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Music and the city (Vol. 26)

Obwohl das Projekt von Wolfgang Mitterer, Josef Klammer und Martin Philadelphy einen sportlichen Namen trägt, nämlich "Badminton", verirrten sich gestern nicht allzu viele Leute ins Treibhaus, um ein Konzert zu sehen, das in seiner Lässigkeit und Abenteuerlust nur schwer zu überbieten war

 

Martin Phiadelphy, der an diesem Abend an der Gitarre zu hören war, bewaffnet mit einem knappen Dutzend an Effektgeräten und einer ausgereiften spielerischen Technik, wie man sie so nicht alle Tage zu hören bekommt, ist, folgt man einem Kommentar, der Frank Zappa Wiens. Das kann man so mal einfach stehen lassen, als Arbeitshypothese, obwohl das natürlich letztlich auch ein ausgemachter Blödsinn ist. Philadelphy, der sich dieses Mal mit besonders illustren Musikern zusammengetan hat, konnte es sich dann auch nicht verkneifen, dem Publikum einen "sportlichen Abend" zu wünschen, ehe es losgehen sollte. Ob das ein zynischer Kommentar auf die ausgeliebenen Leute war, die sich, statt sich an der musikalischen Abenteuerlust von Badminton zu berauschen, sich lieber die runtergekommenen Stereo MCs ansahen und überteuertes Bier bei der YOG tranken, bleibt unklar. Manchen Leuten ist einfach nicht mehr zu helfen, und letztlich sind dann doch, in einem Anfall von Toleranz geschrieben, die musikalischen Geschmäcker verschieden.

 

E und U…

 

Der eigentliche Gewinn ist, nebem dem grandios groovenden und dennoch vertrackte Rhythmen spielenden Josef Klammer, der Klangbastler Wolfgang Mitterer. Mitterer, der immer wieder gekonnt zwischen E und U oszilliert, sich auch mal in die Hochkultur wagt und in diesem Projekt eine ebenso gute Figur macht wie wenn er Bach sampelt und dazu noch ein wenig klingt wie eine gute Mischung aus Eno und Stockhausen. Dem gebürtigen Osttiroler war an diesem Abend alles möglich, er spielte sich durch die wüsten Gitarrenattacken von Philadelphy ohne aber den Fehler zu begehen, sie übertrumpfen zu wollen. Er spielte zurückhaltend, relaxt, mit dem richtigen Sound, dem richtigen Sample  und dem richtigen Akkord zur richtigen Zeit. Philadelphy stellte sich, mehr noch als man bisher ahnte, gestern als Gitarrist heraus, der die Falle des Virtuosentum gekonnt umschifft und zugleich dennoch aus den Vollen schöpfen kann. Seine Gitarre wagt sich in Free-Jazz-Gefilde vor, zitiert auch gekonnt Noise und No-Wave. Humor, wie man ihn Zappa zuschreiben konnte, war allerdings keiner zu vernehmen oder zu hören: dafür aber jede Menge Spielfreude.

 

Von Akkorden und Harmonik…

 

Man hatte  nie das Gefühl, dass hier zu viele Noten in zu kurzer Zeit gespielt wurden, es nur ein bloßer Show-Off war. Vielmehr entschied sich Philadelphy immer wieder mal, anstatt ein ewig langes Solo zu spielen, für die Dissonanz, für interessante und innovative Akkordarbeit. Diese war an diesem Abend stellenweise atemberaubend, die Bilder im Kopf, welche die Band zu erzeugen wussten, filmreif. Dabei wurde nie der offensichtliche und zu einfache Weg beschritten: anstatt, wenn es doch ausreichen würde, den nächsten Powerchord zu spielen und diesen dann einige Male zu schlagen, entschied sich Philadelphy sehr oft für außergewöhnliche Akkorde, die kaum von einem "herkömmlichen" Powerchord zu unterscheiden waren – zumindest im ungenauen hinhören. Doch genau das war der Punkt: Badminton zeichnet eine unglaubliche Liebe zum Detail aus, zum Umweg, zur Ausschweifung. Wenn dann doch der Finger noch auf der hohen E-Seite liegt und auch sonst etwas im Spiel ist, das wie eine Mischung aus einem B5 und einem Sept-Akkord aussieht, dann weiß nur der Genießer diese Kleinigkeit auszukosten. Badminton waren und sind in dieser Hinsicht eine Band für Kenner und Feinschmecker, die jedoch nicht elitär und arrogant erscheint, sondern die man auch mit geschlossenen Augen rezipieren kann, und sich an den teilweise fast in den Ambient hineinreichenden Sound-Wänden erfreuen kann. Man muss ja nicht wissen, was genau gerade passiert um zu hören, dass etwas passiert, das außergewöhlich ist.

 

Jazz oder nicht Jazz…?…

 

Die Band ist im gesamten eindeutig dem Jazz zugewandt, ohne jedoch Jazz oder gar Fusion zu spielen. Hier wird "Lärm" auf höchstem Niveau geboten: sowohl was Harmonik als auch Akkordarbeit, Sampling und Gefühl für Dissonanz betrifft. Das hier ist kein herkömmlicher Lärm, auch nicht um Sinne des Genres "Noise". Es war "Lärm" in einem Sinne, dass hier Hörbarkeit und rhythmische Machhbarkeit ausgelotet wurden und die Möglichkeit mitzuwippen immer auch wieder gleich suspendiert wurde – ohne jedoch zu gewollt zu wirken, eine Band zu sein, die Komplexität um der Komplexität Willen in den Mittelpunkt stellte. Komplexität hat hier Zweck und Funktion, die dient der Ausweitung der "Klangzone". Außerdem erlebte man eine Band, die trotz der Komplexität ihrer teils improvisierten und teils komponierten Tracks, eine Lässigkeit an den Tag legte, die stauen machte. Das Spiel wirkte nicht angestrengt, sondern federleicht, was wiederum zu ihrem Bandnamen hin führt.

 

Fazit: ein wunderbarer Konzertabend, der aber nach nur 70 Minuten auch schon wieder vorbei war, ebenso wie die Stereo MCs mittlerweile auch schon aufgehört hatten zu spielen. Was blieb war die Erinnerung an ein wunderbares Konzert und die Gewissheit, zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein. Und die Frage, ob es das Treibhaus nicht wagen könnte, noch mehr solcher Acts eine Auftrittsmöglichkeit zu geben, damit das Experiment wieder verstärkt ins Treibhaus Einzug halten kann.

 

 

Markus Stegmayr

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