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Music and the city (Vol. XIII)

„Destroy all Nels Cline“ – oder: wie Nels Cline mein Leben ruiniert hat.
 
oder: Lass und zu LaHengst gehen, Baby!
 
Man könnte ja heute eigentlich auch mal wieder auf ein Konzert gehen, das Konzert von Bernadette LaHengst und ihres neuen Projektes „Die Zukunft“ würde sich da ja wohl mehr als nur anbieten. Da wird schrammeliger, leicht trashiger, aber gut gemachter Indie-Pop mit der richtigen Portion elektronischer Gimmicks angeboten, zu der man sich gut bewegen kann, und die auch den Kopf nicht außer Acht lässt. Man tanzt da nie unter seinem Niveau, und überhaupt, man erinnere sich doch nur mal an die wunderbaren Konzerte im Bierstindl vor einigen Jahren, in denen sie die Masse derart im Griff hatte, dass man ihr sofort zu jeglicher Demo auf die Straße gefolgt wäre.
 
Kluge Parolen…
 
Sie spielte mit den Anwesenden, ließ sie ihre klugen, immer knapp an der Parole vorbeischrammenden Texte mitsingen, und dennoch hatte man nie das Gefühl, hier für eine politische Sache ge- oder gar missbraucht zu werden. Bei LaHengst steht man auf der richtigen Seite, ist immer der festen Überzeugung, eine schöne politische Einstellung und Haltung zu haben und dabei auch noch von netten Leuten umgeben zu sein, mit denen man vielleicht sogar die neuesten Saddle-Creek Aufnahmen besprechen kann. Nette Leute mit einer differenzierten politischen Gesinnung, die einem auf Anhieb sympathisch sind, und die man sich vorstellen könnte mal zu einer Party einzuladen, bei der gute Musik aus den Boxen schallt zur der, wenn dann alle ein wenig angetrunken sind,  auch ein wenig getanzt wird, vielleicht auch mitgesungen um damit zu betonen, dass ein stillschweigender Konsens herrscht, doch die richtige Musik zu hören, die richtige Musik im falschen Leben sozusagen. Also: lass uns doch heute mal zu LaHengst gehen und dieses Gefühl wieder aufleben lassen, mal wieder sehen wie es ist, dazuzugehören, ein Gefühl, das schon so lange abwesend ist.
 
"Initiate" als Zäsur…
 
Alleine: es tangiert den Kolumnisten nicht mehr, er möchte lieber zu Hause sitzen und den diversen Projekten von Nels Cline lauschen. Damals, als er mit „Initiate“ infiziert wurde, die Platte ohne länger darüber nachzudenken in den CD-Player geschoben hat, damals, als er zum ersten Mal das Gitarrenspiel von Nels gehört hatte, ja damals, war die Welt noch heil, einfach, die Zugehörigkeiten und die politischen Haltungen klar abgesteckt, geklärt, zementiert, erstarrt. Die ersten Akkorde, besser noch, die ersten Töne und Effekte jedoch haben es vermocht, diese Sicherheiten wegzuwaschen, zu verwaschen, in einen Raum der Unbestimmtheit und Uneindeutigkeit abdriften zu lassen. Plötzlich war das Akkordgeschrammel von den meisten Indie-Bands unerträglich geworden, sie alle waren in den Dilettantismus abgedrängt.
 
Die Dekonstruktion des Punk…
 
Und das Argument, das man sich fein säuberlich zurecht gelegt hatte, damals, als alles durch den Punk gehen musste, Punk immer noch präsent war und man letztlich sagten konnte: „Ja, Mars Volta ist schon gut, aber haben die ihre Musik wirklich durch die Dekonstruktion des Punks gehen lassen?“. Sollte heißen: man durfte zwar irgendwie doch langsam wieder virtuos sein, vielleicht sogar das eine oder andere Gitarrensolo spielen, ein paar Breaks in seine Songs einbauen und die Lieder durften langsam wieder mehr als 3 Akkorde haben. Und dennoch war immer wieder gefragt, zumindest mitzudenken, wogegen Punk angetreten war, wogegen sich Punk wendete. Weißt du nicht mehr, damals, Yes und Rush und all diese ewigen, endlosen und selbstherrlichen Gitarrensoli, oder noch schlimmer, Schlagzeugsoli? Da kam der Punk und später der Indie, mit der richtigen und wichtigen DIY-Ästhetik, jeder konnte spielen, jeder musste spielen, seinen Ausdruck finden.
 
