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Verglast mein Herz

Mit Glas hat die derzeit in der Galerie Thoman laufende Ausstellung von Martin Walde zu tun. Glas in seinen schönsten Formen. 

Der in Wien lebende Innsbrucker Künstler Martin Walde,  hat dazu Normgläser, wie sie die Chemische Industrie zum Abfüllen bestimmter Lösungen verwendet, nochmal in den Glasofen gegeben und sie dadurch verformen lassen. Er hat sozusagen aus dem genormten Material ein ungenormtes zurückgewonnen, also Gläser, bei denen die Skalen nicht mehr stimmen und deren Form sich durch die Hitze des Glasofens völlig verändert hat, die aber durch diesen Vorgang nicht  zerbrochen sind. Spontan habe ich mir dabei gedacht, es ist so wie in der berühmten "Großen Liebe" dein Herz, beginnt zu schmelzen, schmilzt am Ende aber doch nicht komplett durch, nur stimmt die Norm nicht mehr, die Skala der Liebe hat sich verändert, und mit jedem Schmelzvorgang ein bisschen mehr. Und am Ende bleibt ein zwar verformtes nichtsdestotrotz aber noch ganz gebliebenes Lebensglück zurück.

Ja, eigentlich sollte man Martin Waldes Gläser in ein Eheberatungsbüro stellen, oder in Psychotherapiepraxen. Wie hat sich doch unsere Seele  verformt unter all den vielen "heißen Veränderungen", ist unter nachfolgenden Kälteschauern erstarrt, ihrer ursprünglichen Form beraubt und so – für den / die andere(n) unsichtbar bleibend – ein stilles Symbol für gescheiterte Beziehungen, verlorene Illusionen oder einfach der alltäglichen "Lebensvernutzung" geworden.

Aber auch nicht so tiefenpsychologisch gedacht, sind die ausgestellten Gläser einfach schön anzusehen, neben ihrer oft kaum übersehbaren sexuellen Symbolik, die bei ihrer Anfertigung natürlich nicht beabsichtigt war, erinnern sie mich auch an überdimensionale Radioröhren, wie sie lange vor der Erfindung des Transistors die ganz alten Radioapparate enthielten, und deren Inneres sozusagen zu technischen Kunstwerken gemacht haben. Gesendetes aufnehmend und es in Tönen, Klängen und verbalen Botschaften widergebend und uns so ein Tor zur Welt öffnend.

Empfehlung: Hingehen und anschauen

www.galeriethoman.com/de/ausstellungen.html

Helmut Schiestl

2 Comments

  1. danke für den tipp!

    deinen vergleich mit der "großen liebe" finde ich schön. das ist auch der unbezahlbare dienst der kunst an uns alle: dass sie uns, ob nun expertInnen oder nicht, als betrachterInnen grenzenlos zum deuten und gedanklichen herumspielen einlädt.

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