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SakralRaum: Iteration 1

Ein Prozess der RaumFindung. Kann das Ungreifbare begreifbar gemacht werden? Ein Kollektiv von Tiroler Künstlerinnen und Künstlern hat sich die Beantwortung dieser Frage zur Aufgabe gemacht. Seit bald einem Jahr suchen sie ihre persönliche Definition des Sakralen.

Unter dem Titel „Sakralraum: Iteration 1“ präsentieren sie am Osterwochenende den bisherigen Stand dieser Auseinandersetzung als Auftakt der Veranstaltungsreihe VORBRENNER15 im Freien Theater Innsbruck. Der schwarze Raum wird dafür von 3. bis 5. April täglich ab 10:30 für Publikum geöffnet sein. Zu den Messzeiten (Karfreitag 15:00, Karsamstag 19:30, Ostersonntag 10:30) finden an den Osterritus angelehnte Inszenierungen statt.

 sakralraum-symbolbild

Für ludwig technique schien die Aufgabe am Anfang noch klar: „Wenn ich mir eine Kathedrale ansehe, dann sehe ich viele Menschen, die gemeinsam über Generationen an einem großen Projekt gearbeitet haben. Jeder konnte in seiner Lebenszeit nur einen kleinen Teil am Bau mitarbeiten. Aber egal wie klein oder unscheinbar der Beitrag war, jeder Arbeiter hat ihn mit seiner vollen Aufmerksamkeit und Hingabe gemacht. Dieses Gefühl möchte ich im Ansatz erfahrbar machen.“

Bald wurde den teilnehmenden Künstlerinnen und Künstlern jedoch klar, dass sie sich mit der Wahl des Themas auf gefährliches Terrain gewagt hatten. Zwischen organisierter Religion und persönlicher Spiritualität liegen Welten. Die Möglichkeiten der künstlerischen Auseinandersetzung damit spannen sich auf zwischen Satire und Selbsterfahrung, und alle haben ihre Tücken.

So besteht die Gefahr der offenen Anfeindung durch Menschen, die sich oder ihren Glauben lächerlich gemacht sehen. Genauso können sich aber auch die Künstlerinnen und Künstler selbst der Lächerlichkeit preisgeben. Den Drahtseilakt über diese Abgründe zu wagen ist eine Herausforderung, der sich das Kollektiv dennoch stellt.

„You can take the boy out of catholicism, but you can’t take catholicism out of the boy“ sagt Christoph Fügenschuh, „auch wenn uns das Thema ernst ist, darf der Humor nicht zu kurz kommen.“ Für ihn besitzt das Thema auch einen ganz persönlichen Aspekt, der ihn mit ludwig technique und Stephan Payr verbindet. Alle drei sind in ihrer Erziehung katholisch geprägt und haben sich in ihrer Jugend aktiv in der katholischen Kirche engagiert.

Später haben sie sich dann aber eben wegen ihrer Beschäftigung mit dem Spirituellen von der Religion abgewandt. Stephan Payr, der seine spirituellen Erlebnisse und Ansichten in einen Text gefasst hat, erklärt diesen Umstand so: „Einzelne Personen in der Kirche haben auf mich einen sehr starken Eindruck hinterlassen. Aber die Kirche als politische Organisation hat für mich zu viele Abgründe und widerspricht in der Praxis ihrer Lehre.“

Alexander Roshe geht es beim Sakralraum um die affizierende („erleiden-machende“) Wirkung der Haltung auf die Wahrnehmung. Seit Jahren beschäftigt er sich als Künstler mit dem Thema „Arbeit und Kunst“. Dabei interessieren ihn besonders die wechselwirkenden Abhängigkeiten zwischen poietischem (zweckgerichtetem) und praktischem bzw. theoretischem Handeln. „Wenn ich mich ganz auf die Aufgabe vor mir besinne, sie für den Moment zum Einzigen mache, was ich tue – da erlebe ich den Zustand der gleich-gültigen Aufmerksamkeit.

Dabei macht es keinen Unterschied, ob ich ein Bild male, eine Wand streiche, oder koche. Alle Tätigkeiten verdienen die gleiche Wertigkeit, damit sie berühren können. Maßgeblich für das Ergebnis ist meine Haltung dazu, denn die Arbeit am Werk ist immer auch Arbeit an mir selbst“. Eine wesentliche Eigenschaft des Sakralen, finden auch die anderen im Kollektiv.

Die Wirkung der Handlung und Haltung ganz persönlich zu erfahren ist auch ein Aspekt der Annäherung von eekhoorn, Helga Hauffe und Frau Syl an den Sakralraum. Die drei Künstlerinnen haben unabhängig voneinander die Wiederholung als Kern ihrer Performances gewählt.

Dabei versuchen sie, ähnlich dem Beten eines Rosenkranzes oder dem Aufsagen eines Mantras, eine momentane Auflösung ihrer Selbst-Wahrnehmung zu erreichen. Die Mittel, die sie gewählt haben, sind entsprechend ihrer jeweiligen Arbeitsweisen und -felder jedoch sehr unterschiedlich.

eekhoorn setzt sich in ihren Arbeiten häufig mit den Themen Kultur, Kult und Religion auseinander. Die Mediendesignerin und Illustratorin widmet ihren Seitenaltar dem Wald: „Wenn ich mich im Wald aufhalte, mich völlig von Natur umgeben fühle, spüre ich wie Alles mit Allem verbunden ist. Das ist für mich ein Wesen des Sakralen.“

In ihrer „Mooskapelle“, die von der japanischen Tradition des Shintoismus inspiriert wurde, wird sie in einer „Live Drawing Performance“ an fraktalen Mustern zeichnen, um sich dadurch in Trance zu versetzen. Die Zeichnungen selbst werden über den Lauf der Aktion die Kapelle füllen und sie dadurch verändern.

Frau Syl, die sich selbst als Literarin (sic) bezeichnet, möchte „den Bedeutungskonsens der Worte ausdehnen und sprengen, um den sakralen Raum jenseits von Sprache er-lebbar machen“. Sie will damit nachempfinden, was Clarice Lispector in „Die Passion nach G. H.“ so ausdrückt: „Mein Leben war von eben solcher Dauer gewesen wie der Tod. Das Leben ist von so großer Dauer, dass wir es in Etappen einteilen und eine davon nennen wir Tod. Ich war immer nur lebendig gewesen, und es hat nicht viel zu bedeuten, dass es im Grunde nicht ich war, nicht das war, was ich beschlossen hatte, ich zu nennen. Ich war immer nur lebendig“ und stellt sich die Frage, ob der Tod nicht nur ein sprachliches Phänomen sei.

Helga Hauffe sagt über ihre Teilnahme am Sakralraum: „Ich befinde mich im Zwischenraum. Entsprechend den universellen Gesetzen werde ich mich der Gesamtheit des Augenblicks zur Verfügung stellen, was auch immer das bedeutet.“

Diese Form der „Selbstaufgabe“ im Dienst des Projekts teilt auch Jana Bereiter. Die Innsbrucker Malerin weiß noch nicht, wie ihr Beitrag konkret aussehen wird. Sie will sich in der Karwoche von der Atmosphäre im Prozess der RaumFindung inspirieren lassen.

Als Mantra für diese Arbeit zitiert ludwig technique einen Satz, den Frau Syl in Anlehnung an Georges Bataille in der Vorbereitungszeit zum Projekt oft gesagt hat: „Kunst ist Verschwendung.“

 http://uni.v3r.se/sakralraum/

Text: KünstlerInnen-Kollektiv SakralRaum, Redaktion Provinnsbruck

Anja Larch

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