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Gewinner

frühlingsblumenstrauss

… so viel wird gesprochen über links und rechts und wer da die Wahl gewonnen hätte. Na ja, Alexander van der Bellen hat die meisten Stimmen – also ist er der „Gewinner“ oder … ?

s-w

es gab da ein unerwartetes Element – einen „Player“ mit dem nicht gerechnet wurde – und das meine ich wörtlich: weil sich das Ergebnis einer selbstorganisierenden Bewegung eigenverantwortlich handelnder Individuen sich tatsächlich nicht berechnen lässt.

… und das ist eine Wohltat. Übrigens, man nennt das Gesellschaft. Oft hört man Zivilgesellschaft – ein Wort das ich mag – den es weist auf eine verbindende Absicht hin, die nicht militärisch ist.

Gesellschaft entsteht wenn reife und selbstständige Menschen zusammen leben – widerstrebende Ziele ausgleichen und für gemeinsame Absichten zusammenarbeiten – tun sie das auf Augenhöhe, also gleichberechtigt und ohne Führung und aus eigenem Antrieb nennen wir das eigenverantwortlich und selbstorganisiert – scheint mir recht natürlich zu sein – wird aber derweil noch als ungewöhnlich betrachtet.

Denn die gemeinsame Absicht einer Gemeinschaft oder auch einer Gesellschaft wurde in der uns bekannten Geschichte fast immer von einem Staat, einer Religion, einer Ideologie, etc. … vorgegeben und bereits den Kindern als oberste Priorität fürs Leben mitgegeben.

Die Menschenrechte und der damit verbundene Gedanke, dass alle ihre Überzeugungen leben dürfen – solange sie damit die Grundrechte anderer nicht einschränken ist ja bei uns recht neu.

Wie das überhaupt gehen soll, so ohne moralische Führung, ist eine der grossen Sorgen, der Wohlmeinenden aus vielen Denkschulen. Eigentlich ganz einfach – Menschen sind von Grund auf gut und wenn man Ihnen als Kinder nicht was anderes vorlebt, lernen sie schnell Verantwortung zu übernehmen, zu handeln, Konflikte zu lösen und und und … all das, was angeblich nur so wenigen gegeben sei.

Wenn ich das nicht glaube, dann müssen Menschen geführt werden – „man“ tut das Beste für sie, und ärgert sich über jene, die blöderweise immer noch nicht kapiert haben, wie gut „man“ es meint mit ihnen.

Wenn ich das schon glaube, bin ich bereit die Meinung der Anderen, die meiner Meinung vielleicht komplett widerspricht, auszuhalten und ich will wissen, wo wir uns einig sind – nennen wir das den kleinsten gemeinsamen Nenner.

Und die Wähler, die sich für van der Bellen entschieden haben, die haben so einen gemeinsamen kleinsten Nenner. Nämlich die Menschenrechte und die damit verbundene Demokratie.

Und das ist ein positiver, verbindender Gedanke. Viele haben gewählt, um Hofer zu verhindern – ja – viele auch mit Angst verbunden – doch das verbindende ist ein positiver Gedanke – er bejaht den Wert des Lebens und die Möglichkeit des friedlichen zusammen Lebens der Menschen.

Niemand hat die Menschen dazu manipuliert ihre Stimme zu erheben in den Familien, im Freundeskreis, im Internet oder in der U-Bahn. Niemand hat sie bezahlt und sie sind zum Großteil keine grünen Parteigänger – ganz im Gegenteil: sie kommen aus allen Bereichen unserer Gesellschaft.

Diese Menschen haben die Wahl gewonnen.

Sie haben die Strategen, PR-Profis und alle wohlmeinenden „Für uns Besserwisser“ beschämt und der letzten großen Partei, die führen will, die Stirn geboten. Mehr als das: Sie haben die Themenführerschaft übernommen und der vorgegeben Kampfrhetorik den Boden entzogen. Das alles in nur wenigen Wochen.

Van der Bellens Rede nach zu schließen hat er verstanden was da passiert ist – haben wir das verstanden? – Nämlich was wir alles bewegen können – in einer friedlichen und wahrhaft demokratischen Art und Weise.

… und wie viele Ihrer eigenen und unserer gemeinsamen Gestaltungskraft vertrauen lernen können, die derweil noch auf die richtige Führung warten, – wenn wir bereit sind die Meinung unseres Gegenübers auszuhalten und Orte schaffen, wo wir mit genau denen, vor denen wir Angst haben reden um heraus zu finden, ob der kleinste gemeinsame Nenner vorhanden ist …

Dann können wir auch die globalen und wirklich großen Probleme meistern.

