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Kriegt die Ferrariwiese die Kurve?

Sie ist eine jener Wiesen, die sich mautflüchtigen BenützerInnen der Brennerbundesstraße ins Gedächtnis brennt. Oder in die Magenschleimhaut. Auf dem Weg zum Nudel Einkaufen in Sterzing (scusi: Vipiteno) nimmt das Übel des einem übel Werdens meist noch in Bergiselnähe, sprich: bei der laaaanggezogenen Kehre rund um die Ferrariwiese seinen Ausgang. 40-50 Kurven später, meist noch vor Matrei, sieht man dann seine innersten Werte, auf die es ja angeblich ankommt. Vor allem, wenn man Kind ist. Wen wundert’s, dass etwa ich selbst Jahre später gleich zwei Mal eine Schulklasse wiederholen durfte, weil ich in der mathematischen Kurvendiskussion furios versagt hatte.
Doch die Ferrariwiese zu Füßen das Bergisel kann mehr als Traumata verursachen. Und sie ist mehr. Auch wenn sie längst nicht mehr ist, was sie einmal war.

Zankapfel zwischen Land und Stadt: die Ferrariwiese im Süden Innsbrucks

Zankapfel zwischen Land und Stadt: die Ferrariwiese im Süden Innsbrucks

Ich zum Beispiel lernte dort als kleiner Knirps das Skispringen. Relativ weit oben links, Richtung Ende der Ferrarikurve, bauten wir unter Anleitung unseres Trainers eine kleine Schanze. Die Enden unserer Skier mussten, um genügend Anlauf zu haben, beinahe die Gleise der „Stubaier“ berühren. Und so gab es auch immer zwei „Stubaier-Warte“, die bei herannahender Straßenbahn die Schanze sperrten. Es war aufregend und vermutlich würde man dem Trainer heutzutage mindestens eine Fußfessel verpassen (was bei einem Skispringer in der Luft fatal enden kann). Generationen vor und Generationen nach mir erlernten dort das Skispringen. Andere das Skifahren. Die allermeisten wurden von ihren Eltern den Hang rauf und runter gejagt, damit es am Abend kein Ins-Bett-geh-Drama geben würde.

Die Diskussion rund um die Ferrariwiese als möglicher Standort einer Deponie für so genannten „Bodenaushub“ ist neben der nostalgischen und natürschützerischen aber eben auch eine ästhetische Debatte: Sollen Innsbruck-UrlauberInnen tatsächlich als „Willkommen in Innsbruck!“ eine Bodenaushubdeponie zu sehen bekommen? (Man erinnere sich an die Filmszene aus „Wie im Himmel“, als der Bus mit dem Chor über die Brennerstraße einfährt – interessanterweise kam der Bus eigentlich aus dem hohen Norden und man hatte die Brennerstraße lediglich wegen des tollen Panoramas der Nordkette als Filmmotiv gewählt).

Rechtlich ist die Bodenaushubdeponie durch. Vorerst. Bis zu 500.000 Kubikmeter Schutt sollen auf der Ferrariwiese deponiert werden, wie die Tiroler Tageszeitung in ihrer heutigen Ausgabe berichtet. Der Ball liegt jetzt bei Innsbruck, das den Bescheid noch beeinspruchen kann. Die Landeshauptstadt könnte die Ferrariwiese zum „Naturdenkmal“ erklären. Doch das ist schwierig – nicht nur, weil eine bloße Wiese nicht per se „schützenswürdig“ ist. In puncto Ferrariwiese spalten sich die Stadt-Land-Geister vor allem aus Gründen des Landschaftsbildes. Dass die AnrainerInnen gegen die Deponie Sturm laufen, ist eine no-na-Frage.

Dass der Projektbetreiber der Aushubdeponie nicht aus reiner Langeweile Erde ausbaggert und sie irgendwo (nein: eben nicht „irgendwo“) abladen will, ist ebenso verständlich. Das kann, muss aber nicht zwingend auf der Ferrariwiese geschehen. Und es darf auch keine Rolle spielen, dass es sich bei der wohl kommenden Aushubdeponie um eine Deponie für Material handelt, das im Zuge der Arbeiten zum vielerseits ungeliebten Brennerbasistunnel anfällt. Aushub bleibt Aushub. Innsbruck kann sich darüber hinaus aber mit den Nachbargemeinden an einen Tisch setzen und nach geeigneten Standorten für eine oder auch mehrere Aushubdeponien suchen. Wenn das im Hintergrund schon passiert: wunderbar. Wenn nicht: gemma.
Ein Herumkarren von Erde und Geröll über unzählige Kilometer kann ja nun wirklich niemand wollen.

Und vielleicht hat die aktuelle Diskussion ihr weitergehend Gutes und im kommenden Winter werden ganze Heerscharen von Kleinkindern mit ihren Skiern die Ferrarriwiese rauf- und runter gejagt. Und sei es auch nur aus Nostalgie oder Solidarität unter NaturliebhaberInnen: die ins-Bett-geh-Dramen würden jedenfalls weniger werden.

Markus Koschuh

10 Comments

  1. Eine Wiese, bleibt auch über einer Aushubdeponie eine Wiese. Humus streifenweise auf die Seite schieben, Aushub (ist ja kein Müll) aufbringen und mit dem Humus des nächsten Streifens überdecken, neu Begrünen. Wozu muss man eigentlich gegen Alles sein?

