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Die vergessenen Flüchtlingscamps

20 Jahre Lichtermeer, Flüchtlingsstreik in der Votivkirche, Solidaritätskundgebungen in ganz Österreich (auch in Innsbruck am 17.1). Das Thema Asyl rückt zum Glück wieder vermehrt in die Öffentlichkeit. Was kaum jemand weiß, die großen Flüchtlingscamps befinden sich nicht in Österreich sondern in Afrika. Der Stubaitaler/Neustifter Peter Hochrainer war ein Jahr, von Juli 2010 bis August 2011, in Kenia im Flüchtlingscamp Kakuma im Nordwesten von Kenia. Bei der Flüchtlingsorganisation Jesuit Refugee Service JRS angestellt, war er für die psychosoziale Betreuung von Flüchtlingen mit geistiger Behinderung und psychischer Erkrankung zuständig.
Ein etabliertes Dorf. Flüchtlingscamp klingt provisorisch, klingt nach überschaubar, klingt nach Zeltlager. Ist es aber nicht. Peter Hochrainer erzählt von einer weitläufigen Stadt, die sich über vier Kilometer erstreckt und mittlerweile 107.000 Einwohner fasst. Kakuma ist ein etabliertes großes Dorf. Dort wird geschlafen, gegessen, gehandelt, es kommen Kinder auf die Welt, es gibt Restaurants. Die Flüchtlinge, die es dorthin verschlägt, flüchten vor Krieg in ihrem Land oder vor Hungersnöten. Sie werden verfolgt oder wollen sich vor dem Tod retten. Die Motive sind die gleichen, nur dass diese Menschen die Flucht ins Nachbarland antreten. Die wenigsten wissen, wie man nach Europa kommen kann oder haben Kontakte zu Personen, die ihnen das ermöglichen. Oder es fehlt ihnen das Geld, das meist benötigt wird, um in den so genannten „goldenen Westen“ zu kommen.
Nur Zuhören. „Oft hab ich mich in der Situation befunden, in der ich „nur“ den Lebensgeschichten zuhören konnte. Ich konnte nicht wirklich helfen. Dieses nur zuhören stellt sich aber im Nachhinein als nicht unbedeutende Tätigkeit heraus.“ so Hochrainer. Bis auf drei weitere Personen war ich der einzige Europäer in Kakuma. „Am Anfang habe ich mir nicht leicht getan mit dieser Situation. Aber zum Glück habe ich mir vor meinem Aufenthalt viele Gedanken darüber gemacht, was es heißt ein Helfer zu sein und welche Motivation ich habe, mich für eine Randgruppe einzusetzen.“ Trotzdem: Einsamkeit, Überforderung, das heiße Klima, viele Dinge machten das Leben in Kakuma für ihn nicht einfach.
 
Machtkämpfe und Ungerechtigkeitsstrukturen.„Flüchtlingscamps sind Symptombekämpfung“, so Hochrainer. „Die Ursachen der Flucht werden dadurch nicht gelöst. Ich wehre mich stark gegen eine eindimensionale Sicht, dass nur die westliche Welt an der Misere und den Kriegen in afrikanischen Ländern verantwortlich sind. Es ist ein sowohl als auch. In vielen Krisenregion geht es auch um innerstaatliche Machtkämpfe und Ungerechtigkeitsstrukturen. Die Kluft zwischen Reich und Arm ist hier besonders groß. Die Lösungsansätze sind komplex, unbedingt muss national und international Verantwortung übernommen werden und zusätzlich braucht es auch eine Aufarbeitung der Geschichte des jeweiligen Landes.“, so Hochrainer.
Der größte Unterschied in der Flüchtlingsbetreuung in Kenia und Österreich ist, dass dort die Arbeit fast ausschließlich von NGOs übernommen wird, während in Österreich der Staat mit den Bundesländern für die Flüchtlingsbetreuung primär verantwortlich sind. In Kenia betreuen die NGOs über eine halbe Million Flüchtlinge, in Österreich der Staat 20.000. Die Relationen sind ganz andere.
Noch ein Absurdum: Asylsuchende in Kenia haben es oft besser als die einheimische Bevölkerung der Turkanas zB. Während die Asylwerber im Flüchtlingscamp genug zu essen und zu trinken haben, kämpfen die Leute „draußen“ ums Überleben, da sie oft kein Wasser finden.
Heute ist Peter Hochrainer Mitarbeiter der Flüchtlingskoordination in Innsbruck und setzt sich für ein besseres Service in der psychosozialen Betreuung von AsylwerberInnen ein. Ein Bereich, in dem es auch in Österreich noch viele Lücken gibt.
Veranstaltungstipp: Peter Hochrainer zeigt am 15. März. 2013 um 19 Uhr in einer Multimediapräsentation im Begegnungsbogen (Viaduktbogen 32) Eindrücke seiner Zeit im
Flüchtlingslager.

Daniel Furxer

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