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Music and the city (Vol. 3)

Mit dem Begriff des ästhetischen, künstlerischen und örtlichen Dialogs lässt sich dieser außergewöhnliche Abend am besten beschreiben.
 
Das Le Placard (headphone)-Festival will vordergründig nur einen Dialog fördern und forcieren, den man als Dialog der Orte bezeichnen kann. Ab 19:00 fand in Frankreich ein Konzert statt, das live in die P.M.K. übertragen wurde, wobei die Live-Konzerte, die in der P.M.K. stattfanden wiederum nach Frankreich übertragen wurden. Doch mit diesem Konzept erschöpfte sich die Dialogizität des Abends nicht, sondern es war nur ein Hinweis, eine Andeutung eines viel tiefer gehenden Dialogs, der sich auf allen Ebenen des Abends spiegelte.
 
…Dialog der Stimmen
 
Als Lissie Rettenwander als Erste die Bühne betrat, trat sie in ein Zwiegespräch mit einem toten Autor, den man in Innsbruck nur zu gut kennt: Georg Trakl. Sie beschränkte sich jedoch nicht auf das bloße rezitieren des Gedichtes, sondern sie verwandelte es in Musik, in Stimme, in Sound- und Klangschichtungen. Mittels eines Loop-Pedals sampelte und loopte sie ihre Stimme, um danach eine neue Schicht aufzutragen, solange bis die Stimmen gegenseitig, untereinander und zum Teil auch gegeneinander in einen künstlerischen Dialog traten. Das Konzert war somit auf zweierlei Arten dialogisch gemeint und aufgebaut: das Gespräch mit dem toten Autor, der durch Lissie wieder zum Leben erweckt wurde und in eine andere Kunstform eingepasst und transferiert wurde. Der Autor sprach wieder, er sang plötzlich, durch eine fremde Stimme. Außerdem stand Lissie Rettenwander selbst in Dialog mit Sich, mit ihrem Ich, das niemals wirklich das ihre war, sondern stets nur eine mögliche und vorübergehende Identität annahm. Sie sang sich mittels der technischen Möglichkeiten selbst Lieder vor, erschuf ihren eigenen Chor. Auch mit ihren Instrumenten sprach sie und sprach durch ihre Instrumente –  wunderschöne Dialoge und magische Zwischenräume inbegriffen.
 
… Dialog der Künste
Der an das Konzert von Lissie anschließende Thomas Lehn schien einen ähnlichen Ansatz zu verfolgen, verfolgte das ästhetische Grundmotto des Abends jedoch auf einer anderen, musikalisch komplexen Ebene. Auf den ersten Blick standen auf der Bühne Gegensätze, allein durch den gemeinsamen Rahmen des Auftritts vereint und zusammengehalten. Lehn, der einen analogen Synthesizer auf virtuose und ungewöhnliche Weise bediente, trat in einen Dialog mit der Geigerin Tiziana Bertoncini. Die stark dissonanten, unter anderem an Stockhausen erinnernden Klanggebilde von Lehn trafen sich mit kratzenden, schrillenden, beruhigenden, verstörenden und wunderbaren Geigenklängen. Diese beiden Welten fanden sich immer wieder, stießen sich ab, kamen zueinander und waren, selten, in schönster Harmonie vereint, nur um sich dann wieder die Feindschaft zu erklären. Gewollter Dissens, produktives Aufbegehren und das Zusammenfügen von Disparetem – all das war Ziel dieses außergewöhnlichen Konzerts, letztlich natürlich auch, das Ziel per se zu suspendieren. Damit wird man vielleicht als an oberflächliche Schönheit gewohnte/r HörerIn nicht glücklich, dafür aber umso mehr als Klangabenteurer.
 
…Dialog der musikalischen Welten
 
Das abschließende 8-Bit-Konzert, das sich auch selbst schön mit „Nintendocore“ beschrieb, machte anschließend noch große Freude und regte zum Tanzen an. Auch hier fand ein Dialog statt: der zwischen vermeintlicher E- und U-Musik. Viele der Gäste wechselten problemlos vom Lehn Auftritt zum Gameboy-Konzert. Nicht zuletzt diese Brüche, diese postmoderne Friedlichkeit der Möglichkeiten, die sich auch im heterogenen Publikum zeigte, machte diesen Abend hochinteressant.
 

 

Markus Stegmayr

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