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Sommer in der Stadt …

Gestern schöner Sommertag mit Gewitter, würde wohl ein Jahrhundertwendeschriftsteller in sein Reisetagebuch schreiben. Im Café gesessen und Zeitung gelesen. Dann ab ins Promenadenkonzert. Dort spielt eine italienische Kapelle mit den Namen Filarmonika Mousikè wundervollen Rock vom feinsten, also nicht das klassisch gewohnte Blasmusikrepertoire. Mit E-Gitarren, Pauken und Trompeten wird der malerische Innenhof der Hofburg in eine fast rocknostalgische Arena verwandelt. Eine junge Frau direkt vor mir, tippt ihrer Freundin den Rhythmus der Musik auf deren Schulter. Dazu gesellen sich Regentropfen, ein Gewitter, das schon länger sich müht, aufzuziehen, wie der Donnergott im Freilufttheater, welches zu besuchen ich mir gerade noch überlege – ob die wohl spielen bei dem jetzt doch immer heftiger einsetzen Regen? – oder ob ich doch noch in ein anderes Café gehen soll und mich weiter der Zeitungslektüre widmen.

O.k., warten wir noch ein wenig, bis die letzten Klänge der Musikbanda verklungen sind, es gibt noch eine Zugabe, aber kein tschingderassabum, sondern ein schöner langsamer Satz aus amerikanischer Bläserharmonik oder doch was anderes? Komponist und Titel werden nicht mehr verraten. Dann erneut tosender Applaus. Der Regen wird heftiger. Jetzt … was tun? Die Menschen verteilen sich in der Altstadt, suchen die Restaurants und Cafés auf. Soll ich doch noch rüberschauen in den Waltherpark, wo organisiert von der rührigen Kulturinitiative Vogelweide unter dem vielsagenden Titel Theater unter Bäumen ein Theater gegeben wird? Eben ein Freilufttheater, von dem ich so gut wie nichts weiß, wer spielt und was gespielt wird. Egal. Ich riskier’s. Über die Fahnenbewehrte Brücke. Alles nass dort im schönen Park, ein paar Scheinwerfer beleuchten die Szene.

Ein Stand wo es Pakistanisches  Essen  und Bier zu trinken gibt. Die paar, die ausharren, haben ihre Schirme aufgespannt oder die Kapuzen ihrer Jacken aufgezogen. Es wird noch herumüberlegt,  Spielen wir, spielen wir nicht. Man wartet. Der Regen lässt ein bisschen nass. Kühler Wind weht immer wieder in leichten Brisen über die Szene. Dann, kurz entschlossen, tritt ein Mann an die kleine hölzerne Bühne: „Wir fangen jetzt an“ und dass die Leute näher zur Bühne kommen sollen, wegen der Akustik, versteht sich. Und dann geht’s los.

Das Stück heißt Tape, sein Autor heißt Steven Belber, von dem ich, zugegeben, noch nie was gehört habe. Aber egal. Es ist eine Dreiecksgeschichte, zwei Männer und eine Frau, und es geht um was es in so einer Konstellation immer geht: der eine liebte, der andere liebte. Es ist ein Stück eigener Vergangenheitsbewältigung aus der High-School-Zeit. Zwei Freunde liebten eine Frau, dem einen war sie zugetan, dem anderen nicht. Man trifft sich nach annähernd zehn Jahren wieder. Der eine ist Feuerwehrman geworden, und hat den jugendlichen  Lebensidealen nicht abgeschworen, der andere will mit Film Karriere machen. Die junge Frau strebt eine Richterlaufbahn an. Mehr sei hier nicht verraten. Denn das Stück wird heute Abend um 21 Uhr im Waltherpark noch mal aufgeführt, und sei allen Theaterfreudinnen und Freunden empfohlen, die sich eventuell auch mit Regenschirm oder Regenmantel ausgerüstet auf ein Stück einlassen wollen. Was die drei Darsteller/innen – Laura Theis Steinhöfel, Benjamin Lang und Benedikt Vyplel – zeigen, ist wirklich zum Feinsten, was gerade gestern Abend unter widrigen Wetterbedingungen nicht so einfach war.

Am Anfang wird zwar ein bisschen herumgeblödelt, es wird viel Bier verschüttet, aber dann gewinnt das Stück an Schärfe und Intensität, ein Kammerspiel, bei dem jede Regung zählt, jedes Wort in die Waagschale geworfen wird, und Spannung bis zum Ende bleibt. Mir hat’s jedenfalls gut gefallen, und denke, den anderen ist es auch so gegangen, wie der Applaus am Ende gezeigt hat.

Ort:  VOGELWEIDE, Waltherpark.

Zeit: Sonntag, 30. Juli,

Beginn 21 Uhr; Einlass 20 Uhr.

 

Helmut Schiestl

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