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Innsbrucks moderne Kirchen – Pfarrkirche Maria am Gestade. Mentlberg-Sieglanger

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Innsbruck hat mehrere interessante Kirchenbauten, als man zunächst vielleicht annehmen möchte. Vor einigen Monaten besuchten wir ja die vielleicht bekanntesten Kirchenbau des 20. Jahrhunderts, die O-Dorf-Kirche oder Pfarrkirche Neuarzl, ein markanter Bau von Josef Lackner. Aber auch im Weste Innsbrucks gibt es einige neue Sakralbauten zu entdecken. So etwa die Pfarrkirche Maria am Gestade am Sieglanger. Dieser zur Katastralgemeinde Wilten gehörende Stadtteil, der sich in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts aus einer Kleingartensiedlung entwickelt hat.

So entstand hier 1934 im Zuge eines Arbeitsbeschaffungsprogramms der damaligen Dollfuss-Regierung eine Einfamilienhaussiedlung, die von ihrem Aussehen her eher an Niederösterreich oder das Norddeutsche Flachland erinnert als dass man sie als typisch tirolerisch bezeichnen könnte.

Trotzdem hatte die Idee dieses Bauprogramms, das es vielen finanziell weniger gut situierten Menschen ermögliche, sich ein eigenes Häuschen zu bauen, viele Anhänger, und so wuchs die Siedlung ziemlich schnell. Und sie fügt sich sehr reizvoll zwischen dem Hang, an den sich das bekannte im Neorenaissancestil errichtete Schloss Mentlberg schmiegt, und dem Bahndamm – später kam dann noch die Autobahn dazu – und erweitert so den früher ja eher nach Süden ausgerichteten Stadteil Wilten in den Westen.

Ursprünglich genügt die Schlosskirche von Mentelberg der damals noch kleinen Gemeinde, ehe man dann in den späten fünfziger Jahren daran ging, die kurzzeitig errichtete Notkirche durch einen richtigen Kirchenbau zu ersetzen. 1959 erfolgte die Ausschreibung für die neue zu planende Kirche, den der Wiener Architekt Karl Rappold, über den ich leider nichts Näheres in Erfahrung bringen konnte, gewann.

Jedenfalls halte ich den Bau für sehr gelungen und für die frühen sechziger Jahre und den damaligen Geist in Tirol, was neue Architektur anlangt, sehr mutig, um nicht zu sagen, gewagt. 1961 wurde vom damaligen Bischof Paulus Rusch der Grundstein gelegt, und bereits in Jahr später, 1962 erfolgte die Weihe der Kirche.

Es handelt sich um einen zweizonigen Baukörper mit einem charakteristisch geschwungenen Turm, der manche vielleicht ein wenig an eine Raketenabschussrampe erinnert. Sicher mögen hier die umgebenden Berge zur Inspiration des Planes beigetragen. Jedenfalls fügt sich die Kirche sehr schön in den kleinen Stadtteil, die ja – im Gegensatz etwa zu anderen Innsbrucker Stadtteilen – ohne Hochhäuser ist, so dass diesen ein beinahe dörflicher Charakter prägt.

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Das Innere der Kirche besticht durch eine an die berühmte Wallfahrtskirche von Ronchamp erinnernde lichtdurchflutete diagonal ausgerichtete Raumgestaltung, deren Einrichtung ganz den Ideen des Zweiten Vatikanischen Konzils folgend gestaltet ist. Einen Umstand, den sie auch mit der O-Dorf.Kirche teilt. Sicher ein Highlight sind die Glasfenster von Max Weiler. Es sind abstrakte Kompositionen in Betonglas gefasst, die dem christlichen Geheimnis der Schöpfung folgen. Ein Bildprogramm, das der wohl berühmteste Tiroler Vertreter der modernen Malerei immer wieder aufgenommen hat.

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Erwähnenswert ist auch eine in einem beinahe romanischen Gestus gehaltene Pieta von Hans Pontiller , auch einem Vertreter der klassischen Moderne in Tirol.

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Vom  ebenfalls aus Tirol stammenden Bildhauer Rudi Wach besitzt die Kirche ein Tabernakelrelief.Interessant ist auch der Kreuzweg, ein fünfzehnteiliger sehr ausdrucksstarker graphischer Bildzyklus von Oswald Kollreider

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Statt eines Hochaltars ziert den Chor eine Bildfolge aus sieben Relieftafeln des Bildhauers Rudolf Millonig, Szenen aus dem Leben Jesu darstellend. Dieser Innsbrucker Künstler hat viele moderne und modernisierte Kirchen in Tirol ausgestattet.

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Wenn man nun den Gesamteindruck der Kirche hinterfragt, so kann man wie bei vielen neu errichteten oder modernisierten Kirchenbauten in Tirol zu dem Schluss, kommen, dass man oft in der Einrichtung nicht sehr konsequent war. Vertrauten  in den frühen sechziger Jahren noch viele für den Bau und deren Innengestaltung Verantwortliche auch den modernen Künstlern und ihrer für viele sicher ungewöhnliche und oft auch provokante Bildsprache und ließen sie mit ihren Bildern und Skulpturen ausstatten.

So fand in den achtziger Jahren ein oft schon „gegenreformatorisch“ wirkender Geist immer  mehr Anhänger/innen, der vor allem auch die modernen Kirchenbauten mit oft nur mehr kunsthandwerklichen biederen Bildwerken bestückte, was ihrem Gesamteindruck sehr oft nicht gut tat. Leider muss man das auch für diese Kirche sagen.

So gesehen dürften die kommenden Jahrzehnte vielleicht spannend werden, da die katholische Kirche ja mit ihrem neuen Papst doch einen neuen Weg zu gehen scheint, zumindest was die Rückbesinnung auf ihre religiösen Wurzeln anbelangt. Vielleicht kann auch hier wieder ein neuer Geist in die ja meistens auch schon ein halbes Jahrhundert alten Kirchenbauten der Moderne wehen und mehr Mut für Neues und Ungewohntes, manchmal vielleicht auch Provokatives in den dafür Verantwortlichen wachsen lassen.

Literatur

Die sakralen Kunstdenkmäler der Stadt Innsbruck / Teil II: Äussere Stadtteile. Redigiert von Brigitte Ascherl, Martha Fingernagel-Grüll und Ulrike Steiner.  Wien. Schroll Verlag 1995.

Pfarrkirche Maria am Gestadt. Kunstführer. Verlag St. Peter. Salzburg 2000

Helmut Schiestl

2 Comments

  1. Weitere Kirchen im Westen sind „Guter Hirte“, „Allerheiligen“

    und „Petrus Canisius“

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