  2. Bauschutt ist aber weder Humus noch Pflanzendünger. Wer den Unterschied zwischen einer Deponie und einer Wiese nicht kennt, dem ist schwer zu helfen. Wenn der Föhn über Innsbruck stürmt, wird das sicher ein toller Spaß. Bekanntlich ist heute schon das ganze Stadtgebiet ein Luftsanierungsgebiet …

  3. Würde es auch schade finden, wenn da eine schöne Wiese einfach zugeschüttet wird. Bauschutt von wo her? Vom ungeliebten Brennerbasistunnel, dem man eh schon ein ganzes Seitental (Nöslach) geopfert hat? Ein Milliardengrab auf Kosten der Steuerzahler/innen, über dessen Sinnhaftigkeit immer wieder diksutiert wird. Würde unsere Demokratie eimmal wirklich im Sinne von uns Wähler/innen funktionieren und nicht nach den (Profit)interessen der Wirtschaft, könnnten wir uns diese Diskussion um eine schöne Blumenwiese wohl sparen.

  4. Die wahren „Gesetzestäter“ waren die Herren Viktor Klima und Wolfgang Schüssel, die das „Mineralrohstoffgesetz“ sogar in den
    Verfassungsramg hoben (Teil der Bundesverfassung) und damit für Prüfungen durch den VfGH unangreifbar machten.

  5. Kann sich keiner mehr erinnern was damals Ende der 70er-Jahre dort vergraben wurde?
    Man sieht heut noch einen sanften Buckel an der Stelle. Auch im Bild oben kann man ihn ganz links erahnen.
    Das was ich noch sicher in Erinnerung habe, ist dass zuerst der Humus auf ca. 100m² abgetragen wurde, dann abends im stockdunkeln(!) mehrere LKW Ladungen von irgendetwas dort abgeladen wurden und anschliessend der Humus wieder draufkam, und dann ist buchstäblich Gras über die Sache gewachsen. Welche Beschaffenheit das Vergrabene hatte kann ich nicht mehr mit Sicherheit sagen, jedenfalls hat es mich schon damals gewundert was das wohl sein könnte, das man lieber in der Nacht, von LKW-Scheinwerfern beleuchtet vergraben will. Man konnte das gut von der Stubaitalbahn aus beobachten, mit der ich damals täglich vorbeigefahren bin. Vielleicht wars eh „nur“ Abbruchmaterial, aber wieso in der Nacht?

    • Hallo Felix
      …Leider scheint ein Beitrag vom Dezember verloren gegangen zu sein (Umstellung Provibk)…
      Aber vllt. verbirgt sich darin auch eine mögliche Antwort auf deine Frage/Vermutung – Ende der 70er Jahre wurde die Mülldeponie Rossau geschlossen und das „Müllproblematikbewusstsein“ war damals ein ganz anderes – es war „die“ wirtschaftliche Boomzeit: (Vorsicht Hypothese! – Bei Interesse vllt. Repost mit Fotos)

      —–
      Stinkende Relikte – Was das Christind zurück lässt

      Eine Gesellschaft lässt sich nicht nur daran messen, was sie erschafft, erzeugt oder baut – sie lässt sich auch messen an dem was sie versteckt oder verdrängt. Das duale Weltbild lehrt uns, dass wo Licht auch Schatten und wo Freude auch Leid usw.
      Weihnachten erteilt dem Aufmerksamen eine weitere besondere duale Lektion: Wo Geschenke da Müll.

      Müllberge:
      Nicht jede Erhebung in Tirol ist tektonischen Ursprungs und ein beinah vergessenes Versteck kann der Stadtbergsteiger in der Rossau/Baggerseegelände begehen. Im Sommer als kleine begrünte Erhebung getarnt, offenbart sich BaggerseebenutzerInnen im Winter das Wäldchen Richtung Patscherkofel mit seltsamen weißen, nummerierten Rohren überzogen. Gärgasentlüftung der Wegwerfgesellschaft auf dessen Plateau heute Golf gespielt wird.

      Fakten:
      Die Deponie Rossau wurde von 1942 – 1976 betrieben. Seit 2008 gilt diese im Umwelttechnischen Sinne als „gesichert“. In Tirol fallen ca. 700.000 Tonnen! Müll (ohne Klärschlamm) pro Jahr an. Der Großteil wird heute im Ahrntal deponiert.

      • Verlorengegangen is gar nix, das posting is von heut. Verlorengegangen is höchstens die Erinnerung weshalb das damals bei Nacht&Nebel gemacht hat werdn müssn. Wärs ein ernsthafter Eratz für die Rossau gewesen, hätte man wohl gleich mehr oder öfter dort was vergraben.
        Ja, damals hat man einerseits alles was lästig war, einfach irgendwo eingegraben, andererseits war auch nicht mehr alles egal, deshalb viell. lieber im Dunkeln wenns was nicht ganz so sauber war.

        • … die einzigen, die heute nicht Müll trennen, sind die alten Pensionskassierer und die junge Generation Sinnlos.

          • eine gut erfundene Räubergeschichte würde schon ein bissl mehr action beinhalten als ein paar Laster die in der Nacht irgendwelches Zeug abladen, das vielleicht auch ganz harmlos war. Auch für damalige Verhältnisse war der Vorgang doch ungewöhnlich. Mögliche Erklärungen können wir heut einige finden, meine Frage aber war ob sich noch irgendwer erinnern kann, etwas gesehn hat oder Bescheid weiss was das damals war.

        • Hallo Felix – mit „verloren gegangen“ war der Beitrag bez. Deponie Rossau auf Provibk gemeint…..und worauf ich anspielen wollte ist: Vllt. hat es damals eben keinen geregelten Übergang, oder sofortigen „Ersatz“ gegeben…

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