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Hast du einen Knall?

Lieber Knaller,

ich werde dich hier mitmännlich ansprechen, da Frauen und Mädchen meiner Erfahrung nach viel seltener rumknallen. Du wohnst ganz in meiner Nähe – vermutlich direkt unter meinem Fenster. Ich meine hier nicht deinen nahen Verwandten, den Feuerwerker, dem es, wie sein Name schon sagt, um das Werk des Feuers geht.

 

Dir geht es um den Knall. Seit Mitte Dezember knallst du zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten unvermittelt in die Welt hinaus. Was willst du deiner Umwelt (zu der ich ja zwangsläufig gehöre) denn damit mitteilen? Gab es schlimme, traumatische Erlebnisse – haben sie dir oft eine geknalllt, als du noch ein kleiner Knallkopf warst? Oder bist du eher sensibel, ruhig und zurückhaltend – und träumst davon, als großer Knaller die Aufmerksamkeit auf dich zu ziehen und endlich alle zu erschrecken?

 

Du weißt sicherlich, dass Hunde und andere Tiere jeden Ton circa siebenfach verstärkt hören. Auch Babys, kranke und betagte oder einfach lärmempfindliche Menschen leiden darunter. Okay, wenn es nur dieser eine Tag und nur zu Sylvester wäre – aber du knallst schon seit Wochen. Und morgen wird dann der Rest verknallt.

 

Jetzt wirst du wahrscheinlich dein individuelles Recht auf Knall ins Treffen führen. Du habest wohl auch deine Freiheit. Ja, Freiheit, mein lieber Knaller … „Freiheit“ bedeutet nicht: „Ich mache, was ich will“. Die eigene Freiheit endet nämlich da, wo die Freiheit von anderen beginnt. Umgelegt auf deinen Knall bedeutet das: Deine Freiheit rumzuknallen endet eben dort, wo das Ruhebedürfnis und die Unversehrtheit anderer Wesen beginnt. Du kannst dich gerne individuell wegknallen – stopf dir einfach je eines deiner lustigen Knallstäbchen in die Ohren. Knall dir eine, wann immer dir danach ist. Aber lass deine Mitwesen in Ruhe und quäle sie nicht mit deinem Knall.

 

Ich wünsche allen, sogar den Knalltüten, einen friedvollen Jahreswechsel. Mögen alle Wesen glücklich sein – in Gleichheit, Freiheit und Solidarität!

Andreas Wiesinger

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