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Nicht jeder Sammler ist ein Gauner! – Haussammlung der Gehörlosenvereine

 thommy weiss/pixelio.de

Gestern, 1. Jänner 2012, ca. 17.00: Mahhh! Es läutet und ich mach die Tür auf und draußen steht so eine gehörlose Frau. Sie sagt „Halllooooo!“  und hält mir ein Schild „Haussammlung“ vor die Nase. Dann hab ich die Tür zugeknallt. Wie eine Furie hab ich wahrscheinlich gewirkt. Ziemlich sicher sogar. Eigentlich bin ich keine geizige böse Frau. Oder? Aber gestern eben schon.

 

Vorgeschichte: Ich – Weihnachten allein zu Hause. Letzte Woche läutete es nämlich an der Tür, wie neurdings so oft. Wie eigentlich immer, wenn ich untertags mal zuhause bin: Jedesmal kommt ein Hausierer oder eine Hausiererin daher. Die einen wollen was verkaufen, was ich sicher nicht brauche, die anderen sind pragmatischer und fordern gleich Geld. „Ostbanden-alarmiert“ wie ich bin, mache ich untertags schon gar nicht mehr die Türe auf!

Letzte Woche aber habe ich auf ein Paket gewartet und es läutet. Natürlich mach ich ganz spontan auf (das Guckloch war zu verdreckt, als dass ich den Schatten vor der Tür zuordnen hätte können): Steht eine Südländerin mit blinkenden Goldzähnen (!) vor meiner Tür, lacht mich an und sagt: „Schenes Frrrau, alles Gutes fir dich und deine Familie …“ Ich unterbrech sie barsch und frag, was sie will. Sie hält mir die Hand hin und sagt: „Ein bisschen Geld!“ und hat schon den Fuß und die Hand in der Tür. Ich wollt die Tür zuknallen – ging natürlich nicht mit ihrem Fuß und ihrer Hand in der Tür. Ich frag, um Zeit zu gewinnen und zu überlegen, ob ich es riskieren kann, die Geldtasche in der Küche zu holen: „Geld für was?“ Sie fängt sofort theatralisch an zu weinen und sagt „zum Essen“. Dann hab ich ihr 2 Euro gegeben, die ich zufällig im Hosensack hatte (die praktische Einkaufswagerl-2Euromünze, die man zur Not im Sack hat). Ich hätt sie sonst nicht rausgebracht, ohne sie tätlich anzugreifen, die Frau. Dann: War sie raus und ich hatte Wut und gleichzeitig ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Ambivalent halt: Weil vielleicht war sie ja nur eine wirklich arme Frau ohne Bandenhintergrund. Aber wer weiß!?
Und wieder zurück zum 1. Jänner 2012 gegen 17.00: Und gestern hab ich also überreagiert. Dann hatte ich den ganzen Abend ein schlechtes Gewissen, das mir meine lieben Eltern beim abendlichen Fisch-Fressen (Mutterns Kater-Kur für den Neujahrsabend) auszureden versuchten, weil ja am Sonntag, den 1. Jänner sicher keine unangekündigte Haussammlung stattfindet, wie sie mir versicherten. (Und wir Kinder wissen ja: Eltern haben immer recht, weil sie haben ca. 25 Jahre mehr Lebenserfahrung!)
Nur mein lieber Freund H.J.S. (Name zur Unkenntlichkeit verstümmelt), ein begnadeter Weintrinker und Wasserprediger, ein moralinsaurer Tiroler Schütze hat mir gestern via Facebook gleich eine Neujahrspredigt gehalten:“Ängstliche Klemmerin“ und „selbstgerechte Prosecco-Tante“ nannte er mich nämlich zärtlichst, der alte Franzosen-Vertreiber! 😉

Und noch brutaler natürlich mein lieber Ehemann, der nämlich ganz in Eintracht mit dem genannten Schützen in meinem schlechten Gewissen herumstichelte und mir dann heute Morgen zum Frühstück die TT triumphierend auf mein Tellerchen legte – mit der Ankündigung der Haussammlung des Gehörlosenverbandes … oje, oje, oje!

