Sackgasse führt – auch wenn man erstmals an einer tatsächlichen Begriffsklärung gar nicht interessiert ist. Es ist aber evident, dass zumindest das „Warm-Up“ an einer mangelnden Begriffsklärung gelitten hat. Das war weniger deshalb der Fall, weil diese Klärung im Rahmen eines Konzertes gar nicht erfolgen kann, sondern vielmehr deshalb, weil man der inhaltlichen Ausgestaltung des Abends diese Unsicherheit anmerken konnte. Auch wenn sicherlich nicht das „Genre“ „Neue Musik“ gemeint sein mag, dessen Definition ja durchaus komplex und schwierig ist, so ist das Problem dennoch immer noch präsent: denn mit neuartiger Musik hatte der gestrige Abend leider in keinem Augenblick etwas zu tun. Somit bleibt nur eine Definition des Begriffes übrig: die allerneuste Musik ist die Musik, die im Moment gerade hochgespielt wird, sei es von Apologeten des Labels „Post-Rock“ oder von den Verwaltern des sich bereits im Untergang befindlichen Genres „Drone“. Somit wird „allerneueste“ Musik eine Zuschreibung für die Art von Musik, die in den richtigen Medien und auf den richtigen Plattformen für solche gehalten wird. Und genau da wird wieder der Mangel an Begriffsklärung deutlich: man hat sich zu wenig Gedanken gemacht, wie diese „allerneuste“ Musik auf ästhetischer Ebene klingen könnte, welche Kriterien man ansetzen könnte, um diese zu finden, abseits von gängigen Internetseiten und Plattformen.

 

Jenseits der Individualität…

 

Vielsagend dabei ist, dass man über die einzelnen Acts kaum etwas sagen kann, da   Individualität ihre Sache nicht gewesen ist. Vielmehr lassen sich einzelne Motive, Elemente und Klischees feststellen, welche die Acts am gestrigen Abend eher verband als trennte. Zum einem war es das Motiv der Ausweglosigkeit, des „Verloren-Gehens“ in der Natur und in den großen Zusammenhängen, die man nicht mehr versteht und aus denen man ohnehin nicht entkommen kann. Die Visuals kreisen immer wieder um einige wenige Bilder und Motive: der ewige Weg, der zu keinem ZIel führt. Mit viel Phantasie und Wohlwollen könnte man hier eine Suspension des modernen Begriffs der Teleologie wahrnehmen, mit weniger Wohlwollen aber könnte man sagen, dass dieser Weg musikalisch wenig prägnant und aussagekräftig vertont worden ist. Visuals, die sich um Vulkanausbrüche und um Sonnenaufgänge gruppieren lassen schlimmes befürchten, was auf musikalischer Ebene zum Teil gekonnt umschifft worden ist – aber sicherlich nicht immer. Die Acts ergehen sich dunkler Melancholie, in Lärmwänden, in Effekten. Aber ob es reicht, sich hinter so vielen Effekten zu verstecken, wenn die Grundlage doch die immer gleiche ist? Und diese Grundlage – und auch da kollidiert der Anspruch „allerneuste“ Musik anzubieten – sind stets Metal-Splitter, Power-Chords und schlichte Gitarrenmelodien, die zwar mit allerlei Klangfarbe ausgestaltet und übertünkt werden, dabei aber doch immer das bleiben, was sie sind: reichlich stereotyp und nichtssagend.

 

Die Absenz der Avantgarden

 

Deutlich hörbar ist dabei, dass es eigentlich verabsäumt wird, den musikalischen Avantgarden Raum zu geben, die sich auch um eine Erweiterung der harmonischen und musikalischen Möglichkeiten bemühen. Am gestrigen Abend herrschte großteils Stillstand – nicht nur auf der Ebene der Visuals, die diesen zum Teil durchaus ansprechend thematisierten. Man hörte hier keine Innovationen oder gar kühn gedachten Musik-Entwürfe, sondern Verwaltung von Möglichkeiten und Elementen, welche schon seit Jahren immer wieder zitiert, verfremdet und verwaltet werden. Die Homogenität der Acts war dabei das Grundproblem des Abends: was einige Minuten eindrucksvoll war, erschöpft sich dann wenn deutlich wird, dass die Elemente dieser Musik bei den Acts immer und immer wieder durchdekliniert werden, sodass man sich ein Gähnen nicht immer verkneifen konnte und dabei so manch spannenden musikalischen Moment überhörte. Doch der heilige Ernst mit denen vor allem „Aun“ an die Sache gingen ließ auch diesen Rest von Potential schnell flüchtig und brüchig werden: zum Gähnen kam auch hin und wieder noch ein Lächeln dazu, etwa wenn zu stark verzerrten Vocals und sägenden Gitarren auch noch ein Vulkanausbrauch bei den Visuals thematisiert wurde, was der einfachen Symbolik eindeutig zu viel war und dabei auch in der Einfachheit nicht sonderlich wirksam war.

 

Masse und Wirksamkeit…

 

Ganz generell schienen die Musik und die MusikerInnen der Meinung zu sein, dass ihre Art von Musik sehr effektiv und wirksam sei. Die Mittel mit der diese Wirksamkeit erzeugt wurde, war aber immer wieder zu einfach und zu kurz gedacht, zu wenig von Innovationsgeist und Entdeckerlust getragen. Und somit konnte man sich des Gefühls nicht erwehren, dass diese „allerneuste“ Musik schon einige Jahre auf dem Buckel hatte und eigentlich nicht mehr sonderlich agil und vital gewesen ist. Man kann nur annehmen, dass das nicht „state of the art“ war, sondern es sich um eher marginale ProtagonistInnen in diesem Bereich handelte.

 

Überhöhte Ansprüche?

 

So bleibt zu hoffen, und einige Acts deuten ja darauf hin, dass das eigentlich Festival dann mehr Mut, mehr Herausforderung und Heterogenität wagt. Ein Festival, das den HörerInnen auf die Schulter klopft und ihnen ihre vermeintlich extravaganten Musikwünsche von den Lippen abliest ist nämlich nicht sonderlich spannend. Vielmehr wäre ein Festival gefragt, das auch verstört und provoziert und die Hörgewohnheiten erweitert und hinterfragt: an all diesen Ansprüchen wird sich ein Festival messen lassen müssen, das sich mit der „allerneusten“ Musik beschäftigen will und sich zu dieser Selbstbeschreibung hinreissen lässt.

 

 

 

 

 

 

 

 

Markus Stegmayr

21 Comments

  1.  achja, der Neid der Leute,die sich für die Krone der Evolution halten,weil sie   ein bisschen Sozialarbeiterjazz horchen und einmal ein Buch mit feschen  Wörtern gelesen haben….

    • vielleicht sollte man den untertitel des festivals  "allerneueste musik" nicht ganz so toternst sehen sondern mit einem augenzwinkern, da in tirol nach den festivals für alte und neue musik (klanspuren) einfach ein festival der allerneuesten musik nötig ist.
      ausserdem geht es um gut,schlecht oder indiffernt. nicht um alt, neu, jazz oder drone.
      wobei ein weiteres jazzfestival wollten wir als allerletztes sein. davon gibt in der näheren umgebung einfach schon mehr als genug. trotzdem sind auch für`s heart of noise diverse protagonisten des erweiterten jazzkontext durchaus vorstellbar. z.b. ein colin stetson war für dieses jahr angedacht aber nicht in europa verfügbar. anyway ….

       

  2. @Meister: ein wenig Kritik wird schon noch erlaubt sein.

    Und die Kritik bezieht sich NICHT auf das Heart Of Noise generell, sondern auch den gestrigen Abend.

    Ich finde z.B., dass Demdike Stare und Kreng sehr interessante Acts sind.

    Aber du hast durchaus Recht: ich denke, dass der avantgardistische Jazz sehr wohl bei einem Festival für "allerneuste" Musik Platz finden sollte. Dass ihr diesen hartnäckig ignoriert, ist zumindest schade. Mit Sozialarbeiter-Jazz hat das erstmals gar nichts zu tun und zeigt, dass du in dieser Hinsicht wenig Ahnung hast.

