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Kleiner Nachgesang auf eine Innsbrucker Institution

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Zugegeben, den Charme eines schönen urbanen Lesecafés hat das Innsbrucker Stadtcafé schon seit längerem verloren gehabt. In letzter Zeit ist es mehr und mehr zu einem Tanzlokal geworden, eine Mischung aus Diskothek und biederem Unterhaltungsort, in dem die tanzbegeisterten Innsbrucker Innen ihrer Leidenschaft frönen konnten. Womit das Stadtcafé sicher auch einen wichtigen Part im Freizeitangebot Innsbrucks übernommen hatte. Als ich schon vor einigen Jahren mal am Nachmittag dort einkehrte und mich über das dort aufliegende Angebot an Zeitungen informieren wollte, war dieses erschütternd, bestand es doch nur mehr aus der Tiroler Tageszeitung und dem Kurier, soweit ich mich erinnern kann.

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Früher war das natürlich anders. Und da gab es ja auch noch die Schachspielerinnen und Schachspieler im ersten Stock. Und das Ambiente aus den sechziger Jahren machte das Stadtcafé zu einer angenehmen Abwechslung zum feudalen Café Central, das seinem Ruf, was das Zeitungsangebot betrifft, aber immer noch gerecht wird.

Trotzdem erfasst mich ein wenig Wehmut, als ich vor einigen Tagen bei meinen Spaziergängen zu dem inzwischen schon geschlossenen und seines gastronomischen Innenlebens beraubten Stadtcafé gestoßen bin. Bekanntlich werden ja schon in ein oder zwei Monaten die Abrissbagger auffahren und das ganze Ensemble – also Stadtsäle, Kammerspiele und eben auch das Stadtcafé dem Erdboden gleichmachen. Ein Ensemble, das immerhin einen wichtigen Teil der Innsbrucker Nachkriegsarchitektur an einem zentralen innerstädtischen Platz darstellte. Geplant vom Innsbrucker Architekten Franz Baumann, konnte es lange Zeit die Bedürfnisse der Innsbrucker Bevölkerung nach Ton- und Sprachkunst, aber auch Tanz,  und Unterhaltung befriedigen.

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Das Café selbst wurde in 1960 wiedereröffnet,  und erfuhr zuletzt 1994 durch das Architektenpaar Ines und Reinhold Bösch eine Umgestaltung. Durch die vielen Besitzerwechsel konnte vom ursprünglichen Ambiente nur mehr sehr wenig gerettet werden, Jede(r) von ihnen drückte sozusagen seinen / ihren Stempel auf und eben zuletzt war das ganze bis auf sein Äußeres Aussehen mit den großen einladenden Fenstern ein ziemlich stilloser Mischmasch geworden. Wobei nicht gesagt werden soll, dass es nicht möglich gewesen wäre, durch einen Relaunch etwas Gutes aus dem Gegebenen zu machen, gerade im Zeitalter des Vintage hätte das Café vielleicht eine gute Gelegenheit geboten,  sich ein bisschen in Nostalgie auszutoben oder auch etwas ganz Modernes daraus zu machen.

Aber gut, die Würfel sind gefallen und man kann und darf wohl auch auf das neue Haus der Musik  hoffen, das ja sicher auch über ein gastronomisches Angebot verfügen wird. Und hoffen sollte man auch für den Erhalt der schönen, schon einige hundert Jahre alten Blutbuche, die den Vorplatz des Stadtcafé ziert, dass sie nicht den Bauarbeiten zum Opfer fällt. Versprochen wurde es von der Stadtführung und den Planer/innen ja schon.

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Helmut Schiestl

One Comment

  1. Nach den „Novembar“-Zeiten war es nur noch grindig. Sowohl von der Musik als auch von den Gästen.

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