8

Bildungpolitik für Kurzsichtige

Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Stumpfsinnigkeit in diesem Land Österreich argumentiert wird.

 

Landeshauptmann Platter hat sich plötzlich für die Gesamtschule ausgesprochen. Die Gründe dafür bleiben im Dunkeln, aber die Reaktionen lassen an Klarheit nicht zu wünschen.

 

Ein Funktionär der AHS-Gewerkschaft meint etwa, „die real existierende Gesamtschule ist gescheitert. Die hochfliegenden, sozialromantischen Erwartungen an die Gesamtschule blieben in den Ländern, in denen man auf sie gesetzt hat, unerfüllt.“( TT-online)

 

Nun genügt ein Blick über die Landesgrenzen und schon ist man andauernd mit  Gesamtschulen konfrontiert: Italien, Frankreich, Schweden, Finnland. Und wer den Blick noch weiter in die Ferne schweifen lässt, findet Gesamtschulen in Kanada, den USA, in Australien. Und das ist nur eine willkürliche Auswahl.

 

Länder mit sozialromantischen Erwartungen, die nicht erfüllt werden? Wo lebt dieser Funktionär denn? Und wie kommt ein Wissenschaftsminister dazu, diesen Ländern indirekt „Nivellierung nach unten“ zu unterstellen?

 

Weil Österreich Spitzenreiter unter den Nobelpreisträgern ist?
Weil Österreichs Universitäten nicht einmal unter den besten 200 Universitäten landen?
Weil die sozialen Differenzen in Österreichs Schulen nicht verringert, sondern vergößert werden?

 

Womöglich fand die Nivellierung nach unten schon vor 40 Jahren statt und unsere Bildungspolitik wird nun leider von diesen Herren (und wenigen Damen) „gestaltet“.

Erich Ledersberger

8 Comments

  1. Wenn Platter es damit ernst meint, soll er Nägel mit Köpfen machen. Was spricht dagegen, eine gemeinsame Modellschule für Sechs- bis Vierzehnjährige zu gründen? Die Innsbrucker Bürgermeisterin hat ihm ihre Unterstützung schon zugesagt (siehe: http://www.tt.com/Tirol/5304024-2/statt-gymnasium-nur-noch-ein-gymnasialer-zweig.csp) und beide würden im Bildungsministerium offene Türen einrennen. Österreich braucht endlich eine moderne Bildungspolitik ohne ideologische Scheuklappen!

  2. Weil die Leute, die es ein bisschen weiter gebracht haben auf der (bildungs)gesellschaftlichen Hierarchieleiter, Angst vor den Verlierern haben. Und viele Parteien wissen das natürlich, dass sich mit Angst immer Politik machen lässt, und machen daher mit. Aber interessant ist es doch, dass da sich jettzt auch in der Tiroler ÖVP was tut. Vielleicht doch auch ein wenig Spekulation auf die nächsten Jahres bevorstehenden Wahlen.

  3. Als Mutter einer Einser-Schülerin (vierte Klasse Volksschule) stelle ich mir – berechtigt – die Frage, ob eine gemeinsame Schule das Bildungsniveau (damit logischerweise auch die nicht so guten Schüler dem Lehrstoff folgen können) nicht etwa herabsenkt und die besseren Schüler in ihrem Lernen und damit in ihrer Bildung bremst. Es geht schießlich nicht nur darum, mit einem Einser-Zeugnis gut da zu stehen, sondern auch so viel wie Möglich zu lernen, bzw, was das jeweilige Potential des Schülers hergibt und somit nicht nur für den österreichischen Arbeitsmarkt, sondern möglicherweise auch für den internationalen sowie den ausländischen Universitäten gerüstet zu sein. Wie soll das funktionieren, wenn lernschwache oder lernunwillige mit wissensdurstigen und lernfähigen Schülern in einer Klasse sitzen? Wie soll das allgemeine Niveau angehoben werden, wenn man – so kommt es mir zumindest vor – immer nur die schwächsten Schüler als Maß nimmt.

    • Nach allen Erfahrungen in Ländern mit Gesamtschule – und das sind, wie im Artikel beschrieben, nahezu alle – findet eine Nivellierung "nach unten", wie das genannt wird, nicht statt.

