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JUMP

Heute beginnt, wie man in fast allen Massenmedien ausführlich lesen kann, die jährliche Vierschanzentournee, die am Wochenende auch Innsbruck heimsuchen wird. Obwohl man sich dieses Spektakel von der Stadt nicht mehr wegdenken kann, sollte man es dennoch nicht so einfach als gegeben hinnehmen.

Grundsätzlich scheint schon die (olympische) Disziplin des Skispringens mehr oder weniger fragwürdig zu sein. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen Sportarten, die allgemein stark forciert werden, ist Skispringen nur einer kleinen, mehr oder weniger hermetisch abgeschlossenen Gruppe, möglich. Vermutlich kennen nur die wenigsten einen Skispringer persönlich (von Skispringerinnen, dazu später, ganz zu schweigen), und noch weniger haben den Sport vermutlich selber probiert – wenn man von einer aus Schnee gebauten Minischanze auf dem Hügel hinter dem Haus absieht… Es fehlt also, im Gegensatz zum klassischen Skirennen oder Fußballspiel, die persönliche Zugänglichkeit. Ohne irgendwelche Wintersportevents verteidigen zu wollen, die meisten Pisten, die Austragungsorte der Rennen sind, können auch von einer geübten Skiläuferin und Skiläufer befahren werden, oder sie können es zumindest versuchen.
Abgesehen von der schon recht kleinen Gruppe hat dieser Sport noch einen leicht machistischen Charakter, da Frauen, zumindest de facto, aber teilweise auch de jure, an den Rand gedrängt werden. Man siehe hierzu einerseits die Liste der bekannten Skispringer auf der Wikipedia, bzw. bedenkt, dass Frauen die Teilnahme an den Olympischen Winterspielen immer noch verboten ist.
Aber von den bisher gesellschaftlichen Überlegungen kann man diesen Sport aber auch generell in Frage stellen. Denn die (vermeintliche) Überlistung der Schwerkraft für nur wenige Sekunden hat, zumindest nüchtern betrachtet, nicht sonderlich viel Sinn. Abgesehen davon ist allein die Anordnung derart, dass es sich um nichts Natürliches mehr handelt. Nur aufgrund technischer Überlegungen und Konstruktionen bringt man die gesprungenen Weiten zustande, die außerhalb dieser Anlagen undenkbar wären (keine Skispringerin oder Skispringer würde vermutlich auf einem gewöhnlichen Hang mit einer selbstgebauten Schanze eine gute Figur machen).
 
Dass das oben gesagte zumindest teilweise auf viele andere Sportarten auch zutrifft, wird nicht bestritten. Aber was das Skispringen wirklich ärgerlich macht, ist die in seiner Natur liegende Präsenz. Eishallen, oder im Sommer, Sprungtürme, Fußballstadien und ähnliches sind zwar auch groß, aber sie dominieren nie in gleicher Weise das Stadtbild (oder Dorfbild) wie eine Schanze. Nebenbei sind sie meist ohne großen Aufwand für andere Zwecke und die Allgemeinheit nutzbar.
Gerade die Bergiselschanze ist aber nahezu von jedem Platz der Stadt aus sehbar. Und damit man sie auch in der Nacht ja nicht übersieht, wird sie nach Einbruch der Dunkelheit illuminiert.
Dass sie zu einem Wahrzeichen Innsbrucks wurde, liegt nicht an ihrer Ästhetik (die man ihr nicht absprechen kann) oder Wichtigkeit, sondern nur schlicht und ergreifend daran, dass man nicht an ihr vorbeikommt.

Ulrich Lobis

5 Comments

  1.  

    Bin zwar kein Sportler und auch kein Wintersportbegeisterter im Sinne vom viele Stunden vor der Glotze verbirngend, um irgendwelchen Abfahrts- oder Slalomfahrern hinterherzusehen oder eben den Springern bei ihren tollkühnen und wohl auch nicht nachahmbaren Sprüngen zuzusehen. Trotzdem aber denke ich, eben weil das Skispringen kein Massen- oder Breitensport geworden ist oder auch nur werden kann, daher vielleicht auch nicht den Starkult entwickeln kann, sondern eher eine Art Kunst geblieben ist, vergleichbar vielleicht dem Langstreckenlauf. Bereits als KInd hatte mich z. B. 1964 bei der ersten Innsbrucker Winterolympiade das Skispringen stark beeindruckt. Ich hatte dabei immer gedacht, das ganze im Fernsehen beobachtend, dass die ja direkt in den Westfriedhof hineinspringen würden. Dass dem natürlich nicht so ist, konnte und wollte mir als kleines Kind natürlich nicht einleuchten. So hat gerade diese Sportart ein freilich nur auf den lokalen Austragungsort – aber nur der war für mich damals ja repräsentativ dafür – bezogen, etwas Memento-mori-Artiges angenommen. Und nicht zuletzt ist ja gerade der ehemalige Olympaisieger Toni Innauer ein eher philosophischer Mensch bzw. gibt er immer wieder sozusagen Sportphilosophisches von sich. Zumindestens wird ihm das immer wieder von diversen Medien unterstellt. Ich muss allerdings zugeben, auch von ihm noch nie ein Buch gelesen zu haben. Aber vielleicht ändert sich das noch. 

     

     

     

    • Die wollte ich auch noch erwähnen in meinem Kommentar. Und die Frage: Warum gibt es eigentlich keine Skispringerinnen? Nachdem Frauen ja auch sonst alle Sportarten ausüben, auch Boxen und sonstige Kampfsportarten, dann werden sie doch wohl auch mit Skiern von einer Schanze springen können.

  2. Wegen der weiblichen Schispringerinnen. Klar gibt es sie. Aber wie im Artikel geschrieben wurde fristen sie eher ein Schattendasein. Über Wettkämpfe wird wenig berichtet. Wo es wirklich keine gibt sind zum Beispiel die Olympischen Spiele.

  3. Ich verstehe die Kritik in diesem Artikel nicht. Geht es nun darum, dass diese Sportart eine Randsportart ist? Geht es darum, dass die Schanze das Stadtbild von Innsbruck dominiert oder geht es nun darum, dass Frauenskisprung medial nicht erwähnt wird? Mir kommt dieser Artikel sehr österreichisch vor, der manche Dinge anraunzt, aber nichts scharf kritisiert. Es bleiben Fragen offen.

    Im Gegensatz zum österreichischen Fussball ist aber Skispringen ein kulturelles Ereignis der Extraklasse (von der eingespielten Schlagermusik im Stadion zum Annheizen der Stimmung einmal abgesehen), das jedeR InnsbruckerIn einmal gesehen haben sollte.

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