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Music and the city (Vol. 43) – Rudresh Mahanthappa (Teil II)

Rudresh Mahanthappa spielte mit seiner kongenialen Band ein furioses Konzert im Treibhausturm – und sorgte für Euphorie und Begeisterung…

 

Ich für mich muss gestehen, dass mich das Vorgängeralbum „Samdhi“ gar nicht so sehr vom Hocker gehauen hat. Der Basssound ein wenig zu dünn, die Gitarre ein wenig zu virtuos und dennoch merkwürdig blass, die elektronischen Einflüsse zum Teil ein wenig deplatziert. Mit „Gamak“ hat es mich dann aber  vollständig erwischt, vor allem auch, weil er mit David Fiuczynski einen Gitarristen mit an Bord geholt hat, der mit zu den interessanten Musikern der Jetzt-Zeit zählen kann. Es scheint, als sei er das fehlende Glied in der Kette gewesen, welches es Rudresh ermöglicht, seine musikalischen Ideen in die Tat umzusetzen, ohne Kompromisse und ohne daran denken zu müssen, ob die jeweilige Idee spielerisch überhaupt machbar ist.

 

Irrwitziges Tempo…

 

Wenn man die Band auf der Bühne sieht, mit ihrer enormen Präsenz und Spielfreude, dann kommt für lauter Euphorie, Freude und Glücksgefühlen keine Zeit auf, um die Augen zuzumachen und sich seine eigenen Bilder zur Musik zu machen. Die Musik selbst ist voll mit Bildern, evoziert verschieden Kontexte, Kulturkreise, Genres und Einflüsse. Das enorme Tempo, mit dem diese an einem vorbeihuschen, verändert die Zeitwahrnehmung. Immerhin fast 2 Stunden steht die Band auf der Bühne, es wird danach wie knapp eine Stunde gewirkt haben.

 

David Fiuczynski spielt dabei eine besondere Hauptrolle, nimmt er doch in gewisser Weise die Rolle ein, die Vijay Iyer einst als Pianist gespielt hat. Dieser hat bekanntlich intensiv mit Rudresh zusammengearbeitet.

Wenn David also nicht gerade eines seiner (fanatstischen und hochinteressanten) Soli spielt, dann verlegt er sich auf die „Akkordarbeit“, mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Er bleibt ruhig, gelassen und spielt dennoch mit einem Druck, den man nicht alle Tage hört. Er übernimmt oftmals die Rolle eines Pianisten, der ruhig, im Hintergrund seine Arbeit verrichtet und dabei manchmal fast zu wenig hörbar Erstaunliches leistet.

 

Der „Akkordarbeiter“… 

 

Die Akkordarbeit, die Akkordvariationen sind atemberaubend, in jeder Auswahl interessant und neuartig. Er bewegt sich mühelos mit seiner „Double-Neck“ durch Stile, musikalische Einflüsse und Skalen, die sich nicht immer um die Halbtonschritt-Konvention des „Westens“ kümmern.

 

Die Band „switcht“ immer wieder zwischen Rockriffs, Blues-Skalen, indischen Rhythmen und Skalen, zwischen Einflüssen aus Japan, China, Nahen Osten usw. Dabei ist diese Musik nicht harmoniesüchtig, wie sich im Titel „Ballad For Troubled Times“ ausdrückt. Es ist Musik, die sich den „Probleme“ und Widersprüchen der Globalisierung stellt. Und in diesem Stück hört man das auch, es wirkt, als ob es immer wieder Passagen gäbe, Durchgänge, die von „westlichen“ Musikstilen in andere „Welten“ führen. Es sind keine bruchlosen Übergänge, sondern manchmal auch schmerzende „Verluste“. Es sind Brücken, die man sich erst erspielen, erarbeiten muss.

 

Gewinn und Verlust… 

 

Verlust von Tradition schmerzt, ist aber die Voraussetzung für das Ineinanderfließen von musikalischen Elementen. Die Ablösung der Aspekte, des Materials von der Tradition führt überhaupt erst zur Verfügbarkeit des Materials. Mahanthappa betont, wie viele Traditionen es in der indischen Musik gibt und fügt hinzu, dass sie das Stück gerade eben in keiner dieser jeweiligen Traditionen gespielt haben. Es braucht eine gesunde Portion Respektlosigkeit, um ein so atemloses Konglomerat an Stilen zu erschaffen, wie es Rudresh und seine Band tun.

 

Kurzum: Es fehlen einem letztlich die Worte, um das Konzert adäquat zu beschreiben, es war ein buntes, schillerndes und fröhliches Fest der Möglichkeiten, die sich dann ergeben, wenn die wirkliche Könner an schlichtweg jeder Musikrichtung vergreifen und auch die Bezeichnung „Jazz“ kollabieren lassen. Man verlässt ein solches Konzert aufgebracht, fast schon fassungslos, irgendwie nervös, quirlig, stark euphorisiert. Gnaz einfach deshalb, weil man wahrzunehmen beginnt, was musikalisch alles möglich ist und möglich wäre.

 

Jazz ist hier „nur“ mehr ein System, das mit größtmöglicher Komplexität umgehen kann. Und es wird dieses dehnbare, komplexe System brauchen, wenn man aus dem Vollen schöpfen will. Die Welt steht den Musikern offen, es liegt nur an ihnen, die musikalischen Möglichkeiten virtuos und mit genug Feingefühl zu be- und zu verarbeiten. Man könnte sich niemand besseren vorstellen wie Rudresh Mahanthappa, um diese Aufgabe zu bewältigen. Zum Teufel mit der Tradition, es lebe Rudresh Mahanthappa!

 

Markus Stegmayr

2 Comments

  1. Mir war es ein bisschen zu experimentell und gewollt originell.  Mahanthappa ist zweifellos ein Meister seines Fachs, aber auch sehr sendungsbewusst, um nicht zu sagen manieristisch. Aber das ist vermutlich auch eine Alters- und Geschmacksfrage … 

    • Das kann man natürlich so sehen. Ich persönlich fand´s spektakulär und überhaupt nicht gewollt. Und zu experimentell gibt es für mich schon mal gar nicht 😉

      Beste Grüße

      Markus

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