Felix Moser

Gast

6 Comments

  1. Naja. Der Hype um die Präsidentenwahl und die damit verbundene Dramatisierung ist schon etwas übertrieben bzw. medial gepusht. Als vor 6 Jahren Heinz Fischer eine Zustimmung von knapp 80 Prozent erhielt, hat ja auch niemand von einer „Verbrüderung“ Österreichs gesprochen oder einer Macht-Monopolisierung, genauso wenig wie man jetzt eine „Spaltung“ feststellen kann.
    Es war eine Stichwahl, und da die politischen Standpunkte der beiden Kandidaten aufgrund ihrer politischen Herkunft sehr konträr waren, ist es konsequenterweise zu einer Art Lagerbildung gekommen. Eine Persönlichkeitswahl ist auch spannender als bloss eine „Parteienwahl“, die extreme Länge des Wahlkampfes (fast fünf Monate) hat wohl das übrige dazu getan, dass das Interesse an der Wahl so hoch war.
    Bemerkenswert und diskussionswürdig ist eher das Phänomen, dass die FPÖ das Wahlergebnis vom Wochenende offiziell zwar anerkennt, aber im Internet über ihre sozialen Netzwerke hartnäckig Verschwörungstheorien und Halb- bis Viertelwahrheiten sowie reine Behauptungen verbreitet und damit, so wie Van der Bellen es beschrieb, weiter „mit dem Feuer spielt“. Ein ähnliches Agitieren einer unterlegenen Partei hat es in Österreich wohl noch nie gegeben, obwohl schon manche Bundespräsidentenwahl recht knapp ausgegangen ist (zB 2004 Fischer gegen Ferrero-Waldner 52,4 zu 47,6)

    • Man kann die Situation vor sechs Jahren mit der diesjährigen nicht vergleichen.
      Damals ging es um eine Wiederwahl des amtierenden BP;
      noch dazu ohne radikale von seiten der FPÖ.

  2. Guter Text, trotzdem steckt mir noch der Schreck in den Knochen, dass praktisch die Hälfte der Wahlberechtigten einen deutschnationalen Burschensch-After gewählt hat … besser als zu triumphieren, ist es Grundrechte und die Zivilgesellschaft zu stärken sowie die völlig übertriebenen Rechte des Bundespräsidenten (Regierung und Parlament auflösen) abzuschaffen.

  3. Und eines sollten wir auch bedenken: dass wir mit dieser Form der Demokratie die anstehenden globalen Probleme nicht werden lösen können – Umweltprobleme, Klimawandel, Herrschaft der Finanzmärkte, Herrschaft der Konzerne. Da wird uns weder ein Alexander van der Bellen noch eine neue Regierung helfen können. Dazu werden wir uns mehr überlegen müssen, und vieles wird unbequem sein, aber wir werden es angehen müssen.

  4. Ich glaube, dass die Demokratie erweitert werden muss und vor allem auch die Wirtschaft einschließen soll: Ein Konzernvorsitzender hat mehr Macht als ein Bundeskanzler, entzieht sich aber jeder Form von demokratischer Kontrolle. Meine Vision ist eine Weltrepublik, die nationale Egoismen überwindet und die globalen Herausforderungen solidarisch, demokratisch und vor allem friedlich anpackt.

    Zur Bundespräsidentschaftswahl: „Arschknapp“ trifft es – viel hätte nicht gefehlt und Österreich hätte seiner Geschichte ein unrühmliches Kapitel hinzugefügt. Jetzt ist entscheidend, die Machtfülle zu beschneiden: Warum sollte ein Präsident den Nationalrat auflösen und einen Kanzler seiner Wahl bestellen können – das ist der Ungeist, der in den 30er Jahren den Führerstaat heraufbeschworen hat.

    Wir brauchen mehr Demokratie auf allen Ebenen, soziale Rechte statt Ausgrenzung und Hetze gegen Minderheiten und internationale Solidarität statt nationale Engstirnigkeit: Mutig in die neue Zeit – gerecht und gemeinsam!

  5. „Die gegenwärtigen unabhängigen Regionalstaaten sind weder imstande, den Frieden zu bewahren, noch die Biosphäre durch die Verunreinigung durch den Menschen zu schützen oder ihre unersetzlichen Rohstoffquellen zu erhalten. Diese politische Anarchie darf nicht länger andauern in einer Ökumene, die längst auf technischem und wirtschaftlichem Gebiet eine Einheit geworden ist. Was seit fünftausend Jahren nötig ist – und sich in der Technologie seit hundert Jahren als durchführbar erwiesen hat -, ist eine weltumfassende politische Organisation, bestehend aus einzelnen Zellen von den Ausmaßen der neolithischen Dorfgemeinschaften – so klein und überschaubar, daß jedes Mitglied das andere kennt und doch ein Bürger des Weltstaates ist. […] In einem Zeitalter, in dem sich die Menschheit die Beherrschung der Atomkraft angeeignet hat, kann die politische Einigung nur freiwillig erfolgen. Da sie jedoch offenbar nur widerstrebend akzeptiert werden wird, wird sie wahrscheinlich so lange hinausgezögert werden, bis die Menschheit sich weitere Katastrophen zugefügt hat, Katastrophen solchen Ausmaßes, dass sie schließlich in eine globale politische Einheit als kleinerem Übel einwilligen wird.“ Arnold J. Toynbee: Menschheit und Mutter Erde. Die Geschichte der großen Zivilisationen, übersetzt von Karl Berisch, Claassen Verlag GmbH, Düsseldorf, 1979, S. 501, 502.Quelle Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Arnold_J._Toynbee#cite_ref-2

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