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Music and the city (Vol. 37)

Am 31.05. (20:30 im Leokino) findet die Eröffnung des Festivals „Heart Of Noise“ statt, welches Innsbruck als temporäre musikalische Meteropole erstrahlen lassen wird. Die beiden Köpfe hinter diesem Festival, um das uns sogar Wien beneidet, sind Chris Koubek und Stefan Meister. Sie haben enge Genregrenzen hinter sich gelassen und sich auf die Trends und Tendenzen eingelassen, die zeitgenössische Musik anbietet.

 

Die Festivalmacher Chris Koubek und Stefan Meister scheuen dieses Jahr weder Tod noch Teufel, weder Elektronik noch Black Metal. Sie haben keine Berührungsängsten mit Dark-Ambient, mit technoiden, experimentellen und tanzbaren Sounds, mit Sounds, die man generell und überhaupt keinem Genre zuordnen kann. Kurzum: das Festival „Heart Of Noise“ könnte, auf den ersten Blick, ein wenig beliebig wirken. Dem Geschick von Meister und Koubek ist es allerdings zu verdanken, dass es einen „roten Faden“ gibt, der sich durch die verschiedensten Musikrichtungen zieht, die für einige Tage vielleicht friedlich nebeneinander und miteinander am Programm stehen werden, vielleicht aber auch in ihrer Zusammenstellung kontrovers diskutiert werden könnten. Das „Heart Of Noise“ ist kein gemütliches Festival, das man mal so nebenbei konsumiert, perzipiert und rezipiert. Es dürfte fast unmöglich sein, sich in allen Genres auszukennen, in denen die beiden Macher gewildert haben und aus denen sie Beachtliches und Erstaunliches zu Tage gefördert haben. Man merkt ihnen den Stolz an den sie haben, jetzt wo sie ihre monatelange Recherche endlich vorstellen dürfen und den Leuten zeigen können, wie zeitgenössische und experimentelle Musik im Heute klingen könnnte, abseits allzu enger akademischer Grenzen. Das „Heart Of Noise“ ist kein elitäres Festival, sondern ein Festival für alle, die auf der Suche nach dem musikalischen Abenteuer sind.

 

„Herz der Finsternis“…

 

Das „Heart Of Noise“ kümmert sich nicht um das radikale Experiment um des Experimentes Willen, will auch nicht die Hörgewohnheiten völlig verschieben oder gar zertrümmern, sondern auch die HörerInnen dort abholen, wo sie stehen, nur um ihnen zu zeigen, was alles möglich sein könnte, wenn man sich auf die Welt der experimentelle Musik einlässt. Dabei kann man ihnen unterstellen, dass manche Genres bewusst außen vor bleiben, da man sich von anderen Festivals ähnlicher Machart abgrenzen möchte. Vielmehr möchte man verschiedenste Spielarten von Musik anbieten, denen eines gemeinsam ist: der dunkle, bedrohliche, unheilvolle Unterton. Man könnte sagen, dass das „Herz“ des „Noise“ weniger hell strahlend, freundlich und bunt ist, sondern vielmehr düster, dunkel, melancholisch und dennoch nicht repetitiv und langweilig. Dieser „rote Faden“ zieht sich durch das gesamte Festival, auch wenn man durchaus Farben zulässt, auch Tanzbarkeit kann erwartet werden, auch Leute, die auf schräge aber interessante „Parties“ gefasst sind, werden vor allem in der „Afterhour“ auf ihre Kosten kommen.

 

„Close-Listening“…

 

Doch die Party wird sicherlich nicht im Mittelpunkt stehen, vielmehr wollen Meister und Koubek die Ohren öffnen, die HörerInnen dazu anhalten, diese zu spitzen und genau hinzuhören, gleich einem „close listening“. Es lohnt sich in die Klanglandschaften abzutauchen und sich an den Teils nur minimalen Änderungen zu berauschen. Vieles der angebotenen Musik steht in der Tradition der „Minimal-Music“, auch der Drone, der letztes Jahr beim „Heart Of Noise“ im Mittelpunkt stand, kommt letztlich, durchsetzt mit Metal-Einsprengseln, aus dieser Tradition. Man wird somit nicht oberflächlich rezipieren können, man wird sich vertiefen müssen, fast schon meditativ allem folgen müssen, ohne große Sprünge oder Brüche zu erwarten. Der Teufel steckt hier im Detail, in der Verschiebung, in der Überlagerung von Effekten, in der überrraschenden Bearbeitung von Material, das man eigentlich als altbekannt angeommen hatte. Auf der Ebene der Mikrotonalität und auf der Ebene der modernsten Möglichkeiten, Sounds zu manipulieren, scheint es, dass noch etwas geht, noch etwas möglich ist, noch nicht alles ausgeschöpft wurde. So gesehen erzählt das „Heart Of Noise“ eine schöne Geschichte, die auch eine Utopie nach der postmodernen Selbstreferenzialität formuliert: es gibt nicht Innovativ, wenn auch nur als temporäre und zäsurhafte Einschnitte, die den/die HörerIn herausfordern, sich auf ein Hörerlebnis einzulassen, anstatt den oberflächlichen Effekt zu verfolgen und diesen zu forcieren. Und dennoch hat das „Heart Of Noise“ es zugleich aufzugeben zu glauben, dass es völlige Neuheit gibt. Es gibt „nur“ Neuerung, Weiterschreibung, Modifizierung und Adaptierung. Man könnte auch sagen: es ist ein postmodernes Festival, das sich den ästhetischen Vorstellungen der „Moderne“ zurückhaltend annähert.

