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„Was ist heut das Wetter?“ Zu universitären Geschichtsbildern

Gustinus Ambrosi (1893-1975) hat sich als realistischer Künstler die ihm vorgegebene Wirklichkeit kritisch angeeignet. Seine Bronzeskulptur „Der Mann mit dem gebrochenen Genick“ hat Ambrosi als 16jähriger Kunstgewerbeschüler geschaffen. Er hat einen Dachdecker in die Tiefe abstürzen und diesen am Boden mit offenem Mund gesehen, als wollte dieser noch etwas sagen. Stefan Zweig empfiehlt den jungen Ambrosi seinem Freund Romain Rolland als einen „sehr sonderbaren Typus, ganz und gar genial“. Seine Büsten haben Charakter, meinte dann auch Rolland.

Eine der vielen Auftragsarbeiten von Ambrosi in Rom war die Porträtbüste von Ludwig Pastor (1854-1928), dessen auf vatikanischen Quellen basierende »Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters« (von 1305 bis 1799 reichend) in 16 Bänden und 22 Teilbänden mit Übersetzungen in das Französische, Englische, Italienische und Spanische Weltgeltung erlangt hat. Im März 2018 hat das Römische Institut der Görres-Gesellschaft eine eigene Tagung zu Leben und Werk von Pastor veranstaltet, über die L‘ Osservatore Romano prominent berichtet hat. Ludwig Pastor, seit 1886 Professor der Geschichte an der Innsbrucker Universität, vertrat, dafür fühlte er sich „berufen“, eine strikt römisch katholische Sicht.

Das Werk von Pastor war und ist weltweit in Bibliotheken zumal der katholischen Kirche verbreitet. Papst Franziskus hat, so in einem Gespräch wörtlich, das Hauptwerk von Pastor „sehr gerne gelesen“. An der Universität Innsbruck war im Rektoratsgang des Hauptgebäudes am Innsbrucker Innrain jahrzehntelang eine Porträtbüste von Ludwig Pastor von Ambrosi aufgestellt. Sie wurde vor etwa zehn Jahren entsorgt und verstaubt seit 2011 in einem Depot der Kunstgeschichte der Universität. An ihrer Stelle steht jetzt im Rektoratsgang eine vom nicht nur als Mäzen bekannt gewordenen Kunstliebhaber Herbert Batliner gestiftete Plastik des Künstlers Franz Pöhacker.

Über Ludwig Pastor gilt an der Universität Innsbruck die damnatio memoriae, er passt nicht mehr in die bei aller zeitangepassten Selbstenthüllung durchaus opportunistische Selbstverhüllung. Auch die Katholisch Theologische Fakultät Innsbruck, deren Ehrendoktor Pastor ist, will mehr oder weniger nichts mehr mit ihm zu tun haben. Sie möchte nach aussen hin ein anderes Selbstverständnis zelebrieren, weshalb ihr Dekan eine Aufstellung der Innsbrucker Pastor – Büste in der Bibliothek der Theologischen Fakultät ausdrücklich nicht wünscht. Es sei heute besser, so Seine Spectabilität, z.B. der Brüder Karl und Hugo Rahner oder ihrer vor 30 Jahren in El Salvador ermordeten Absolventen Ignacio Ellacuría SJ und Segundo Montes SJ zu gedenken. Die „dezidiert konfessionalistische und antimodernistische Ausrichtung“ von Pastor würde in direktem Widerspruch zum Selbstverständnis der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck stehen. Was für eine universitätstheologische Heuchelei! Gerade der Weg hin zur Befreiung, wie ihn Ellacuría SJ und Montes SJ gegangen sind, war nur auf Grund des Wissens von der Dialektik der Geschichte möglich. Und im übrigen gilt die Befreiungstheologie in Innsbruck ohnehin als „mausetot“, wie einer ihre Fundamentaltheologen vor fünf Jahren dem Autor persönlich und glaubhaft versichert hat.

PS:
Vor fünfzig Jahren hat der Autor einen sehr kritischen Artikel über „Ludwig von Pastor und die Innsbrucker Geschichtswissenschaft“ publiziert (Tiroler Heimat. Hg. von Franz Huter. Band 33, S. 53-68). Er wurde daraufhin nicht nur vom Kirchenhistoriker Ferdinand Maas SJ direkt aufgefordert, diesen Text zu widerrufen.

Gerhard Oberkofler

Gast

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