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Treffen sich zwei Jäger_Innen….

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Überpopulation…Regulierung brabbelte der in dunkelgrünem Loden gekleidete Mann in meine Richtung. Den Hut mit allerlei merkwürdigen Ansteckern und einem Gamsbart behangen.
Überpopulation…Regulierung tönte es wieder durch eine dezente Alkoholfahne.

Außer mit einigen Exemplaren in meiner näheren Verwandtschaft – eh klar, sind ja alles gestandene Tiroler_Innen – war das einer der ersten Jäger mit dem ich ins Gespräch kam.
Und zwar anlässlich einer Tierrechtsdemo gegen die Tiroler Jagdtage 2002.

Seitdem hat sich viel getan auf dem politischen und aktivistischen Themengebiet der Jagd.

Regelmäßige Kundgebungen bei Jagdmessen, Jagdstörungen – sogenannte Treibjagdsabotagen – letztere mehr in Ostösterreich, weil sowas in dieser Größenordnung, in erster Linie aufgrund der geographischen Gegebenheiten, in Tirol nicht stattfindet.

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Allein die vermeintlichen „Argumente“ der Jäger_Innenschaft blieben dieselben.
Obwohl diese – vor allem auch aus den eigenen Reihen, und das bestimmt nicht Absichtlich – immer öfter als platte Rechtvertigungsversuche demaskiert werden.
Verkündete ja zum Beispiel der Tiroler Landesjägermeister Paul Steixner 2003 in der Tiroler Tageszeitung in naiv-heiterer Aufrichtigkeit: »Welcher Waidmann geht auf die Jagd, weil er den Wald retten will oder weil ihm die Natur so gefällt?« …»Es sind unsere Halbwahrheiten, die uns den Umgang mit der kritischen Öffentlichkeit noch schwerer machen.« ….»
Es gibt kein gutes Argument auf einen Auerhahn zu gehen oder eine Gams im hochalpinen Gelände zu bejagen – außer man ist ehrlich und sagt: ja, ich will in guter Tradition Beute machen!«
(Tiroler Tageszeitung, 09.06.2003).

„…in guter Tradition Beute machen“ damit kommen wir dem Kern der Jagd schon näher.
Wird diese vielzitierte „Überpopulation“ gar künstlich hochgehalten, damit die wackeren Waidfrauen und -Männer was zum schießen haben?
Massive Winterfütterung und nachweisliche Zucht von sogenannten „Jagdtieren“ allein für einen herzhaften Schuss, eine kapitale Trophäe?

Spätestens seitdem bekannt wurde, dass der in Bulgarien von einem deutschen Jagdgast erschossene „Weltrekordhirsch“ in Wahrheit der zahme Zuchthirsch Burlei aus einem Gatter in Braunau in Oberösterreich war, wurde diese Jagdpraxis Thema. Obwohl in nur noch 4 von 9 Bundesländern in Österreich die Jagd im umzäunten Gatter erlaubt ist (Wien, Burgenland, Niederösterreich und Salzburg), bleibt die Trophäenjagd auf Zuchttiere noch immer alltägliche Praxis. Nur im Zuchtgehege lässt sich mittels Hormonen ein besonders großes Geweih erzielen. Diese Tiere werden dann einfach im Revier ausgesetzt und für mehr als € 15.000 zum Abschuss freigegeben. Der VGT (Verein gegen Tierfabriken) fordert daher ein bundesweites Verbot der Zucht von Tieren für die Jagd.

Seit einigen Wochen befindet sich die Tierrechts- und Tierschutzbewegung in Österreich in der heissen Phase im Kampf gegen einer der groteskesten Auswüchse der Jagd.
Die sogenannte Gatterjagd und die Jagd auf eigens dazu gezüchtete Tiere.
Leider wissen noch immer viele Leute nicht, dass solche Praktiken sehr weit verbreitet sind; hat die Jäger_Innenschaft natürlich mehr als genug Gründe, diese für sich zu behalten.
…wer würde sonst noch das Märchen von Überpopulation und Regulierung oder der „Hege“ glauben?
Deshalb unterstützen auch Aktivist_Innen in Tirol diese bundesweite Kampagne.

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In erster Linie muss natürlich die Bevölkerung über diese Auswüchse informiert werden.
So fand zum Beispiel in der Theresienstrasse eine Aktion mit viel medialer Beteiligung statt bei welcher ein Hochstand aufgebaut wurde und Verkleidete Jäger_Innen mit Masken von Pröll und Mensdorff-Pouilly in einem aufgebauten Gatter Tiere (wiederum verkleidete Aktivist_Innen) erschossen.

