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Vom Leben in der Großstadt

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Ich war neulich in Berlin, als Tourist wohlgemerkt, und habe diese Stadt wie schon oft genossen. Die freundlichen Menschen, die moderne Architektur, die vielen Museen und nicht zuletzt auch das vom letzten Krieg übriggebliebene und mit viel Liebe wieder hergerichtete, machen diese Stadt doch ziemlich einzigartig in Europa. Eine Stadt, in der ich mir auch vorstellen könnte, mal für längere Zeit zu leben. Das als kleine Einleitung zu einem Buch, das meinen heurigen Lesesommer sehr angenehm berührt und doch auch nachdenklich gemacht hat.

Friederike Gösweiner erzählt in ihrem im Grazer Droschl Verlag erschienenem Romandebut Traurige Freiheit in einer sehr ruhigen und feinen Art von der jungen Hannah,  Praktikantin, die sich mit viel Tatendrang nach Berlin aufmacht, um dort bei einer großen Tageszeitung vorerst als Praktikantin anzudocken, dafür sogar ihre Beziehung zu einem Jungmediziner aufgibt, weil der in der Klinik berufsmäßig schon hinreichend abgesichert ist und Karriere machen kann.

Was sich am Anfang gut anlässt – so kann Hannah etwa die Wohnung ihrer Freundin benutzen, die wiederum ein Praktikum in Moskau macht – wird  dann aber doch nicht zum großen Erfolg für Hannah. Denn ihre Hoffnungen, bei der großen Tageszeitung eine zumindest mehrere Jahre dauernde Anstellung zu bekommen, erfüllen sich leider nicht, und so ist Anna gezwungen als Kellnerin in einer Kneipe zu arbeiten. Dort lernt sie dann Stein kennen, einen älteren in den Medien tätigen Mann, von dem sie sich Hilfe für ihr berufliches Weiterkommen und  vielleicht auch Zuneigung erhofft. Aber  Hannah muss bald mal erkennen, dass Stein sehr zurückhaltend und vorsichtig ist, und aus dem ganzen dann am Ende doch nichts wird. So gesehen hat die Autorin auch diese Klischeefalle – älterer und mächtiger Mann fördert junge Studentin über Liebesbeziehung – gut umschifft.  So  läuft es für ihre Protagonistin in weiterer Folge nicht so gut. Sie hat keine Freunde in der Stadt,  und muss ihren Geburtstag alleine in der Stadt feiern,  am Handy etwa, wo sie eine SMS ihres Exfreundes empfängt.

Es ist die vielzitierte „Generation Praktikum“, von der die Autorin da erzählt, und sie tut das in einer sehr packenden und nachvollziehbaren Weise in einem „Wechselspiel von Hoffnungen, Resignation und Aufbruch“.  Die Großstadt als Topos vieler literarischer Werke, auch hier wird das Leben  in ihr  nachvollziehbar, in ihren vielen Facetten widergespiegelt im Leben einer jungen Frau, die gar nicht so viel will als eben das zu finden, was sie zum Leben benötigt: Freunde, Liebe und eben auch einen Job,  bei dem sie gerade so viel  verdient, um sich unabhängig darin bewegen zu können.

So soll über weitere Leben Hannahs nur so viel verraten sein, als dass wir sie am Ende gerne in die Arme schließen würden und ihr alles Gute für die Zukunft wünschen.

Friederike Gösweiner: Traurige Freiheit. Literaturverlag Droschl. Graz – Wien. 2016

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Helmut Schiestl

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