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Music and the city (Vol. 39, Teil II): Isabelle Duthoit/Trio Bouge

Vielleicht wird das ja gar keine Konzerkritik, denn Isabelle Duthoit muss man selbst erlebt haben und ihre Präsenz und Gegenwärtigkeit auf der Bühne muss man selbst wahrgenommen haben…

 

Man muss dann auch mit ihr gesprochen haben und sehen, welch nette, sensible und unglaublich warmherzige Person Isabelle ist, die aber auf der Bühne teilweise infernalische Laute von sich geben kann, die durch Mark und Bein gehen. Und ihre musikalische Radikalität, ihre Abenteuerlust ist dennoch nicht nett, höflich, sondern überzeugend und umfassend, grundlegend.

 

Widerspruch?

 

Und: man bemüht sich dann gar nicht mehr darum, diese Widersprüche aufzulösen. Man gönnt ihr ihren Ausdruck, ohne dass man das Gefühl hat, dass sich die Künstlerin mehr als die Zuhörer_Innen bereichert fühlt. Es ist im Gegensatz wohl zur landläufigen Meinung, keine Musik, die sperrig ist, sondern die über einen solch enormen Spielwitz verfügt, dass man nur gebannt zuhört und sich über die absurden Spielentscheidungen, die absurden Wege und Haken, die diese Musik schlägt, freut und leise vor sich hinlächeln muss. Denn diese Musik muss nicht ernst rezipiert werden, sondern sie lädt zum Mitfreuen ein, zur Freude an der Absurdität und des Ausdrucks, der sich aus den (zu) engen Grenzen von musikalischen Konventionen befreit hat.

 

John Butcher?

 

Mir fällt dazu auch ein, dass man im Auto sitzt, nachts, oder zumindest nach Anbruch der Dunkelheit und sich von Innsbruck weggebewegt, der Stadt, die eigentlich für sich zum Teil in Anspruch nimmt, in Tirol die Stadt zu sein, in der sich die Kultur abspielt, der man eine gewisse Urbanität zusprechen wollte. Es mutet merkwürdig an, dass man sich auf eine Fahrt begibt, über eine Stunde, um sich von einer Stadt wegzubewegen die das glaubt zu sein, hin zu einen Ort, der offenbar an der Perpherie liegt, an dem man die Provinz vermuten würde, auch musikalisch. Mit John Butcher (Bell Trove Spools…) im Ohr und im CD-Player im Auto fragt man sich, in stillem Einvernehmen der Mitreisenden und Mithörenden, warum Musiker wie John Butcher oder auch Isabelle Duthoit noch nie in Innsbruck gespielt haben.

 

Urbanität?

 

Denn ihre Musik ist zum Teil Inbegriff von Urbanität, von Gegenwärtigkeit und von Abenterlust. Und: welche Strukturen wirken in Innsbruck und in den vermeintlichen Zentren dieses Landes, dass diese Musik an die Ränder verdrängt wird, auch geographisch? Wie wunderbar wäre es gewesen, ein solch atemberaubend gutes Konzert wie das von Isabelle Duthoit in Innsbruck zu hören, die zusammen mit Luc Ex und Johannes Bauer mal so eben ziemlich alle Vorurteile ad absurdum führt, die man in Bezug auf zeitgenössische improvisierte Musik haben könnte.

 

Hier ist nichts verkopft, sondern von einer solchen Sinnlichkeit, dass es einem zum Teil fast den Atem verschlägt. Mit welchem Spielwitz Johannes Bauer Isabelle Duthoit begleitet und mit welchen schrägen Bassläufen Luc Ex um die Ecke kommt – all das hört man in dieser Qualität, in dieser Zusammensetzung und auf diesem musikalischen Nivean nicht jeden Tag. Isabelle singt weniger, als dass die krächzst, schreit, stöhnt, atmet, „konventionellen“ Gesang andeutet, um dann ihrer Atmung, die man ansonsten eher zu vermeiden gedenkt, den Vorzug zu geben. Jede Andeutung einer Melodien wird verunmöglicht, spielerisch sabotiert. Und man freut sich, wenn wieder eine Melodie, eine Ahnung von Harmonie lustvoll dekonstruiert und zärtlich kaputtgeschlagen wird.

 

Zärtlichkeit?