     

  3. plumper und ärmlicher artikel, der sich auf belanglose begrifflichkeiten versteift und zu tode reitet. die auseinandersetzung mit den künstlern selber und den jeweiligen sets aus rein musikischer und technischer sicht ist ein wenig dürftig ausgefallen, egal, ob es dir nun rein subjektiv gefallen, oder eben nicht gefallen hat. thema verfehlt, fünf plus, bitte setzen.

  4. off record:

    Alles gut und recht, aber wer hat überhaupt gespielt und wo.

    War das eine Band oder ein Duo und welche Instrumente inkl. Stimme haben die benutzt.

    Eine DJ-Veranstaltung?

    Oder hat, wer "Music and the city" nicht kennt, ein kulturelles Defizit?

     

    Nach den Fakten kannst du das andere, theoretische Zeug schreiben – es ist zwar a bissl mühsam zu lesen, aber jugendlich engagiert formuliert.

    Trotzdem weiß ich als Leser auch nach gut 6000 Zeichen immer noch nicht, von welcher Sorte "Neue Musik" du sprichst? Aber es hätte mich interessiert.

  5. @ErnstHappel: Ja, ich könnte mir z.B. Colin Stetson ganz wunderbar auf dem Heart Of Noise vorstellen. Oder ein Solo-Konzert von Nels Cline. Oder auch Ingrid Laubrock, Mary Halvorson usw. usw.

    Es gibt ja im Bereich "neuen Jazz" ganz wunderbare Musik, die, ich wiederhole mich bewusst, vom Heart Of Noise ignoriert wird. Das ist natürlich in Ordnung, weil jedes Festival einen Fokus haben muss und sollte. Aber ich darf es schade finden.

    Ich möchte mit meinem Text auf KEINEN FALL diese bewundernswerte Initiative von Stefan Meister und Chris Koubek schlecht reden/schreiben. Es sollte eher ein kleiner Anstoß zur Diskussion sein, was sonst noch möglich wäre in Sachen Musik beim Heart Of Noise. Von daher finde ich auch, dass Angriffe und Unstellungen gegen meine Person völlig deplatziert sind (siehe Stefan Meister).

    Ich bin jederzeit an einer Diskussion interessiert, aber ich möchte darum bitten, die Diskussion auf konstruktiver Ebene zu führen – Kritik am Text ist natürlich jederzeit erlaubt. Aber es geht bitte sehr um den Text, nicht um mich als Person.

  6. @HerrOberlehrerBobby: Und woher weißt du überhaupt, was das Thema hätte sein sollen? Das einzige was vielleicht noch ein wenig ärmlicher als mein Text sein könnte ist dein Kommentar. Und eine Auseinandersetzung mit einem Konzept auf begrifflicher Ebene ist eine legitime Weise, an Musik und an Kunst heranzugehen, wenn auch natürlich nicht die einzige.

    Gegendarstellungen/Eindrücke/Meinungen zum gestrigen Abend sind herzlich willkommen. JedeR kann versuchen eine bessere Kritik des Abends zu verfassen.

      • @Bobby: Keine Sorge, der ist nicht bedenklich.

        Aber ich mag deine anmaßende Art einfach nicht sonderlich.

         

        • vielleicht sollten sie ihre emotionen etwas zurückschrauben und meinen comment nochmals gewissenhaft durchlesen, es ist kein persönlicher angriff, der artikel verliert sich in begrifflichkeiten, wäre schön gewesen, wenn der text doch ein wenig auf die bands eingegangen wäre, zumindest eine namentliche nennung ist ja nicht zuviel verlangt. es ist nicht anmassend gemeint, sondern berechtigte kritik. wäre auch schön wenn sie, lieber herr stegmayr, noch dazu erläutern könnten, was denn genau ihre erwartungen an so ein festival sind, anstatt sich nur mehr mit der frage zu beschäftigen, was denn nun "allerneueste" musik bedeuten könnte. so wie ich sie einschätze, werden sie sich nicht auf begriffe wie "avant garde", "new jazz" und

  7. leider war ich bei dem gestrigen warm up nicht dabei, kann also darüber nichts sagen.

    allerdings kenne und schätze ich markus stegmayr als fundierten kenner der inhalte, über die er spricht; des weiteren als verfasser von texten, in welchen er seine gut recherchierte und reflektierte meinung aufrichtig darlegt.

    will sagen: seine kritik sollte nicht als l’art pour l’art aufgefasst werden. 

