4

Bitte recht (un)freundlich!

Wir werden überwacht – wo auch immer wir uns im öffentlichen Raum bewegen, werden wir auf Schritt und Tritt ausgespäht und abgefilmt. Nicht nur in Innsbruck wird die öffentliche Videoüberwachung stetig ausgebaut.

Inzwischen ist es schon fast normal, dass unsere Privatsphäre im Namen der "Sicherheit" eingeschränkt und eigentlich abgeschafft wird. Die Videoüberwachung der IVB-Fahrzeuge ist da nur die Spitze des Eisbergs. Große Bereiche der Stadt (wie der Rapoldipark oder die Bogenmeile) werden bereits rund um die Uhr videoüberwacht, ständig filmt der allgegenwärtige Big Brother mit.

Na und?, fragen jetzt manche – das häufigste Argument jener, denen die umfassende Überwachung egal ist, lautet, sie würde eh nichts Illegales tun. Allerdings geht es auch um die Frage, was der Staat und andere Videofreaks (etwa die Hälfte filmt privat mit) mit unseren Bildern und den damit verbundenen Informationen machen?

Geht es wirklich jemanden etwas an, wenn wir um halb drei Uhr in der Früh etwas unsicheren Schrittes heimwärts – oder woanders hin – wanken? Durch moderne Überwachungssysteme ist es auch problemlos möglich, Gesichtserkennung und Bewegungsprofile miteinander zu kombinieren. Tagesablauf, soziale Kontakte und sonstige Vorlieben können "gescreent" werden und machen aus uns die "gläsernen Menschen", die Industrie und autoritäre Staatsmacht haben wollen.

Der technische Fortschritt setzt sich vor allem dort durch, wo kräftig investiert wird: In den letzten Jahren und Jahrzehnten wurden Sozialleistungen weltweit gekürzt und kräftig in Kriegs- und Überwachungstechnologie investiert. Mit dem Argument der "Sicherheit" ist fast alles durchsetzbar – im Kern geht es aber um soziale Kontrolle und den Abbau elementarer Rechte. Es liegt an uns allen, ob wir diesen Wahnsinn mitmachen oder uns aktiv für unsere Privatsphäre einsetzen.

www.dsk.gv.at/

Andreas Wiesinger

4 Comments

  1. Sehr schöner Kommentar Herr Wiesinger, nicht nur Kameras bereiten mir Unbehagen. Die VDS ist mE nicht weniger bedenklich.

    Da kann man sich nur fragen: Was kommt als Nächstes?

  2. Aber vielleicht können wir das ganze auch mal von der anderen Seite sehen: Ich rede jetzt gar nicht von der psychologischen Hemmschwelle, die eine Kamera für potentielle Gewalttäter/innen vielleicht darstellt, die mag für die meisten sicher unerheblich sein, weil Gewalttaten ja meistens zumindest im Affekt passieren und nicht geplant sind wie etwa ein Bankraub. Nur findet man die Täter/innen mit ihrer Hife  halt leichter, wenn ihre Nerven durchgehen und sie Gewalt mehr oder weniger "blind"wütig anwenden.
    Aber ich muss noch in die UB oder die Bibliothek des Landesmuseums gehen, wenn ich wissen möchte, welchen Film ich zum Beispiel am 11.6.1987 mit der XY, in die ich damals total verliebt gewesen war, doch wohl gesehen habe. Und heute können wir  einfach im Jahre  2020 zur Polizei gehen und ein netter Inspektor oder Inspektorin oder vielelicht auch Archivar/In zeigt mir dann, mit wem ich am 11.6.2013 ich im Kino gewesen war, das Café XY eng umschlungen verließ, ihr einen Kuß gegeben habe und sie fest an mich drückte. Ja, wer war’s denn wohl? Die süße kleine feine, mit dem netten kastanienbraunen Pony und den himmelblauen Augen. Wer war sie bloß, wer war sie bloß? Und wo waren wir, und wo küssten wir uns. Hing nicht an jenem schönen Erlenbaum die weise Kamera und hielt uns fest im Augenblick, Er schwand dahin. Er schwand dahin.

  3. "Geht es wirklich jemanden etwas an, wenn wir um halb drei Uhr in der Früh etwas unsicheren Schrittes heimwärts wanken."

    Nun ja — im öffentlichen Raum wird es sich wohl nicht vermeiden lassen, dass man beobachtet werden könnte…

    Überdies handelt sich bei obigem Thema um einen Abwägungsprozess: Sicherheit versus Privatsphäre. Maximale Sicherheit bei möglichst geringem Eingreifen in die Privatsphäre – ist es aber wirklich ein so gewaltiger Eingriff in die Privatsphäre, wenn ich im öffentlichen Raum gefilmt werde? Freilich ist die Freiheit ein kostbares Gut, für welches rechterweise viel gerungen und gekämpft wurde – doch ist das Primat der Freiheit so absolut, dass sie um jeden Preis (auch um den Preis der Unsicherheit, des Unbehagens) in Kauf genommen werden muss? Wo sind die Grenzen der Freiheit? Ist die Freiheit des Einzelnen so allgewaltig, dass – nur weil eine Anzahl von Menschen sich beobachtet fühlt – der andere Teil bangen und sich ängstigen muss? Und dieser sich ängstigende Teil – ist der noch frei: frei in seinem politischen Willen, wenn er nicht für seine Sicherheit sorgen darf? – Frei in seinem Leben, wenn er sich nicht so bewegen kann, wie er will, weil er sich fürchtet?

    Letztlich ist zu diesem Thema so viel gesagt und geschrieben worden, dass ich nur eine Frage stellen möchte: Weshalb hat die Freiheit eigentlich immer den Vorang? Woher kommt diese absolute Betonung der Freiheit vor allen anderen Werten? Was macht die Freiheit so unglaublich und besonders, dass nur sie uns verknechten und versklaven darf? Und wenn ich´s schon so frei herausspreche: Liebe Freigeister, euer Frommen in Ehren (und nichts anderes seid ihr: Hohepriester der Freiheit) – seid doch so frei und fragt euch selbst: Seid ihr wirklich frei – auch von der Freiheit?

  4. Ich fühle mich unbehaglich, wenn ich ständig überwacht werde und nicht wenn ich nicht überwacht werde. Auch wenn ich mich im öffentlichen Raum so korrekt wie möglich verhalte, finde ich es einfach nicht in Ordnung, dass mich Kameras bis vor die Haustür verfolgen. Ich halte es mit Sicherheit und Privatsphäre so: "Wenn man im Namen der Sicherheit seine Freiheit aufgibt, dann hat man weder das eine noch das andere verdient!" (toter amerikanischer Präsident 😉 ) 

    Ich verstehe nicht, dass es Menschen egal sein kann, dass viele andere wissen, was man tut. Immerhin sind ja vollständige Profile mit Hilfe von Kameraaufnahmen, Facebook, Telefonortung und Bankomatdaten möglich. Ist das bitte nicht total gruslig? 

    Ich fühle mich unwohl, weil ich weiß, dass irgendjemand fast besser als ich weiß, was ich alles so mache… Ich glaube, ein Computer kann meine letzten paar Monate detaillierter beschreiben als ich… Gänsehaut…  

Schreibe einen Kommentar zu Christoph Z Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert