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Warum ich zur Donnerstagsdemo gehe

Eiskalt ist es im Jänner. Und trotzdem: Ich geh auf jede Donnerstagsdemo. Warum?
Weil ich dort Leute treffe, die ich seit vielen Jahren, manchmal Jahrzehnten nicht mehr gesehen habe. Alle, mit denen ich geredet habe, sind schockiert, empört, besorgt über das, was in Österreich, aber auch international ins Kippen gekommen ist. Denk nur beispielsweise an Trump in den USA, Bolsonaro in Brasilien oder den verrückten Staatschef Duterte auf den Philippinen, der verkündet, er würde lieber seinen eigenen Sohn erschießen, wenn der schwul wäre oder zur Lynchjustiz aufruft.

Das ist komplett das Gegenteil dessen, was dringend gebraucht wird: Statt für soziale Gerechtigkeit und Ausgleich einzutreten, driften Arm und Reich immer schneller auseinander und solche Regierungen setzen da auch noch Brandbeschleuniger ein. Statt für Abrüstung und Verständigung einzutreten, wird verbale Kraftmeierei betrieben, aufgerüstet und einmarschiert, wie jüngst Erdogan in Syrien. Statt sorgfältig auf unsere Umwelt und unseren Planeten zu achten, damit er eine Heimat für alle Menschen sein kann, wird rücksichtslos zerstört. Ob es die brutale Ausbeutung der Meere, der Bodenschätze, des fruchtbaren Landes, das vergiftet wird, die Verpestung der Luft oder die Zerstörung des sensiblen Klimagleichgewichtes ist. Das könnte einem schon depressiv machen, weil man sich zunächst ziemlich ohnmächtig fühlt, so allein.

Dazu kommt das Verwirrspiel der türkis-blauen Regierung in Österreich: Statt klar die Probleme zu benennen und – solidarische – Lösungen im Dialog mit den Betroffenen, Fachleuten und Interessenvertretungen zu suchen, werden die verschiedenen Gruppen gegeneinander ausgespielt und aufgehetzt. Was mich besonders kribbelig macht, sind die falschen Geschichten und Bilder, die in die Welt gesetzt werden. Der neue Bundeskanzler spielt dabei mit uralten Vorurteilen, zum Beispiel damit, dass Arbeitslose nur zu faul zum Arbeiten seien, obwohl sich um eine offene Stelle etwa sieben Arbeitslose raufen müssen. Und der aus falschen Geschichten die falschen Schlussfolgerungen zieht: Man müsse Arbeitslose nur damit „motivieren“, indem man den Druck auf sie erhöht, Panik vor dem sozialen Absturz schürt, indem man die soziale Absicheurung durchlöchert: Die Mindestsicherung wird gekürzt, die Notstandshilfe soll gleich abgeschafft, oder wie es in Verwirrsprache heißt, „in die Arbeitslosenhilfe integriert werden“. Wer ist schon gegen integrieren? Im Klartext bedeutet es aber die Abschaffung eines wesentlichen der drei elementaren Auffangnetze bei Arbeitslosigkeit. Ich weiß aus meiner Erfahrung mit hunderten Menschen, die sehr lange vergeblich Arbeit gesucht haben, dass es schwer ist, Arbeit zu finden, wenn man z.B. älter oder gesundheitlich eingeschränkt ist. Und ich bin immer wieder sehr beeindruckt, wie genau diese Gruppe in unserer Gesellschaft mit hohem Engagement für einen sozialen Aufstieg kämpft, obwohl sie sehr schlechte Karten hat.

Bei der Donnerstagsdemo treffe ich Gleichbesorgte, ähnlich Gesinnte. Es tut gut, zu sehen, dass Leute beginnen, diese Entwicklungen nicht einfach nur hinzunehmen, sondern darüber reden, sich austauschen, Besorgnis und Protest anmelden. Wir zeigen uns gegenseitig, dass wir nicht allein sind. Und ich hoffe, dass wir vom Protestieren auch ins Handeln kommen, um Alternativen zu diesem verheerenden Kurs der Regierung in die Welt zu bringen.

Wilfried Hanser

Die Donnerstagsdemo in Innsbruck ist jeden 2. und 4. Donnerstag im Monat, jeweils um 18 Uhr bei der Annasäule. Also heute, Donnerstag, 24. Jänner und das nächste Mal am 14. Februar.

Gast

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