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Grüß Gott, Herr Hund – Handlungsinventar für ein Stück

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Am Anfang ein Transparent mit der Aufschrift: „Grüß Gott, Herr Hund, scheißen Sie sich frei!“

Es treten auf in folgender Reihenfolge: Ein Hund, der von einer älteren Dame äußerln geführt wird. Ein Mann in einer Straßenbahn, dem schlecht wird, weil ihm mit einem Mal die ganze Menschlichkeit der Welt entgegenschlägt. Wieder der Hund, der vorhin von der älteren Dame äußerln geführt wurde. Die alte Dame spricht jetzt mit dem Hund. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich der Hund als armer Mensch, der ein Stück Scheiße fallen lässt. Der Tod in Form einer jungen Frau, die einen einsamen Wanderer überrascht. Der Wanderer weiß nicht, was die Frau von ihm will, und bringt sich daraufhin um. Eine Gruppe Menschen, die eine Gruppenpsychotherapie mit einem heiteren Ratespiel „Wer bin ich?“ einleitet.

Ein Paar, das plötzlich stehen bleibt und sich nicht mehr vom Fleck bewegt. Ein Schriftsteller, wie er, weil ihm nichts mehr einfällt, die Fallgeschwindigkeit seines Kugelschreibers berechnet.  Ein anderer Mann, wie er alles wegschmeißt, inklusive seines guten Rufs. Eine noch junge Frau, wie sie  beim gruppenpsychotherapeutischen Ratespiel „Wer bin ich“ verzweifelt, weil sie keine Antwort auf die Frage „des Spieles weiß. Eine hässliche, nicht mehr ganz junge Frau, die auf einen Mann wartet, und als dieser nicht kommt, immer mehr feststellt, dass sie auf das Nichts wartet und darauf das Lied  „Der Summa is umma …“ zu summen beginnt. Das rührt die Zuseher zum ersten Mal zu Tränen. Ein noch verhältnismäßig junger Mann, wie er  bei der Auflösung seiner Beziehung mit seiner Freundin  dieser vorrechnet, exakt wie viele Bücher er in der Zeit hätte lesen können, die er mit ihr verbracht hat. Sinnlos verbracht, wie er jetzt resignierend feststellt. Darauf wie die Freundin in Tränen ausbricht. Ein (neutraler) Beobachter beim Beobachten.

Ein Expriester, der in einem Kaffeehaus still und heimlich eine heilige Messe liest. Dazu dient ihm ein Eisbecher als Kelch und ein Aschenbecher als Patene. Ein nicht mehr ganz so junger Mann beim spontanen Beschnuppern einer jungen Frau und wie diese das megageil findet. Eine Stubenfliege, wie sie  über die Tischplatte kriecht und die Lage erkundet. Diese wird für sie bald einmal gefährlich. Eine Tarockkarte, wie sie einsam auf dem Tisch liegt und nichts dafür kann. Die junge Frau, die der nicht mehr ganz so junge Mann vorhin beschnuppert hat, wie sie die Karte aufhebt und unauffällig in ihr Handtäschchen steckt. Eine Frau mittleren Alters mit streng zurückgekämmtem Haar vor dem eingeschalteten Fernseher, sehr griesgrämig, daneben ihr Mann, ebenfalls  mittleren Alters, ebenso griesgrämig und sich furchtbar über die Werbung aufregend. Ein etwas zerstreuter Schriftsteller, der ständig seine auf der Bühne verstreuten Texte zusammensucht. Am Ende des Stückes wird er daraus ein umwerfendes Puzzle gemacht haben.

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Das Foto eines Pin-up-Girls in einem Junggesellenzimmer hängend.  Ein Kruzifix aus Plastik in einem Küchenherrgottswinkel hängend.  Darunter ein Kühlschrank, dem das Abtauwasser herausrinnt. Ein Fliegenklebeband, von der Decke auf die Bühne herunterhängend, mit vielen toten Fliegen drauf, auf dem letztendlich auch die Fliege von vorhin landet und kleben bleibt. Eine riesengroße Badewanne, gefüllt mit warmem Wasser, darin eine schöne junge Maid, wie sie sich wäscht. Ein großer Tisch und ein paar Stühle. Ein Sofa. Ein Teppich. Jede Menge Bücher. Ein paar zerkratzte Schallplatten. Dazu ein lädiertes Grammophon, auf dem diese gespielt werden.

Eine Double-Bind-Situation. Mehrere Double-Bind-Situationen. Ein Wort. Mehrere Wörter. Ein Ausgangspunkt. Eine Hoffnung. Ein Glas Milch. Ein Anlass. Ein dazugehörender Kuss. Ein Licht. Ein Hirn (Kalbshirn), ein Herz (Kalbsherz). Eine Fleischmaschine. Ein Wolf (ausgestopft). Ein Punschkrapfen  und ein Igel mit Schlagobers. Ein guter Rat. Ein paar gebündelte Geldscheine (nicht zuviel, nicht zu wenig!) Eine (Toten)maske. Ein Rätsel. Ein Baby (lebendig). Ein dazu passendes Elternpaar. Ein Schwein (lebendig). Der Schluss. Der Applaus. Der Fall des Vorhangs. Weiter der Applaus. Das Wiederhochgehen des Vorhangs. Die Schauspielerinnen und Schauspieler, wie sie sich verneigen. Auch der Regisseur verneigt sich. Nochmals der Vorhang. Die Ratlosigkeit der Zuschauer, ihr schließlich erfolgendes Nachhausegehen. Das Wieder-irgendwie-Anfangen. Das Wieder-irgendwie-Weitermachen. Das Alles-irgendwie-zu-Ende-bringen-Wollen.

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Helmut Schiestl

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