 

Ganz generell ist es, trotz der zum Teil erstaunlichen Radikalität, die Zartheit und der Witz, die dieses hervorragende Trio auszeichnen. Und man darf sich mitfreuen an dem, was hier auf der Bühne passiert. Es ist erstaunlich, wie dieser Grad an Komplexität gehalten wird und erhalten bleibt, keinerlei Zugeständnisse an Hörgewohnheiten gemacht werden, und diese Musik zugleich auch so einladend und so einnehmend sein kann. Kuzum: es ist ein Konzert, bei man sich fast schon wohlfühlen durfte, obwohl die Musik so weit wie nur möglich von „Wolfühlmusik“ entfernt war. Wer erstmal Blut geleckt hat und die Möglichkeiten von Musik erkannt hat, die sich ihre Wege selbst bahnt und sich auch mal eine Schneise durch unwegsames Gelände bahnt, als wäre es das normalste der Welt, der wird nicht mehr darauf verzichten wollen. Und der wird auch erkennen, welche Grad an Urbanität und Modernität dieser Musik innewohnt. Wie gegenwärtig sie ist und welcher Zusammenhang mit Präsenz und Körperlichkeit auf der Bühne sich daraus ergeben. Gegenwärtigkeit funktioniert nur dann, wenn Genregrenzen zerfließen und zugunsten des spielerischen Augenblicks außer Kraft gesetzt werden.

 

Das „Provinz-Problem“?

 

Eines bleibt im Kopf, neben einem grandiosen Konzert. Eine Aussage eines Musiker, die ich interessant finde. „Innsbruck hat ein „Provinz-Problem.“ Es ist nach wie vor erstaunlich, wie provinziell Innsbruck in der Programmierung seiner Konzerte und Festivals vorgeht, vor allem auch in solchen Bereichen, die Urbanität für sich in Anspruch nehmen, dabei aber zum Teil auch nur Konventionen, fixe Vorgaben und konkrete Publikumswünsche bedienen. Es muss gefragt werden, wie viel Radikalität, wie viel Freude am Niederreißen von Konventionen hier noch übrig bleibt.

 

Vielleicht ist das der Grund, warum wirkliche Experimente zum Teil an der Peripherie enstehen: Es sind Orte, die noch nicht beschrieben sind, an denen noch keine Strukturen, Konventionen, Vorgaben und Wünsche die Möglichkeiten reduzieren und auf etwas hin einschränken.

 

Ein Konzertabend, der vergessen ließ, dass man in Tirol war, gar in St. Johann, und der in dieser Form auch in Paris, London oder New York stattgefunden haben könnte. Dass sich nur ein paar „Freaks“ zum Konzert verirrt haben, ist schade, aber vielleicht nicht verwunderlich. Man wünscht den HörerInnen jedenfalls die offenen Ohren, die sie bräuchten, um in den Genuss dieser fantastischen Musik zu kommen. Und bedauert nach dem Konzert diejenigen, denen der Zugang verwehrt  blieb, oder vielmehr: Die sich aufgrund von Vorurteilen den Zugang selbst verwehren.

 

 

Markus Stegmayr

3 Comments

  1. Also "Provinz-Problem" sehe ich in Innsbruck keines, zumindest in Bezug auf Konzerte nicht. Innsbruck ist eine überschaubare Universitätsstadt mit nicht einmal 150.000 Einwohnern und bietet über das ganze Jahr verteilt einen bunten Reigen an Konzerten aus den unterschiedlichsten Bereichen. Sicherlich kann man sich immer mehr wünschen, aber vergleicht man Innsbruck mit anderen Städten dieser Einwohnerzahl kann man wirklich nicht klagen. Übrigens beweisen gerade deine Artikel wie vielfältig das musikalische Spektrum ist.

    •  @Frzyz the cat: Ja, du hast schon Recht. Ich erlaube mir hin und wieder aus meiner (bevorzugten) musikalischen Ecke heraus zu argumentieren.

      Und in Sachen zeigenössischer improvisierter Musik oder auch in Sachen aktueller Entwicklungen in Sachen "Neuer Musik" ist Innsbruck eine ziemliche Wüste.

       

      Aber ansonsten stimmt das schon: Das Programm in Innsbruck ist schon bunt. Mir fehlt nur manchmal ein wenig die "Abenteuerlust".

       

      Lg

      Markus

  2. Okay, das ist sicher ein Punkt, in dem wir übereinstimmen. Nur ist die Abenteuerlust der meisten Veranstalter eben auch abhängig von der tatsächlichen Nachfrage. Wenn dann fünf, sechs Leutchen rumstehen, hat das zwar auch was "Intimes", ist aber insgesamt eben ein Verlust. Nun ja, in den letzten Jahren hat Innsbruck aufgeholt und hoffentlich erleben wir noch viele musikalische Abenteuer!

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