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Klimawandel

Den Bischof hätte Max  gerne gefragt, als er ihn bei der Klimawandel-Demo gesehen hatte, ob denn da nicht auch der „Liebe Gott“ etwas mitzureden hätte, ob er denn etwa mit dem Klimawandel einverstanden sein würde, und wenn nicht, warum er dann nicht etwas dagegen unternehmen würde, allmächtig wie er doch sei. Und wenn nicht, dann könnte der Klimawandel uns doch egal sein. Denn wenn Gott nichts gegen ihn hätte, warum sollten dann wir Menschen etwas gegen ihn haben. Aber Max traf den Bischof nicht zum Zwiegespräch, er war zwar auf der Demo, aber abgeschirmt von seinen Gläubigen. Und Max hatte keine Gelegenheit, zu ihm vorzudringen und ihm seine Frage zu stellen. Außerdem glaubte Max, dass der Klimawandel überhaupt kein Problem war, weil der Mensch doch die Fähigkeit hatte, sich den natürlichen Gegebenheiten anzupassen, so wie er das schon hunderttausende von Jahren getan hatte, sonst hätte er die Evolution doch gar nie überlebt und wäre schon vor langer Zeit ausgestorben.

Also war das ganze Gezerre um den Klimawandel eine Hysterie, die im Grunde auch niemand oder nur die allerwenigsten Ernst nahmen, einfach weil sie bedeutet hätte, mehr oder weniger auf alle Annehmlichkeiten, die das Leben im angehenden 21. Jahrhundert bot, zu verzichten, was kaum einer wollte, auch von den an der Klima Demonstration Teilnehmenden in letzter Konsequenz wohl kaum jemand gewollt hätte. Weil das wohl geheißen hätte, keine Fahrt mit dem Auto mehr, keine Flugreise mehr, kein Schnitzel und kein Schweinsbraten mehr, ja überhaupt kein Fleisch mehr.  Ja vielleicht nicht einmal mehr im Winter eine Heizung, wenn es hart kam. Schließlich wohnten die meisten Menschen doch in Häusern, in denen mit Öl geheizt wurde, und selbst wenn mit Holz oder Kohle geheizt wurde, oder auch mit Strom, so war das ja nicht weniger schädlich für das Klima.

Also was tun? Die Heizung abdrehen, da klimaschädlich. Vielleicht sogar den Strom abdrehen – obwohl man für ihn bezahlt hatte – weil umweltschädlich hergestellt. Also frieren und obendrein noch im Dunkeln sitzen, ohne Fernseher, ohne Radio, ohne Internet, ja letzten Endes sogar ohne Kochgelegenheit. Also konsequent zu Ende gedacht hieß das doch: aufhören zu leben!  Das war doch reiner Irrsinn! Also konnte ihm das schwedische Zopfmädchen, das da jetzt so viele junge Menschen animierte, gegen den Klimawandel zu demonstrieren, sozusagen „Bewusstsein schaffte“ für ein Thema, wie es unzählige Wissenschaftler vor ihr, nie und nimmer geschafft hatten, nur ein müdes Lächeln abgewinnen, mehr aber auch nicht. Und Max war froh, und wurde es von Stunde zu Stunde mehr, bei dieser dämlichen Klimademo nicht mitgegangen zu sein, im Gegensatz etwa zu vielen anderen Demos, bei denen er sich im Laufe seines Lebens schon beteiligt hatte,  Demos für den Frieden  und gegen das Wettrüsten etwa, gegen die Unterdrückung von Völkern und Minderheiten, gegen Ausbeutung und Diktatur und, und,  und. Aber sicher nicht gegen so etwas Irrationales wie einen – wie Max schien – (hysterisch) herbeigeredeten Klimawandel, von dem im ernstesten Sinn eigentlich niemand etwas Genaueres wusste, etwa wie er sich auswirkte, wie und wann er kam und welche Folgen  er für das Leben in den einzelnen Ländern hatte.   Das wäre Max so vorgekommen, als hätte man gegen den Tod demonstriert, der ja auch jedem und jeder sicher war, von dem aber auch keiner wusste, wann er kam und wie er kam. Also ein völliger Holler das Ganze. Und Max musste lachen, obwohl es nicht zum Lachen war, wie leicht der Mensch doch manipulierbar war, wie wenig es doch immer wieder bedurfte, um ihn gegen irgendetwas aufzubringen, in Raserei zu versetzen oder auch einfach  nur in einer großen Parolen skandierenden Menschenmenge mitzulaufen, und sich dabei seines  „gesunden Menschenverstandes“ zu entledigen.   Die ewige Wiederkehr des Gleichen poppte auf in ihm. Und  Max fand das alles crazy, wie da viele doch wieder  hoffnungsfroh geworden waren,  ja manche  sogar hoffnungssüchtig. Ja irgendwie keimte da am Ende gar ein bisschen Liebe auf für dieses arme und gebeutelte Menschengeschlecht.

Nur auf das einzig Nachhaltigste in dieser ganzen Geschichte, das darin bestanden hätte, sich nicht mehr fortzupflanzen und damit dieser geplagten  Welt und ihrer natürlichen Ressourcen Zeit zu geben, sich wieder zu erholen –  ja schon einige zehntausend oder hunderttausend  Menschen weniger auf den Planeten würden einige hunderttausende wenn nicht gar Millionen gefahrene und geflogene Kilometer weniger bedeuten, weniger Arbeitsplätze und damit weniger Rohstoffverbrauch, weniger hunderte qkm. verbauter Fläche, weniger Autos, weniger technischen Schnickschnack,  weniger Fleischproduktion, weniger Freizeitparks, kurz: weniger Energie- und Ressourcenverbrauch bedeutet haben würden –  darauf kamen diese armen Weltenretter  und -retterinnen freilich nicht. Das hätte ja auch mal ein Hinterfragen ihrer eigenen Rolle in diesem ganzen Weltenlauf bedeutet. Das hätte bedeutet, mal weniger Lebenssinn im eigenen Nachwuchs zu sehen, dem man ja nach eigener Aussage und Befürchtung ohnehin nur einen kaputten und vergifteten Planeten hinterlassen würde,  sondern diesen Lebenssinn vielleicht auch mal in etwas ganz anderem zu suchen.

Nein, man beließ es bei einem am Ende vielleicht unbestimmten aber doch sehr starken Überlegenheitsgefühl, etwas Gutes getan zu haben, auf der richtigen Seite gestanden zu sein, wenn einen mal die eigenen Kinder fragten, so sie denn geboren und groß geworden waren, was man denn eigentlich gegen all die drohenden Unbilden gemacht und unternommen hätte, was dagegen getan, das es so kam wie es gekommen war. Dann hätte man eben gesagt,  dass man einem niedlichen  schwedischen Zopfmädchen gefolgt wäre, das einem den Weg gewiesen hätte, so wie viele in den siebziger und achtziger Jahren einem indischer Guru auf seinen Weg gefolgt waren, ohne ihn dann freilich – zumindest was die meisten von ihnen betraf – bis zum Ende gegangen zu sein,  weil am Ende dann halt doch alles immer schwer war und das Ende wie immer ungewiss

© Helmut Schiestl

Helmut Schiestl

One Comment

  1. Eine Demo gegen den Tod – geniale Fiktion!
    (Diese schlagfertige Art von Humor ist kaum zu überbieten 🙂

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