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Music and the city (Vol. 40): Matana Roberts I

Mit Matana Roberts gastiert am 12.12. (p.m.k.) eine der interessantesten Musikerinnen einer Musikrichtung, die man vielleicht früher mal mit Recht „Jazz“ genannt hat. Matana kann allerdings weder vollständig mit der New Yorker „Avant-Jazz-Szene“ asoziiert werden, noch ist sie wirklich mit den Musikerinnen in Chicago eng verbunden, noch ist sie jemals in der Szene in Toronto heimisch geworden. Und auch in London hat sie noch Leute, mit denen sie spielt.

 

Vielleicht ist es Zufall, dass sich Robert so sehr zwischen Orten und Szenen bewegt und sich nicht endgültig auf New York als den Schmelztiegel festlegen will, der ihre Musik vermutlich in eine sehr freie, avantgardistischer Richtung lenken würde. Gefördert wurde und wird Matana immer schon von Leuten wie  Vijay Iyer oder Mary Halvorson, die dem „Avant-Jazz“ gerade ein neues, aufregendes Gesicht verpassen. Vijay Iyer hat sogar ein Album von ihr produziert und doch merkt man bereits auf diesem („The Chicago Project“) schon, dass man es hier mit einer eigensinnigen und einzigartigen Musikerin zu tun hat.

 

Roberts und Vijay Iyer… 

 

Neben Vijay Iyer, der seine Finger an sehr vielen Stellen im Spiel zu haben scheint und im Moment sicherlich als einer der aufregendsten Pianisten der Jetzt-Zeit zu gelten hat, findet man auf dieser Aufnahme nicht die üblichen  Verdächtigen, sondern Musiker, die man eher der erweiterten Indie- und Alternative-Szene zuordnen würde (z.B. Musiker von Tortoise). Man kann ihr diese Eigenwilligkeit auch als absolute Eigenständigkeit auslegen. Man bemerkt jedenfalls die Konsequenzen ihrer Musikerinnenwahl in jedem Ton, den sie spielt. Sie hat die Grenzen des Jazz nicht in eine Richtung überschritten, die hin zur Atonalität und zur freien Improvisation führt, sondern hin zur Melodie, zur Struktur, man könnte auch, stark vereinfacht, sagen: Hin zum Pop und zur Hörbarkeit.

 

„Coin Coin…“

 

Auf dem Album „Coin Coin…“ auf dem sich fast keiner der sonstigen großen Namen des Avant-Jazz wiederfindet, gelangt Matana endgültig zu ihrer eigenen Stimme, die sowohl an der Songfähigkeit und dem Sinn für Aufbau und Klimax von Bands geschult ist, mit denen sie als Side-Woman gespielt hat (z.B. Godspeed You Black Emperor) als auch der Musik von Menschen wie Anthony Braxton. Dass sie diesen musikalischen Spagat schafft, sie freie Improvisation in teilweise klaren, manchmal auch repetitive und absolut nachvollziehbare Strukturen unterbringt, ist wohl ihr große Stärke. Man könnte auch sagen: Hier verkauft einem jemand „Avant-Jazz“ mit den Mitteln des Pop und lässt auch Leute begeistert aufschreien, die sich ansonsten von Musik fernhalten würden, die mit dem bösen „J-Wort“ umschrieben werden kann.

Und noch etwas schafft, sie, das nicht ganz alltäglich ist: Sie bettet ihre Musik in einen Diskurs ein, sodass man sich nicht „nur“ auf die rein musikalisch immanente Ebene konzentrieren muss, man auch nicht alles verstehen muss, sondern man kann die musikalischen Elemente auch als Teil der Erzählung verorten, die sich mit der Unterdrückung und dem Aufbegehren der Schwarzen beschäftigt. Und dennoch begehen an dieser Stelle viele den Fehler zu sagen, dass das kein Jazz mehr ist, eben WEIL Matana Roberts diese Musikrichtung dazu benutzt, sagen wir als „Material“, um diese Geschichte zu erzählen, mit der Jazz natürlich eng verbunden ist. Man kann auch sagen: Er ist nur Mittel zum Zweck, die Geschichte ist im Vordergrund und somit muss man Jazz gar nicht mögen, um „Coin Coin…“ gut zu finden.

