0

VERDIENT EIN MÖRDER EIN REQUIEM?

 

CLEMENS LINDNER (Jahrgang 1969), Schriftsteller, Hispanist, Regieassistent und Mitarbeiter des Tiroler Landestheaters, präsentiert am Pfingstdienstag im Foyer des Großen Hauses im Rahmen einer Lesung mit dem provokanten Titel Das Ungeheuer von Tirol. Requiem für einen Mörder seinen neuen Roman Das schwarze Loch.

Die Überschrift der Lesung weckt Neugier, kennen Kulturinteressierte den in Hall geborenen Lindner als Krimierzähler erst von Waltherpark (2016) her oder von seinem Opernlibretto Der Kopf des Mordok Halsman zu einem faktischen, bis heute aber ungeklärten Tiroler Kriminalfall.

Entzauberte der Autor bei letzterem vornehmlich die von antisemitischen Strömungen in der Tiroler Gesellschaft der Zwischenkriegszeit stark beeinflusste damalige Gerichtsbarkeit, setzt sich der wegen Verübung entsprechender Kurzgeschichten vom laut Eigendefinition Literatur-Dealer Helmuth Schönauer als „Meister des schnellen Schnitts“ charakterisierte Mords-Erzähler im schwarzen Loch nochmals mit einer Phase negativer Tiroler Heimatkunde auseinander: mit dem ultrastarken Tobak des ausschließlich an weiblichen Opfern interessierten mehrfachen Sexualmörders  GUIDO ZINGERLE.

Goss Lindner den einst politisch hochbrisanten (Sündenbock-)Fall Hausman in die Form eines Operntexts, die bei einem naturgemäß so gesellschaftsrelevanten Sujet nicht verwundert, reifte ihm der nun bereits zweite historische Kriminalfall möglicherweise wegen des hier auf den ersten Blick bloß „privaten“ Mörder-Protagonisten zur weniger spektakulären Gattung Roman – mit dem Motto Requiem für einen Mörder.

Wie sehr das sogenannte „Ungeheuer von Tirol“ Frauen in der Nachkriegszeit quälte und sterben ließ, ist freilich auch im Licht der Erfahrungen einer Generation zu beleuchten, die im Zeitalter der Extreme zwei Weltkriege erlebt hat, und Asozietät vor allem in Zusammenhang mit damaligen Bildern von Wesen und Rollen „der“ Frau.

Solche Kontexte wird Clemens Lindner am Dienstag und in seinem Buch nicht vermissen lassen. Im Mittelpunkt seiner Bewältigung des Themas steht jedoch vorwiegend die individuelle Frage nach Verzeihbarkeit von Verbrechen eines Mörders, zumal eines Mehrfach- und mehrfachen Sexualmörders.

Bei der Annäherung an den Stoff ergriff den Autor im Wahrnehmen des Bemühens um musikalische Umsetzung seiner Texte Verdis Requiem:

Bricht doch gerade Giuseppe Verdis Melos so sehr Versöhnlichkeit eine Bahn.

Lassen wir nun bald den Autor selber dieses Extremsujet illustrieren und ihn Beurteilungszugänge vorlegen!

 

Lesung: Das Ungeheuer von Tirol. Requiem für einen Mörder. Der neue Roman von Clemens Lindner.

Dienstag, 22. Mai, 20 Uhr –  Foyer Landestheater.  Eintritt frei.

Michael Voldrich

 

Gast

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert