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A Nackata im Hotel Clownifornia

Bereits zum 22. Mal, heuer noch in den Stadtsälen, und kurz vor einem Umzug in den Congress: Das Festival der Träume, heuer unter dem Titel „Hotel Clownifornia“. Noch diese Woche, bis zum 26.8.12, lässt es sich in der eigenartig intimen Atmosphäre des Stadtsaales, der geradezu kuschelig eng mit runden Tischen bestellt ist, lachen und wundern.

 

Nicht unwichtig bei mehreren Stunden vor Ort: Die Verpflegung besteht aus Würstel (einige Sorten, desgleichen vom Senf) und Eis zum Selbstholen, Bar mit mehr als anständigem Sprudelangebot, Getränkeversorgung bei Tisch. Schokoholics freuen sich über die kleinen Süßigkeiten am Tisch und Raucher sind dankbar für die lange Pause (locker drei Zigaretten dauernd)!

 

Das Schöne am Festival der Träume ist, dass mensch nicht wirklich weiß, was einen erwartet, selbst, wenn vorher das Programm studiert wird. So lacht mensch sich manchmal krumm und manchmal bleibt Irritation, Überraschung, Unfähigkeit zur Einordnung, aber immer etwas zum Nachdenken, Nachspüren, immer Berührung.

 

Gestern, am Mittwoch den 22. August, haben Peter Shub, John Young, So&So Circus Theater und die Spymonkeys für einen unvergesslichen Abend gesorgt. Schauplatz in der ersten Hälfte des Abends ist ein Hotelzimmer im Hotel Clownifornia, in dem sich Unglaubliches abspielt: Ein Liebespaar, immer wieder unterbrochen durch komische Auftritte von Rezeptionisten und dergleichen, möchte sich endlich näherkommen – dieses Näherkommen wird durch unglaubliche Artistik dargestellt (die durch die kleine Bühne und die Nähe zu den Artisten einfach nur ein WOW entlockt), immer wieder aufgelockert durch Peter Shub, der über eine beeindruckend lockere Bühnenpräsenz und gewaltigen Wortwitz verfügt.

 

Ein weiteres Highlight: John Young, der alleine schon mit seiner Mimik und dem Outfit á la ewig zurückgewiesener und völlig geschmacksresistenter 80er-Jahre -Nerd zum Brüllen gereicht hätte, hat auf einer Stange (ähnlich der, der wir im Turnunterricht hinaufgehetzt wurden) artistisch überaus Witziges und körperlich extrem Anspruchsvolles erbracht (soweit die Laiin das beurteilen kann).

 

Der zweite Teil hatte an unserem Tisch Anhänger und entschiedene Gegner: Da wurde es trashig, anarchistisch, heftig – Überthema war die Indoktrination eines Unternehmens, das Seminare verkauft, unter dem Thema " Love in, love out" –da wird schon mal eine anale Penetration angedeutet, die Hauptdarstellerin wird mit Dingen gefüttert, die sie vaginal wieder ausstreut oder in großem Bogen gebärt (nur zum Beispiel: oben Rose rein, aus der Vagina regnet es in großem Getöse Rosenblätter).

 

Zwischenspiel war ein Kampf Mutter Teresas mit einem (so hab ich es interpretiert) lokalen Anhänger des Hinduismus um einen armen Mann; mit Gewalt hat sich in dem Stück Mutter Kirche ihre Anhänger geholt und fies lächelnd hat sich die Gewinnerin noch einmal das Kreuz auf die Stirn gemalt.

 

Großes Finale war eine angedeutete Hexenverbrennung, nur dass sich die Hexe befreit und einen wahren Hexentanz mit ihrem Denunziator aufführt, während die zwei Henkersknechte sich völlig entblößen und total nackt und die Stange sich winden, die zur Verbrennung der Hexe vorgesehen war. Zwei so ganz entblößte Geschlechtsteile haben an unserem Tisch dann doch zu Größendiskussionen geführt. Das Tiroler Publikum hätte ich konservativer eingeschätzt: Der Applaus war heftig und langanhaltend. Das haben sich die Künstler auch mehr als verdient.

 

Text von Heidi Blum
 

Link: www.festival-der-traeume.at/


3 Comments

  1.  Immer wieder empfehlenswert und einfach schön einfach befreit loszulachen! Humor kann ruhig ein bisschen "unanständig" sein, solange ein bestimmtes Niveau gewahrt bleibt 😉

  2. Spymonkeys – gehts noch tiefer?

    Also auch wir waren bei dieser Vorführung, wo im ersten Teil durchwegs Künstler auf höchstem Niveau agierten. Das Publikum war mehr als begeistert, und dies von der ersten bis zur letzten Minute. Tosender  Applaus.

    Die letzte  Gruppe des zweiten Teils hatte es – absolut nicht – in sich: Auf der Bühne herumhüpfende Alternde, ähnlich verhaltensgestörter Tiere in Käfigen.

    Inhalt keiner in  Sicht, Kabaret – weit gefehlt! – Unterhaltung? Stille im Publikum. Höhepunkt der Geschmacklosigkeit die Dame mit der Ordenskluft von Mutter Theresa. Auch hier hüpft diese mit ihren Kollegen verhaltensgestört ohne einen Sinn darin zu erkennen auf der Bühne herum, sich an ihren Kitteln zehrend. Ich checkte schon während der ganzen "Darbietung" dieser "Künstlergruppe", dass nicht nur mir der Humor abhanden kam. Viele junge Leute um uns herum schüttelten nur ihre Köpfe ob dieser Geschmacklosigkeit, wir rätselten, ob wohl das deutsche Mitglied Probleme mit seinem Alter habe, oder – ob dieses Quartett überhaupt Harz4-Empfänger seien, denen einfach nur langweilig ist.

    Als einer der Mitwirkenden zwischendurch fragte, was wir gesehen haben, antwortete ich: "Schitt" und der ganze Saal war still. Kurz darauf verließen nicht nur wir, sondern viele andere den Saal. Muss also bei oben genannter Vorstellung ein komplett anderes Publikum gewesen sein, dem jeder Funken an gutem Geschmack abhanden gekommen sein muss.

     

    • Geschmäcker sind verschieden… und das ist auch gut so. Ich finde auch generell, dass gute Kunst mehr als einfach nur unterhält, sondern dass diese durchaus auch verstörend wirken kann und dadurch zur Reflexion anregt. Die Mutter Theresa Persiflage hat für mich das Thema Religion – Armut – Mission bespielt, ich persönlich konnte schon einen "Sinn" dahinter entdecken. Sicher wird es unterschiedliche Bewertungen zur Frage "Ist das Kunst?" geben, sicher gibt es auch schlechte Kunst, aber nicht alles, was wir nicht verstehen oder nicht einfach bloß unterhält, ist einfach schlecht.

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