Nun, die Schadenfreude von meinem lieben Mann, dem lieben Schützen H.J.S. und schlussendlich meiner lieben Freundin B. (ihres Zeichens Religionslehrerin!) war groß! Sie sei ihnen vergönnt.

Ich hab mich per Mail gleich beim Tiroler Landesverband der Gehörlosen entschuldigt und eine Spende direkt an den Landesverband überwiesen. Herr Steixner, der Landesverbandsleiter, hat mein Mail gleich der Dame von vor meiner Tür weitergeleitet. Ich hoffe, sie wird mir verzeihen.

Also liebe provInnsbruckerInnen:
Das Böse ist bekanntlich immer und überall. Gebt weiterhin brav Obacht vor den bösen Banden! 😉 Aber bedenket: Nicht jeder Sammler ist ein Gauner. Jedenfalls, der Tiroler Landesverband der Gehörlosenvereine sammelt vom 1. Jänner bis 29. Februar. Wer die Sammler verpassen sollte oder wer gestern oder heute eine höfliche Dame oder einen höflichen Herrn – so wie ich – hinausgegrausigt hat, kann auch direkt aufs Konto überweisen:

Tiroler Sparkasse, Bankleitzahl 20503, Kontonr.: 0000-036574
Ein gutes Neues wünscht euch
Christine

Christine Pernlochner

8 Comments

  1. Hast Du da vielleicht nicht was verwechselt? Vielleicht waren’s die Sternsinger, verkleidet als Gehörlose,  da das mit den königlichen Gewändern nicht mehr so gut ankommt in diesen Zeiten. Man weiß ja nie.Sonst würde es mich auch eher wundern, dass da jetzt noch mal eine Behindertenorganisation in diesen Tagen ankommt, da die Leute doch mit ihrem Spendenorgasmus für Licht ins Dunkel und eben Sternsinger und sonstiger Wohltätigkeiten einfach erschöpft sind und nur mehr ein wonnigliches Grunzen oder Atmen hinter den Türen der vom Christikind oder Weihnachtsamnn vollgeschenkten Wohnungen zu hören ist. Zumindest für die, die es hören können.

    •  Nö! Verwechslung ausgeschlossen! Wenigstens hat die Dame das Knallen meiner Tür nicht hören können. Zumindest das war ihr vergönnt.

       

      •  Kaspar, Melchior und Batman

        (wie meine Freundin Kate sie zärtlich nennt) kommen auch schon bald!

        Be patient! Christine

  2. eine ebenso amüsant zu lesende wie enttarnende Glosse aus dem Leben einer Gutbürgerin. Mögest Du auch schlaflose Nächte haben, liebe PerKü: Dem Steixner spende ich trotzdem nix! Und zefix: S p e n d e n sind moderne Almosen, neuerdings sogar steuerlich absetzbar. Sicherlich ehrenwert, wenns auch meist nur dazu dient, das eigene Gewissen zu beruhigen. Soziale Rechte und Umverteilung – das brauchen wir: Für die Gehörlosen und alle anderen! 

    • …ja, ja. Da hat wieder mal wer eine schöne Ausrede für seinen Geiz. Ja. Geiz ist das. Ob Spende oder Almose – diesen Leuten hilfts (meistens). Und das eigene Gewissen beruhigen ist ja auch nichts schlechtes. Oder? Auf soziale Rechte und Umverteilung kannst noch lange warten und in der Zwischenzeit ist diese Sozialegerechtigkeitsträumerei eine gute Ausrede für den eigenen Geiz bzw. ist das geizige Gewissen beruhigt. Mahlzeit!

  3. @ HJS: Interessant wie schnell du mit Vorurteilen zur Hand bist: Ob ich geizig bin oder nicht, kannst du nicht wissen – und meine persönliche Spendentätigkeit möchte ich hier sicher nicht ausbreiten. Ich habe es ja auch "ehrenwert" genannt, wenn du genau liest. Allerdings nur wenn man es nicht an die große Glocke hängt und sich dann über die Steuer (= Allgemeinheit) zurückholt.
     
