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Music and the city (Vol. 44): „Heart Of Noise“

Vom 20.- 22.06. geht das Festival „Heart Of Noise“ über die Bühne. Vielleicht kann man eine kleine „Anleitung“ dazu geben, wie man sich diesem Festival annähern könnte – oder auch einen Aufruf schreiben, sich selbst so seinen Reim zu machen…

Um zu verstehen oder zumindest Konstruktionen zu schaffen, die verstehen als Kategorie ermöglichen, ist es notwendig den Rahmen, in dem ein ästhetisches Konzept eingebettet ist,  zu definieren und erstmals zu klären, Klarheit zu schaffen, womit man es überhaupt zu tun hat.

Man kann sich nur schwer mit dem Gehalt beschäftigen, wenn noch ungeklärt ist, in welchen Interpretationsrahmen dieser Gehalt eingebettet ist. Man läuft sonst Gefahr, Beliebigkeit Einzug halten zu lassen.

Beliebiger Rahmen, Klang, Genre?

Was aber, wenn auch der Rahmen beliebig ist und der Klang der Wörter höher bewertet wird, als die Setzung eines ästhetischen Konzeptes, das man vom Titel und von der Bezeichnung her ableiten kann?

Die Frage ist jedenfalls dann einfach damit gestellt, was der Begriff „Noise“ im Falle vom Festival „Heart Of Noise“ bezeichnet – und warum er glaubt, bezeichnen zu können.

Handelt es sich um den Genrebegriff „Noise“, dann fängt man sich automatisch auch die Geschichte dieses Genres mit ein und kann und muss sich dann in diesem Rahmen bewegen.

Beginnt man diese Geschichte dann aber damit , wo zuerst „Störungen“ in die Musik eingeschleust wurden, damit, wo sich die sogenannte „Atonalität“ in die vertraute „Tonalität“ eingeschlichen hat oder beginnt man doch erst dort, wo sich John Cage daran gemacht hat, die Geräusche zu „befreien“ und sie wie selbstverständlich, sozusagen „demokratisch“, neben dem hat stehen lassen, das eine Mehrheitsgesellschaft akzeptiert, die an konventionelle Harmonik, Strukturen und schlichtweg an das gewöhnt ist, an das, man gemeinhin „Musik“ nennt“?

Oder setzt man doch etwas später an bei dem Genre „Noise“, das oftmals auch ein wenig geschichtslos agiert und diesen ganzen Überbau zwar noch besitzt, auf diesem aufbaut aber fast schon vergessen hat, wo die Ursprünge liegen und was es überhaupt erst ermöglicht hat, dass Geräusche eine solche Aufwertung erfahren haben?

Nicht jeder Musiker muss sich zu jedem Zeitpunkt der Geschichte „seiner“ Musik bewusst sein, Blindheit, Zufall und Selbstverständlichkeit können „Neues“ hervorbringen. Man muss nicht erst auf den Schultern von Giganten stehen, man kann sich auch planlos durch ein musikalisches Leben kämpfen und es in Kontrast zu dem setzen, was man ein durchgeplantes, verwaltetes Leben und Da-Sein nennen könnte. Es lebe der Zufall, das Ereignis, der Moment. Der Weg ist das Ziel. Es ist so schön unterwegs, warum sich beeilen?

Das „Werk“ per se…

Vermutlich braucht man diese Fragestellungen aber gar nicht, sondern man kann sich frisch und fröhlich da hin bewegen, wo die ästhetische Beschreibung eines musikalischen Phänomens selbst wohnt: Bei der Beschäftigung mit der Musik und dem musikalischen Werk per se.

Daran schliesst die Frage an, ob man ein ästhetisches Konzept und die Begrifflichkeiten von der Musik an sich ableiten kann. Ist dieses „Noise“, das beim „Heart Of Noise“ ganz offensichtlich kein Genre im engeren Sinn bezeichnen will, dann eine ästhetische Beschreibung dessen, was die Musik immanent anbietet?

„Noise“ ist dann nicht mehr Genre mit dem ganzen Rattenschwanz an Geschichtlichkeit der damit einhergeht, sondern ist interpretationswürdig und in einen Kontext zu setzen. „Noise“ ist Geräusch, ist vielleicht gar auch Rauschen?

Damit begibt man sich hin sich damit zu beschaeftigen, welches „Rauschen“ denn passend waere: Hat man es mit „weissem Rauschen“ zu tun? Mit „schwarzem Rauschen“? Mit „rosa Rauschen“? Ad hoc verbindet man „Noise“ wohl mit „weissem Rauschen“, mit Überlagerung, mit der Summe aller Frequenzen, mit der Umöglichkeit differenziert einzelnen Aspekten und „Stimmen“ eines Tracks zu folgen. Wenn es „weiss“ rauscht, dann herrscht das Chaos und die Struktur ist suspendiert, sie ist begraben unter Tonnen von Rauschen und Indifferenz. Die Musik auf einem Festival muesste sich dann an diesen Kategorien „messen“ lassen, daran, wie gut sie diese „Kriterien“ erfuellt.