 

 Noch ein roter Faden…

 

Neben dem „dunklen“ Unterton, der diese oft heterogenen Strömungen eint, gibt es noch einen anderen, zweiten „roten Faden“, den man finden kann, wenn man sich durch das Labyrinth des 3-Tages-Festivals bewegt und sich dabei nicht dauerhaft verirren will: es handelt sich bei fast allen Bands um solche Acts, die klare Zuschreibungen und klare Definitionen ihrer Musikrichtung suspendieren und die klare Einordnung verunmöglichen. Man nehme dazu nur einen der Headliner, die Wolves In The Throne Room, die mit ihrer Mischung aus Black-Metal der „second wave“, zu der Bands wie Burzum, Mayhem oder Ulver gehören, und Drone- und Noise-Elementen zeigen, dass auch eine spielerisch und technisch sich in relativ engen Rahmen abspielende RIchtung wie Black-Metal noch etwas zu sagen hat. Die Wolves berühren mit ihrem Pathos und zeigen zugleich mit präzisen spielerischen und komposotorischen Kunstgriffen, dass sich der Black-Metal noch weiterentwickeln kann und man ihm Innovation abtrotzen kann. Ein besonders Glanzstück dürfte auch Demdike Stare sein, die mit allerlei okkultem Material liebäugeln, nur um dieses dann zeitweise in die Disco zu zerren und zu einem absurden, zitatreichen, dunklen Ereignis werden zu lassen, die den Tänzern unter den BesucherInnen sicherlich den einen oderen anderen Stein auf der Tanzfläche in den Weg legen wird.

 

Ein Highlight!

 

Es würde lohnen, noch andere Acts aufzuzählen, die Grenzen überschreiten oder zumindest neu definieren werden. Es wird ein abwechslungsreiches, buntes, glänzendes Festival, trotz der dunklen und düsteren Stimmung, die dort zu einem großen Teil geboten wird. Klar ist jedenfalls: wenn ein Festival wie das „Heart Of Noise“ in Innsbruck ZuhörerInnen findet, und diese immer mehr werden, dann gibt es keinen Grund zur Depression und zur Traurigkeit. Man kann auch lauthals jubeln, denn: Innsbruck wird, wie erwähnt, zur musikalischen Meteropole, nicht nur „just for one day“, sondern gleich für mehrere. Ein Grund zur Freunde!

Der Kolumnist erlaubt sich eine dringende Empfehlung auszusprechen hinzugehen und hinzuhören. So etwas bekommt man in Innsbruck garantiert nicht alle Tage geboten!

 

Zum Programm und zur Erleichterung der Programmplanung:

 

http://www.pmk.or.at/events/heart-noise-2012-er%C3%B6ffnung-mit-kreng-caretaker-aka-leyland-kirby-die-beh%C3%B6rde

 

http://www.pmk.or.at/events/heart-noise-2012-tag-2-demdike-stare-werner-m%C3%B6bius-mika-vainio-philipp-quehenberger-pure

 

http://www.pmk.or.at/events/heart-noise-2012-tag-3-wolves-throne-room-moritz-von-oswald-sun-glitters-jason-urick

 

Hörbeispiele findet man zu fast allen Acts in den Weiten des Internets. Eine Recherche bereits im Vorfeld lohnt sich!

 

 

 

Markus Stegmayr

4 Comments

  1. neue klänge und musikerlebnisse ebnen den weg zu einem bewusst-sein fernab von konventionen und konfektionen. möge das hno-festival die gehörgänge der hinspucka-bevölkerung wohlig durchspülen und harmonielügen lautstark aufreißen!

  2. @Bobby: Es spricht für dich, dass du nicht nur kritisieren kannst, wenn dir etwas nicht gefällt, sondern auch aussprechen kannst, wenn dir etwas zusagt.

     

    Ich bin gespannt auf den Auftritt von "Die Behörde" und werde natürlich kurz für Provinnsbruck darüber berichten.

     

     

    • ganz meinerseits markus.

      *händeschüttel*

      der artikel gefällt mir deshalb so gut, weil dieser leute, die womöglich überhaupt nichts mit der materie anfangen können, behutsam in das thema "heart of noise" einstimmt.

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