    Und nochmals: Soziale Rechte sind wichtiger – glücklicherweise gibt es heute Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, auch wenns meistens kaum ausreicht. Wer will eine Gesellschaft, wo demütige BettlerInnen um einen Happen bitten müssen, damit sich die Glücklicheren ihrer eigenen "Großzügigkeit" vergewissern? Aber genau in diese Richtung gehts und manchem gefällt diese Form der Rollenverteilung.

  4. Hab da auch meine Probleme, wenn Behinderte da um Almosen betteln müssen. Kann mich noch gut erinnen, wie in meiner Kindheit mal die Gehörlosen und dann wieder die Blinden und Lahmen gekommen sind. Meistens sagte meine Mutter dann immer, "wir haben selber ein behindertes Kind (mich), uns gibt auch niemand was." Man kann sich denken, wie ich mich da gefühlt habe. In den Achtziger Jahren dann in der Behindertenbewegung sozialisiert, haben ich dann rasch gelernt, dass Almosenbetteln und all die lieben netten Sendungen wie "Licht ins Dunkel" etc. einfach igitt sind und auf keinem Fall gefördert werden sollten, wo sich Menschen nur ihr schlechtes Gewissen freikaufen anstatt Behinderte zu integrieren (Arbeit, Schule, Soziales, Sexualität etc. ) Inzwischen, möchte man vermuten,  wäre die Integrationsbewegung doch ein Stück weiter in der Mitte angekommen, aber wie man/frau sieht, ist das Thema immer noch nicht gegessen. Zumindest hierzulande. Und gerade in diesen Zeiten wollen uns Menschen durch ihre offensichtliche körperliche Gebrechlichkeit an Ihr meistens gesellschaftlich und/oder ökonomisch gemachtes Elend gemahnen und zu dessen Linderung aufrufen. Ja, und Hand auf’s Herz:  wer will schon so hart sein und einem Behinderten oder einer Behinderten die Tür weisen, noch dazu, wenn sie mit einem amtlichen Spendenausweis ausgestattet ist.

  5. Liebe wichtelwiese und Helmut: Eure Argumente in Ehren, aber die nützen mir nichts für den praktischen Alltag, wenn wirklich wer vor meiner Tür steht! Und leider ist es eben nicht so, dass all die Organisationen, welche "behinderte" Menschen oder Randgruppen unterstützen, das Geld von Stadt, Land und Bund gestopft bekommen. 

    Ich habe weniger mit behinderten Menschen etc. zu tun, aber viel mit Trauernden, wie ihr ja wisst, und ich weiß, dass sie neben der Integration bzw. der Reintegration in den gesellschaftlichen Alltag vor allem auch geschützte Räume brauchen, in denen sie sich untereinander treffen und austauschen können, das ist enorm wichtig und hat nichts mit Verhinderung von Integration zu tun!

    Zur Situation der Gehörlosen hat mir Herr Steixner in einem Mail folgendes geschrieben – ich nehme an, er hat eure Statements gelesen und kennt derartige Meldungen zur Genüge. Aber seine Worte sollten euch schon zu denken geben:

    "Es ist unsere gesellschaftspolitische Verantwortung, dass unser Verband die gehörlosen und schwerhörigen Menschen eine Möglichkeit geben, gemeinsam die Freizeit zu verbringen, denn die Gebärdensprache ist ihre Muttersprache, und somit das wichtigste Kommunikationsmittel. Die Lautsprache und die deutsche Sprache ist eine Fremdsprache für die Gehörlosen, und in unserem Haus, das Haus der Tiroler Gehörlosen, können die gehörlosen und schwerhörigen Menschen die Gebärdensprache praktizieren, ohne Kommunikationsbarriere. Ohne Haussammlung wäre unsere Existenz gefährdet. Uns wäre viel lieber, dass die öffentliche Hand uns die erwachsenen Gehörlosen finanziell unterstützen würde, was diese aber nicht tut. Um unser Überleben zu sichern, ist die Haussammlung derzeit die einzige Möglichkeit."

    Wie gesagt: Politisches Theoretisieren schön und gut, aber das nützt mir in der Praxis hier und jetzt nichts und im Übrigen schließe ich mich  HJS an: Es riecht ein wenig nach Geiz, wenn man sich im konkreten Fall bei der Politik abputzt. 

    Habedieehre Christine

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