Im „Herzen“ des Geräusches…

Aber vielleicht ist auch der Begriff „Heart“ der Schllüssel zur Interpretation des Bezugsrahmens vom „Heart Of Noise?. Was passiert, wenn man sich ins „Herz“ des „Noise“, des Geräusches, des Rauschens begibt? Ist „Noise“ dort besonders laut, besonders eindringlich und kaum mehr zu ertragen? Herrscht dort das absolute Chaos und man kann kaum mehr etwas „verstehen“?

Oder ist es dort, gleich dem Auge eines Orkans, still, leise, beruhigt? Ist man dort, wenn man sich dort erst hineingewagt hat, sicher, muss sich nicht mehr den Geräuschen aussetzen und steht als Beobachter, als freier Mensch davor und kann beobachten, in aller Ruhe interpretieren und auslegen? Oder beginnt hier gar eine Zone, die einen davon befreit, sich all diese aesthetischen Fragen zu stellen und man kann beruhigt sagen, dass letzten Endes fast alles „Noise“ ist, fast alles aus Geräuschen, Klängen und Tönen zusammengesetzt ist, das Ergebnis aber offen bleibt?

Ein flüssiger Begriff?

Noch eine Möglichkeit bleibt offen: „Noise“, als Rauschen und als Indifferenz verstanden, ist ein „fluessiger“ Begriff, wenn man die aesthetische Beschaffenheit zu einer Haltung der Musik gegenueber macht und transferiert. Dann waere grundgelegt, dass man sich als Festival, als Programmmacher von Jahr zu Jahr bewegt, nichts schlimmer findet, als nur ein „Noise-Festival“ im Genre-Sinn zu machen und letztlich auch aesthetische Fragstellungen, die zur Einschraenkungen und Definierung eines Konzeptes fuehren, ablehnt – und sich stattdessen die Offenheit bewahrt und die Option, jedes Jahr einen anderen roten Faden anzubieten.

Oder ist das „Heart Of Noise“ letztlich gar der Versuch, dem „Rauschen,“ das man auch als Beliebigkeit und Verunmoeglichung von Interpretation und Verstehen deuten koennte, etwas entgegenzusetzen, das, zumindest fuer ein paar Tage, „Sinn“ macht? Ist dieser rote Faden, der das „Heart Of Noise“ von Jahr zu Jahr durchzieht, dann die Idee, etwas auf die Beine zu stellen, das nicht mehr „rauscht“, sondern das konkret, handfest und nachvollziehbar ist?

Mehr Fragen als Antworten?

Kann das Festival ,,Heart of Noise“ überhaupt Antworten auf diese Fragen geben oder verhält es sich indifferent gegenüber diesen Fragestellungen und sind diese ihm äußerlich?

Das Festival sei jedenfalls ebenso empfohlen wie auch der Aufruf, seine eigene ästhetische  Urteilskraft zu schärfen und mitzunehmen um die „richtigen“ Fragen zu stellen. Über Antworten darf man dankbar sein, doch erwarten darf man sie nicht. Die Bands sind dabei nur, mehr oder weniger gute, Platzhalter für Interpretationsversuche. Man darf auch Stichproben nehmen und versuchen, sich seinen eigenen Reim darauf zu machen.

Warum „Autorschaft“?

Warum hier nicht über  Bands geschrieben wurde? Eine klare Antwort: Bands, Begriffe und Kontexte geben Bezugsrahmen vor und machen „Verstehensvorschläge“. Warum sich nicht berauschen lassen von Musik, die ohne „Autorschaft“ auskommt? Für alle, die der Versuchung nicht widerstehen können, sich vorab zu informieren, hier dennoch der Link zum Festival:

http://www.heartofnoise.at/

Ich werde dort sein, um mir meinen eigenen Reim zu machen. Und ein Festival, das fragen aufwirft und auch Kritik provoziert, muss man einfach gut finden…

Markus Stegmayr

3 Comments

    • Dankeschön für die Rückmeldung, Herr Albin 🙂

      Ich muss noch ergänzen, weil es mir (zwischen den Zeilen) ein wenig vorgeworfen wird (von anderer Seite): Ich haben mich bewusst dafür entschieden KEINE Bandnamen zu nennen.

      Aber ich glaube eigentlich, dass sich jedeR, der diesen Text liest, einen Reim darauf machen kann, warum ich diese Entscheidung getroffen habe.

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