All das, schön ausgedacht, intellektuell erfasst, jetzt plötzlich: hinfällig! Nels konnte spielen, kein Zweifel, er war und ist virtuos, kein Zweifel. Doch seine Technik steht niemals im Zeichen von Selbstdarstellung, sondern vielmehr benutzt er diese Technik um zu zeigen, dass letztlich alles Musik ist: das Geräusch, das Fiepen der Gitarren, das Feedback, und ja: auch der Jazz, der Free-Jazz, dieses unerträgliche Gedudel, gegen das man schon prinzipiell und überhaupt sein muss. Wer will schon seine Zeit mit Effektgeräten und abwegigen Tonleitern verbringen, wenn es auch einfacher geht und man letztlich nur eine Gitarren anstecken muss: Hey, Ho, let´s go. Mit Nels Cline geht gar nichts mehr, er hat jegliche Versuche, selbst Gitarren zu spielen, zerstört. Vermutlich ist er sich seiner Wirkung bewusst, wenn er eines seiner Alben „Destroy all Nels Cline“ nennt.
 
Die Welt ist schön ich lebe gern…
 
Die Welt hätte so schön einfach, strukturiert und wie immer sein können, wenn nicht „Initiate“, „Dirty Baby“ und andere Einspielungen dahergekommen wären, die diese Eindeutigkeiten ins Wanken gebracht haben. Nels verschwindet hinter seinem Spiel und der Kolumnist ist für immer in seinen Platten verschwunden und fragt sich, warum man sich noch mittelmäßiges, ja unterentwickeltes Zeugs wie LaHengst antun soll, auch wenn sie natürlich alles kann, sehr sexy ist und auch noch politisch aktiv ist. Lass und wieder mal zuhause bleiben und sich im eigenen Elitär-Sein suhlen, sagen: hast du schon das neue Projekt von Nels gehört, zusammen mit Tim Berne und Jim Black, es nennt sich „The Veil“ und kommt demnächst auf Cryptogrammphone raus, einem Label in L.A., das Avant-Jazz Sachen rausbringt und dabei, im Gegensatz zu anderen Labels, sehr viel Wert auf Verpackung und Inhalt legt. Weiß Nels davon, was es bedeutet, eine solche Frage in Innsbruck zu stellen, weiß er, wie man da angesehen wird, weiß er, wie viele Leute in Innsbruck seine Musik kennen, weiß er, dass es so gut wie niemand ist und weiß er, dass man sich somit zum absoluten Außenseiter macht, dessen soziales Leben letztlich vollständig zerstört ist?
 
Weiß er, dass seine Musik nichts mehr neben sich bestehen lässt und weiß er, dass der Kolumnist ihn und seine Musik letztlich auch genau dafür liebt? Die Musik als Vorwand zum Rückzug, was kann es schöneres geben? Die Musik als Vorwand sich zu isolieren, das Haus nicht mehr zu verlassen, sondern sich stattdessen zu fragen, wie er diesen Klang wieder hinbekommen hat, welches Effektgerät er benutzt hat.
Vielleicht wird der Kolumnist ja heute Abend doch noch zu LaHengst gehen, nur um dann zu sehen, dass das alles nur mittelmäßige Grütze für mittelmäßige Menschen ist, die sich auf der richtigen Seite wähnen. Er wird sich sagen hören: ja, politisch ist das ja schön, auch Geschmack haben die, kennen die richtige Musik und wähle aus diesem Material geschickt aus. Aber irgendwie ist das alles langweilig, fade und abgestanden, so als hätte man etwas gehört, das besser ist, interessanter, innovativer.
 
Einige Mitschnitte:
 
 
 
 


Markus Stegmayr

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