 

Robert als Jazz-Musikerin…

 

Auch auf die Gefahr hin, Leute zu vergraulen: Robert ist eine Jazz-Musikerin, eine sehr gute noch dazu. Nicht die Geschichte der Schwarzen, die sie so eindrucksvoll zu erzählen versteht, war zuerst da und dann erst das Material. Sondern das Material, die Faszination für Jazz stand am Anfang und erst dann mag es Matana aufgegangen sein, was man mit diesem „Material“ anfangen kann, dass man es in eine mitreißende Geschichte verpacken könnte.

 

Und genau diese Diskussion ist das Spannende an ihrer Musik. Auf der einen Seiten wurde sie in der Welt der Popkultur für ihr aktuelles Album hymnisch gelobt und auf der anderen Seite wird sie auch von der Jazz-Presse hochgeschrieben. Das ist eine Tatsache, die man ansonsten kaum findet. Dass sich hier Leute in eine Platte und in ein Werk freiwillig einhören, die ansonsten andere Jazz-Platten nicht mal in die Hände nehmen würden, ist zumindest bemerkenswert, wenn auch nicht ganz  verständlich. Man hätte annehmen können, dass die Rezeption von Roberts andere Tendenzen sichtbar werden lässt, die  Tatsache, dass es mit der dogmatischen Enge des Jazz schon längst vorbei ist und der Blick auch immer wieder auf Pop-, Indie und elektronische Musik hin gelenkt wird. Und auch da ist Vijay Iyer ein Musterbeispiel, da er sich durch die gesamte Musikgeschichte spielt und schon mal bei Flying Lotus ankommt.

 

Die Öffnung hin zum Publikum…

 

Und da passt es wieder sehr gut, dass Iyer ein Förderer und Unterstützter von Roberts ist: Sie beide eint die Erkenntis, dass sich was tun muss im „Jazz“, in einer Musikrichtung, die es sich in ihrer elitären Haltung und in ihrer Sperrigkeit im Heute fast ein wenig zu bequem gemacht hat und sich ein wenig im Elfenbeintrum versteckt. Iyer covert daher z.B. Michael Jackson und verliert dennoch nichts an seiner enormen Spielfreude und an seiner Improvisationskunst. Das ist vielleihct der Weg, der gegangen werden könnnte: Die Erhaltung der spielerischen und improvisatorischen Raffinesse mit zeitgleicher Öffnung hin zu einem Publikum, das noch gar nicht weiß, dass es Jazz mögen könnte. Matana Robert ist da ein hervorragendes Beispiel, wie das gelingen könnte.

 

Die Sache mit dem „Elfenbeinturm“ ist also die Sache von Roberts nicht. Lieber spielt sie mit allen möglichen Acts, distanziert sich zwischenzeitlich auch wieder von einigen Störmungen im Jazz, mit denen sie vor einigen Jahren nicht fest verbunden war und lobt trotzdem wieder die Musik, die im „Elfenbeinturm“ New York entsteht. Es ist mit die aufregendste Musik, die seit einigen Jahren entstanden ist, die aber von einer bereiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird. Man gönnt es Roberts, dass sie fast als einzige von allen Seiten  bewundert und lobend beschrieben wird.

 

Kein Elfenbeinturm…

 

Vielleicht ist einer der Gründe, warum sie auf so breite Zustimmung stößt ihre Offenheit und auch ihr Hang zu Nachvollziehbarkeit und zu Melodie bei gleichzeitiger Fokussierung auf eine gewisse Radikalität und spielerische Offenheit. Man kann auch davon ausgehen, dass ihr die Veröffentlichung auf „Constellation Records“ einiges an Öffentlichkeit eingebracht hat. Wäre die selbe Platte, was durchaus denkbar wäre, auf „Clean Feed“ veröffentlicht wurden, hätte die Presse wohl anders reagiert. Vielleicht ist das Intersse von „Constellation“ aber auch schon in ihrer Musik angelegt und sie schafft es einfach wie keine andere, diese „beiden Welten“ zu kombinieren und in eine stimmiges und aufregendes Verhältnis zueinander zu setzen.

 

Letztlich wird man sich nur live in der p.m.k. davon überzeugen können, wie die Sache nun wirklich liegt. Und es ist dem Engagement von „Innpuls“ zu verdanken, dass man dieser hochinteressanten Frage nachspüren kann und dass man diese Musikerin, die diese Fragen aufwirft und ganz nebenbei natürlich auch fantastische Musikerin ist, in einem Solo-Konzert erleben darf.

 

Markus Stegmayr

2 Comments

    • @KopfHörer: Ja, sollte man wohl hingehen. Wird sicherlich ein sehr feines Konzert werden!

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