Immer wieder – viele haben es hoffentlich schon mitbekommen – stehen Aktivist_Innen derzeit zur Rush-Hour am Abend an stark befahrenen Straßen und informieren die Autofahrer_Innen mittels großer Transparente.
„JAGDVERBOT AUF ZUCHTTIERE!“ war bereits mehrmals in Tourist_Innengruppen vor dem Goldenen Dachl zu sehen. Immer wieder zur Rush-Hour in alle Fahrtrichtungen bei der Gassmayer-Kreuzung und sogar im Kreisverkehr bei der Olympiahalle stehen Aktivist_Innen mit Transparenten in alle Fahrtrichtungen.

In unzähligen Gesprächen welche die Aktivist_Innen mit Passant_Innen führen stellt sich noch immer heraus dass große Teile der Bevölkerung die Verbreitung dieser Jagdpraktiken trotz einer grundlegenden Skepsis der Jäger_Innenschaft gegenüber nicht für möglich halten.

In abgezäunten Bereichen werden Hirsche mit dem Hauptaugenmerk auf große Geweihe mittels Hormonen gezüchtet. Erschossen werden die fast zahmen Tiere dann direkt im Gatter. Tiertransport LKWs, beladen mit gezüchteten Wildschweinen. Die verängstigten Tiere werden gezielt für die zahlende Jagdgesellschaft ausgesetzt.

Gezüchtete Rebhühner werden in Kisten in ein Jagdgebiet transportiert um dort kurz darauf von der gehobenen Meute gutsituierter Waidfrauen und -Männer abgeknallt zu werden.
Letzteres Szenario wurde vor wenigen Tagen bei einer Jagd des berüchtigten Waffenlobbyisten Graf Mensdorff-Pouilly im Burgenland dokumentiert. 30 Tierrechts- und Tierschutzaktivist_Innen verhinderten hier mit ihrer bloßen Anwesenheit dass nur ein einziger Schuss gefallen ist.

Mensdorff-Pouilly erklärte dazu, dass er von einer Jagd in seinem Revier nichts wisse, wäre er doch zu besagter Zeit auf Gamsjagd in Tirol gewesen.
Weiters kommern natürlich die bekannten Pseudeoargumente: „Das Aussetzen von gezüchteten Tieren soll primär der Aufrechterhaltung des Niederwildbestands dienen.“ so Agrarlandesrätin Verena Dunst (SPÖ) – ach? Da werden Tiere unter Zugabe von Kraftfutter und Hormonen gezüchtet, mittels Tiertransportern ins Jagdgebiert gefahren, und wenige Stunden danach systematisch abgeknallt; und sowas dient der „Aufrechterhaltung des Niederwildbestandes“?

Das Videomaterial welches vor Ort aufgenommen wurde spricht eine deutliche Sprache. Dazu Martin Balluch, Obmann vom VGT Österreich: „Diese Zuchttiere sind in der freien Natur aber nicht überlebensfähig, weil sie zum Beispiel gekürzte Schnäbel haben. Im genannten Jagdrevier ist auch kein Niederwildbestand vorhanden. Die Tiere werden kurz vor der Jagd ausgelassen, abgeschossen und sind wieder weg. Das ist das Gesicht der Jagd auf Zuchttiere, wie es vor den Augen der Öffentlichkeit verheimlicht werden sollte.

Harmlose Wildtiere, die in der freien Wildbahn nicht lebensfähig sind, ihre Schnäbel kupiert, warten in Kisten darauf, dass komplexbeladene Mitmenschen mit Schrotladungen auf sie ballern können. Armselig! Niemand mit auch nur einem Funken Verstand und einem Herzen in der Brust kann so etwas goutieren!“
Der VGT hat gegen Mensdorff-Pouilly Anzeigen erstattet und fordert Bestrafungen wegen Tierquälerei und Entzug seines Jagdscheines! Weiters wurden 16 Rebhühner befreit und in die Obhut des Wiener Tierschutzvereins übergeben!

Im Zuge der Ermittlungen gegen mich im Rahmen des sogenannten „Tierschützerprozesses“ wurde ich ja auch des „Diebstahls“ beschuldigt. Des Diebstahls – besser gesagt der Befreiung von Zuchtfasanen aus Kisten des Waffenlobbyisten Mensdorff-Pouilly; nun, bekannterweise wurde ich in allen Punkten freigesprochen. Aber Hand aufs Herz Herr Graf: Um derartige Missstände in Zukunft zu vermeiden wärs doch das Beste für alle Beteiligten, wenn die Jagd auf gezüchtete Tiere schnellstens gesetzlich verboten wird. Was sagt du Ali, Deal?

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Chris Moser ist Familienvater und arbeitet als bildender Künstler (www.radikalkunst.net),
Buchautor („die Kunst Widerstand zu leisten“ 2012 u. „m.E (meines Erachtens)“2013; beide Kyrene Literaturverlag; „Galerie des Entsetzens“ Bild- und Gedichtband mit Tobias Hainer; Seitenhiebverlag 2014) Aktivist, Betreuer an einer freien Schule und Restaurator von archäologischen Bodenfunden.

Gast

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