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Innsbrucks moderne Kirchenbauten … Theresienkirche auf der Hungerburg

Der erst im beginnenden Zwanzigsten Jahrhundert besiedelte Innsbrucker Stadtteil Hungerburg, auch „Hoch-Innsbruck“ genannt, besitzt neben schönen alten und auch modernen Villen, dem ehemaligen Hotel Mariabrunn von Siegfried Mazzagg, der Talstation der Nordkettenbahn von Franz Baumann auch die „älteste“ der modernen Innsbrucker Sakralbauten:  die Pfarr- und Wallfahrtskirche Zur Heiligen Theresia vom Kinde Jesu. Ein schlichter und sich gut in die Landschaft und Siedlung einfügender Bau, durch seine quaderartigen Form ein klein wenig an eine Burg erinnernd, vor allem aber durch seine Fresken von Max Weiler bekannt geworden.  .

Die Gegend der Hungerburg war früher ein Waldgebiet und wurde dann von wohlhabenden Innsbrucker Bürgern mit Villen besiedelt, wohl nicht zuletzt des beeindruckenden Panoramas wegen. Bereits um 1840 erwarb ein Andreas von Attlmayr ein Stück der Gramartwaldung und erbaute sich darauf in Sommerhaus, dem er den Namen „Neuhof Mariabrunn“ gab, in dem auch Wanderer verpflegt wurden. Dabei soll der Tiroler Dichter Adolf Pichler eine so karge Mahlzeit bekommen haben, dass er den Ort als „Hungerburg“ bezeichnet hat. Soweit zur Namensherkunft. Es gab also nie dort oben eine Burg, in der man Menschen verhungern ließ, wie man  vielleicht annehmen möchte.

Aus dem ursprünglichen Ausflugsziel war dann schon bald mal eine kleine Siedlung geworden, die dann mit dem Bau der Hungerburgbahn – der 1905/6 errichteten ehemaligen Standseilbahn, deren Betrieb 2005 eingestellt und durch die von der berühmten Architektin Zaha Hadid geplante Neue Hungerburgbahn ersetzt wurde – erschlossen und zu einem beliebten Ausflugsziel geworden ist.

Nun aber zur Kirche. Diese wurde nach der Grundsteinlegung 1931 in nicht einmal einjähriger Bauzeit 1932 geweiht. Die Pläne dazu stammen vom Innsbrucker Architekten Siegfried Thurner. Die schnelle Bauzeit verdankt sich wohl nicht zuletzt einer heute kaum mehr nachzuvollziehenden Begeisterung für den Bau einer neuen Kirche, so wenn man etwa in einer in der Kirche zu kaufenden Broschüre nachlesen kann, dass 60.000 Ziegel von freiwilligen Helfern aus allen Bevölkerungsschichten die 300 Höhenmeter hinaufgetragen wurden. Der damalige Wiltener Abt Prälat Heinrich Schuler weihte dann die Kirche zur Heiligen Theresia – auch Theresie von Lisieux genannt – einer 1925 heiliggesprochenen Karmelitin.

Der aus Böhmen zugewanderte Maler und Bühnenbildner Ernst Nepo stattete das Gotteshaus dann mit Fresken im Stil der Neuen Sachlichkeit aus. Diese befinden sich am Chorbogen und erzählen das Leben der Kirchenpatronin. Das Werk blieb unvollendet, da der Maler aufgrund seiner NS-Vergangenheit – er war während der NS-Herrschaft  Leiter der Reichskammer der Bildenden Künste in Tirol – nach den Kriegsjahren nicht mehr mit der weiteren bildnerischen Ausführung betraut wurde. So gewann dann der in der modernen Malerei gerade reüssierende  Tiroler Maler Max Weiler einen ausgeschriebenen Wettbewerb und wurde mit der bildnerischen Ausschmückung der Kirche beauftragt. Die Fresken sollten das 1946 begangene 150jährige Jubiläum der Widmung Tirols an das Herz Jesu symbolisieren und hatten dann auch gleich für einen Kunstskandal im damals noch sehr konservativen Tiro gesorgt. Hatte Weiler doch in den Passionsszenen Tiroler Politiker und einen Schützen, der dem Gekreuzigten die Lanze in die Seite sticht, dargestellt. So mussten die Fresken auf Anordnung Roms hin acht Jahre mit Tüchern verhängt werden.

Inzwischen ist viel Wasser den Inn hinuntergeflossen, Max Weiler ist ein weit über Tirol hinaus anerkannter  berühmter Vertreter der Nachkriegsmoderne und die Fresken ein Zielpunkt von Kunstinteressierten und in jedem besseren Innsbruck-Band besprochen und  dargestellt

Ich schaue mir die Bilder auch immer wieder gerne an. Besonders berührend finde ich etwa das Letzte Abendmahl, eine liebevolle Szene zwischen Jesus und Johannes, auf dem Tisch davor ein kleiner Kelch, darüber die stürmische Ölbergnacht, darin Jesus als einsamer dem Betrachter / der Betrachterin den Rücken zeigender flüchtender oder verfolgter Mensch.

Oder die am Fuß des Kreuzes stehenden Tiroler Politiker. Der Künstler dürfte hier vermutlich auch  auf die Verstrickung der damaligen Politiker und Honoratioren mit dem eben erst  untergegangenen NS-Regime angespielt haben.

Auch das Äußere der Kirche besticht durch seine klaren Formen, ein kantiger Bau mit einem kurzen Satteldach. In einer alten Abbildung zeigt sich die Kirche noch unverputzt im Ziegelverbund, was den Bau sicher spannender und eindrucksvoller gemacht hat als die heutige graue Fassade. Wie so oft wurden Bauten der Zwischenkriegsmoderne in Innsbruck in der Nachkriegszeit verändert, behübscht, wie etwa das IKB-Hochhaus in der Salurnerstraße von Lois Welzenbacher, dem man in den fünfziger Jahren eine Haube aufgesetzt hat.  Oder die unsäglichen Dachausbauten diverser Gründerzeitvillen, was aber schon wieder eine andere Geschichte wäre.

Nichtsdestotrotz ist die Kirche einen Besuch wert, nicht zuletzt der besprochenen Weilerfresken wegen. Der schlichte Saalraum, der wenig Skulpturales beherbergt, nur ein schlichtes  Holzkreuz ziert den Altarraum, und eine in einem gläsernen Sarkophag liegende Figur der Heilige Therese – die übrigens auch in der wunderbaren Novelle Die Legende vom Heiligen Trinker von Joseph Roth vorkommt – wohl einen unverweslichen Leichnam darstellend, und Gegenstand spiritueller Verehrung. Wie ja auch seit 1983 ein Kloster der Karmelitinnen in das der Kirche angebaute Pfarrhaus eingezogen ist, dem auch die Leitung der Pfarre anvertraut wurde. 1987/88 wurde das Innere der Kirche vom Innsbrucker Architekten Ekkehard Hörmann neu gestaltet.

Quelle: Innsbruck – Hungeburg. Pfarr- und Wallfahrtskirche Zur Hl. Theresia vom Kinde Jesu. Kirchenführer; herausgegeben vom Pfarrvikatariat Hungerburg – Theresienkirche

Helmut Schiestl

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