     

  8. nochmal: vielleicht sollten sie ihre emotionen etwas zurückschrauben und meinen comment nochmals gewissenhaft durchlesen, es ist kein persönlicher angriff, der artikel verliert sich in begrifflichkeiten, wäre schön gewesen, wenn der text doch ein wenig auf die bands eingegangen wäre, zumindest eine namentliche nennung ist ja nicht zuviel verlangt. es ist nicht anmassend gemeint, sondern berechtigte kritik. wäre auch schön, wenn sie, lieber herr stegmayr, noch dazu erläutern könnten, was denn genau ihre erwartungen an so ein festival sind, anstatt sich nur mehr mit der frage zu beschäftigen, was denn nun "allerneueste" musik bedeuten könnte. so wie ich sie einschätze, werden sie sich nicht auf begriffe wie "avant garde", "new jazz" und "drone" versteifen.

     

    == sorry double post

  9.  liebe daniela, ich weiss zwar nicht, ob du mich so gut kennst, dass du auch mich als inhaltichen Fundi von Irgendwas vertrauensvoll hervorheben musst, das vom Herrn Stegmayr ist aber leider, wie du richtig geschrieben hast,  nicht l’art pour l’art, sondern ein Fart von einem Farter, entschuldige bitte die Anglizismen…

  10. Ich wundere mich doch sehr: ich lege doch OFFEN, was meine Ansprüche an ein Festival wären, das mit "allerneuester" Musik operiert.

    Von daher verstehe ich die Kritik nicht wirklich. Ich mache sehr deutlich, welche ästhetischen Kategorien mir wichtig sind – und die ich gestern leider nicht erfüllt gesehen habe.

    Noch einmal: es ist MEIN Blickwinkel der mit MEINEN ästhetischen Kategorien arbeitet.

    •  

      sehr hübsch und auch erkennbar artistisch, erinnert mich stellenweise an die Band, die gestern gespielt hat, da hatten wir letztes Jahr einen ganzen Schwerpunkt davon.   🙂

       

      http://www.youtube.com/watch?v=hFcDzYqTvzA

       

      PS: eher schwaches Video für Barn Owl, passt aber inhaltlich gut zum anderen Festivalvorschlag…

       

       

       

       

  11. Um ehrlich zu sein, habe ich keinen blassen Schimmer worums euch hier eigentlich geht, einfach weil ich eure Musik kaum kenne und nix davon verstehe. Aber "Sozialarbeiterjazz" ist echt eine witzige Wortkreation vom Mr. Meister – obwohl die dringend gegendert werden muss: Gerade soziale Berufe werden ja meistens von Frauen ausgeübt.

  12. @Meister: ja, es gibt durchaus Ähnlichkeiten zwischen den beiden Videos und Acts. Persönlich finde ich aber, dass Nels Cline in einer gänzlich anderen Liga spielt. Aber du wirst zugeben müssen, das man Nels Cline in dieser Solo-Form ohne Probleme dem Heart Of Noise Publikum hätte zumuten können.

     

     

  13. Ich würde es jetzt nicht zwingend eine "Kleinstadtkrieg" nennen wollen.

    Aber natürlich gibt es auch in kleinen Städten differierende Kunstauffassungen, die diskutiert werden müssen. Und noch einmal: ich schätze das Heart Of Noise sehr – und auch das Programm für dieses Jahr klingt SEHR  vielversprechend. Genau deshalb hätte sich das HoN einen besseren Warm-Up-Abend verdient. Mich hätte dieser Abend, wenn ich es nicht besser wüsste, nicht auf den Rest, der da noch kommt, neugierig gemacht.

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