      Im Gegenteil: Das Zusammenspiel von guten und schlechten Schülerinnen (wobei ich außer Acht lasse, was damit genau gemeint ist, die Noten sind dafür leider kein Nachweis, auch dazu gibt es viele Untersuchungen) hilft beiden.
      Nicht bloß deshalb, weil dabei jene Fähigkeiten geübt werden, die auch die Wirtschaft verlangt, nämlich Kommunikation, Teamfähigkeit etc.  Sondern auch, weil gegenseitiges Helfen auch das Verständnis für den Inhalt verstärkt. Beispiele gibt es genügend. Leider werden sie in der allgemeinen Aufregung ignoriert.

      Schade, unsere Kinder haben Besseres verdient.

      • Was die angesprochenen sozialen Fähigkeiten angeht, findet diese Vorbereitung bereits in der Volkschule statt (falls das Kind das Pech hat, in einer Familie aufzuwachsen, in der ein gegenseitig achtendes Verhalten ohnehin nicht selbstverständlich ist). Meine Tochter war die ersten zwei Jahre in einem Klassenprojekt, welches Kinder von drei Jahrgangsstufen vereint und auch jetzt geht sie in die VS Innere Stadt, in der ebenfalls 4 Schulstufen und Kinder aus sämtlichen sozialen Schichten und allen möglichen Nationen in einer Klasse vereint sind. Es ist herrlich und den Kindern tut es definitiv in jeder Beziehung gut. Aber irgendwann muss dieser soziale Prozess abgeschlossen werden und das eigentliche "Büffeln" und die möglichst gute Vorbereitung auf die Arbeitswelt – und wir alle wissen, daß es in Zukunft nicht leichter sein wird – beginnen. Gerade in der Pubertät beginnt sich die Spreu vom Weizen zu trennen, sprich, die Kinder, die ein Ziel vor Augen haben, oder zumindest wissen, daß die Schule kein unnützer Zeitvertreib ist und die Kinder, die mit ihrer Null-Bock-Einstellung nicht nur ihr eigenes Leben versauen, sondern auch den Klassenbetrieb stören. In einer Gymnasialklasse geht es üblicherweise anders zu als in einer typischen Hauptschulklasse. Das ist Fakt und kein Angstmythus. Und selbstverständlich möchte man für sein eigenes Kind nur das Beste. Und dazu gehört auch die beste Bildungschance.

        • hallo Alex

          ich muss dich fragen: Was ist denn die "typische Hauptschulklasse"? Es gibt HS, an denen die Leistungsgruppe 1 die geforderten Leistungen in gewissen Gymnasien weit übersteigt und Gymnasien, an denen sich ein großer Teil SchülerInnen kiffend die Zeit bis zur Matura vertreiben. Ich halte diese Trennung von böse Hauptschule-gutes Gymnasium für reaktionär.

          Zum "Büffeln": ich fände es gut, wenn wir auch systematisch verstehen lernen, dass das soziale Umfeld, das interessierte Erleben viel wichtiger ist als das Lehrbuch-Büffeln. Wie du die Schulklasse deiner Tochter beschreibst, klingt gut. Warum soll es nicht so weitergehen und sie auch als Jugendliche Spass am Lernen haben? Strebern tut man ja sowieso, auch wenn man Spass am Stoff hat – weil er eine interessiert.

          Wann ist ein "sozialer Prozess" denn abgeschlossen?

  4. in einem gymnasium gibt es genauso störenfriede, klassenclowns und kinder mit "null-bock-einstellung". offenichtlich haben sie also kein gymnasium besucht, sonst wüssten sie das wohl. willkommen in der mythOslosen wirklichkeit.

     

  5. Irgendwie haben alle vorher  irgendwo recht, weil Schule natürlich immer von konkreten Umfeld und der eigenen Lebenssituation abhängt. Auch 2012 bedeutet es noch einen großen Unterschied, ob erste Klasse Gym oder NMS und auch da hängt es von der bestimmten Klasse, Lehrpersonen und Umfeld des Schülers ab, ob Schule eine Strafe oder eine echte Entwicklungschance sein kann. Für meine Kleine wünsche ich mir eine gemeinsame Schule, mit freundlichen Lehrern und wie ich super Kollegen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert