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Im Zweifel für Amore

wanda

Es passiert mir ja ganz selten. So alle fünf Jahre vielleicht. Ich stolpere über irgendeine Band, und weiß nach ein paar Takten – die bleiben mir! Und zugegeben war ich hier fast schon spät dran. Gerade noch erwischte ich vergangenen Winter den letzten Hype Train, Bologna bound, ans Aussteigen war bis jetzt nicht zu denken.

Die Band nennt sich Wanda, stammt aus Wien, und ihr im Oktober 2014 veröffentlichtes Album Amore kann man schon als kleinen Befreiungsschlag für die Österreichische Musiklandschaft sehen, ohne dabei gleich die Wiedergeburt des Austropop zu beschwören. „Bologna“, der Opener, erste Single und sowieso schon Gassenhauer besingt eine Liebe, die so unmöglich ist, dass der Zeugungsort der Geliebten als Sehnsuchtssymbol herhalten muss. Das klingt grausig kitschig, kommt in der Umsetzung aber erfrischend frech daher. Das ist Leidenschaft ohne überbordendes Pathos, und charmanter Schmäh statt Hipster-Ironie. Dass die Nummer einer der penetrantesten Ohrwürmer der letzten Jahre ist, schadet natürlich auch nicht.

Nun gastierten die Wiener endlich im seit Monaten ausverkauften Weekender. Wanda hat Momentum, das spürt man an der aufgeheizten Stimmung des Publikums schon vor Konzertbeginn. In so familiärem Rahmen (und zum Spottpreis von € 13,60) kommen Wanda-Jünger wohl nichtmehr zusammen. Hier feiert man eine Band, die ihren Durchbruch noch nicht ganz instrumentalisiert hat. Dass sie aber doch längst bereit für die großen Bühnen sind, wird ab dem ersten Stück bewiesen. „Weil ich tausend Wünsche hab‘, obwohl ich gar nichts brauch‘/ist der Thomas in dich verliebt und ich auch“ – „Luzia“ ist up-tempo, man tanzt und singt sich ein. Die Band trägt Landstreicheruniform, zerschlissene Jeans und Lederjacken. Tschick im Mund, Hüftschwung und verschmitztes Dauergrinsen – einstudierte Coolness vielleicht, Imagebewusstsein ganz bestimmt, aber auch die Selbstsicherheit, dass der Plan aufgeht: Wanda funktioniert als Gesamtprodukt.

In den folgenden eineinhalb Stunden wird das Amore-Material durchzelebriert, dazwischen präsentiert die Band ein paar Nummern aus dem kommenden Album. Das erscheint übrigens im Oktober und „ist zwar nicht so brillant wie Amore, wird aber sicher noch viel erfolgreicher“, kündigt Sänger Marco Wanda an. Der mimt also den Rest des Abends den Dirigenten lautstarker Singalongs („Auseinandergehen Ist Schwer“), die stagedivende Schnapsdrossel („Ich Will Schnaps“), und nimmt performancetechnische Anleihen an Doors-Frontmann Jim Morrison („Dass Es Uns Überhaupt Gegeben Hat“). Falcos Einfluss auf das Schaffen der Wiener dürfte sowieso nicht zu bestreiten sein: „Easy Baby“ klingt wie eine lang verschollen gebliebene Nummer des jungen Hans Hölzel. Das Publikum bleibt durchgehend enthusiastisch und textsicher. Zwar bringt „Bologna“ als letztes Stück vor der Zugabe den Club endgültig zum Überkochen, doch die anhaltende Begeisterung für den Rest des Katalogs der Band beweist, dass man es hier nicht mit einem One-Hit-Wonder zu tun hat.

Im scheinbaren Gegensatz zu den poppigen Melodien lastet auf vielen Nummern dann aber doch thematische Schwere. Da ist einiges an Zweifel, Verzweiflung, guter alter Wiener Morbidität und rotweingeschwängerter Sentimentalität sowieso. Auch wenn mir Pessimisten die Indie-Konvention, sich regelmäßig in der eigenen Melancholie zu ertränken auch gefällt – Wandas Lösung hat schon was. Sie nehmen sich ihrer Tiefpunkte an und feiern sogar diese ab. Das macht ihre Musik zugänglich – „Wenn jemand fragt wofür du stehst“, ist trotz aller Abgründe ein lautstarkes „Amore!“ sicher eine der gesünderen Antworten.

Am Ende der Zugabe sind Publikum und Band gleichermaßen fertig, durchgeschwitzt und fast zufrieden. Weils so schön war also nochmal „Luzia“ mit potenziertem Energielevel. Tobender Schlussapplaus und eine letzte Verbeugung von Seiten der Band. Nur die „Jelinek“ bleibt also im Regal. Eine runde Show zu spielen obwohl man dem Publikum eine der stärksten Nummern vorenthält – auch das ist Erfolg und auch das funktioniert schon einwandfrei. Es ist schön, mal wieder einfach nur Fan zu sein. Amore!

Gerhard Schützinger, 26.04.2015

Das Foto stammt von der Facebook-Seite von Wanda

Gast

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