2

oben und unten – Porno und Poesie

Zum Hintergrund: In dem Gedicht geht es um das Haus in der Höttinger Au 24. Einschlägig interessierte werden sich noch daran erinnern, dass dort im jahre 1974 ein Pornokino untergebracht war. Fast niemand aber weiß, dass auch ich ein Jahr lang, nämlich eben genau 1974, dort mit meinen Eltern gelebt habe.

Höttinger Au 24. Das war früher eine verruchte Innsbrucker Adresse. Man hoffte, nicht gesehen zu werden, wenn man dort die tür zum Olympia-Kino öffnete. Man schlich schnell hinein, kaufte eine Karte, setzte sich auf den ersten Randsitz, der noch frei war und hoffte, dass man dabei mit nichts Klebrigem im Kontakt kam. Drei Stockwerke höher hat ein Kind gewohnt, das sich vierzig Jahre später noch sehr gut an diese Zeit erinnert.

oben und unten

oben war mein zimmer

unten wurden filme gezeigt
oben sah ich schon auch welche
doch waren die unteren schlimmer

oben wurde offen gekuschelt

unten eher versteckt
oben hab´ ich marken gesammelt
unten wurde geleckt


unten war das olympiakino
oben war ich g´rade zehn
und viel zu sehr in mein fahrrad verliebt
um schnell nach unten zu geh´n


unten war ich noch unerwünscht
oben war ich geborgen
oben war das unschuldige heute
unten das schuldige morgen


oben ist heute nicht mehr mein zimmer
unten gibt´s pizzas statt pornos
das buch mit den marken ist unauffindbar
niemand darf zehn sein für immer

von Bertram Haid



2 Comments

  1. Würde gerne wieder mal in ein solchen Kino mir geilen Filmen gehen,
    wo ich auch Leute treffen könnte, mit denen ich den Film noch intensiever geniessen würde !
    Gibt es solche öffentlichen Orte noch ?

Schreibe einen Kommentar zu Peter Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert