0

Frühlingsgefühle

Frühling

Für diesen Text gibt es eigentlich keinen Grund und keinen speziellen Anlass. Es ist nur so, dass ich in den letzten Wochen, vielleicht auch Monaten, einfach wahnsinnig gestresst war. Immer wieder hatte ich so viel Arbeit, dass es keinen richtigen Feierabend gab und auch kaum jemals ein richtiges Wochenende.

Bei all dem Stress habe ich gemerkt, dass ich die Menschen um mich herum irgendwie nicht mehr so richtig aushalte. Abgesehen von ein paar sehr engen FreundInnen wollte ich auch niemanden mehr treffen, oberflächliche Gespräche waren mir zu anstrengend, ich wollte am liebsten einfach für mich sein. Wann immer ich in der Stadt etwas erledigen musste, hatte ich das Gefühl, dass nur noch Verrückte herumlaufen und die Rücksichtslosigkeit schön langsam nicht mehr zu ertragen ist. Und ich gebe zu, ein Stück weit habe ich mich auch gerne in der vielen Arbeit vergraben, um mich für eine Weile nicht so sehr mit dem Zustand der Menschheit auseinandersetzen zu müssen.

Heute war etwas anders. Ich habe keine Ahnung, warum. Sicher, der größte Stress vor dem Sommer ist nun für mich voraussichtlich vorbei, aber viel Arbeit kommt trotzdem noch auf mich zu. Dennoch fühlte ich mich irgendwie leichter. Mit Blick auf einen richtigen Feierabend, ohne „Ich muss nur noch mal eben xy erledigen“-Gedanken im Kopf, bin ich nach der Arbeit wie üblich zum Bahnhof spaziert. Ohne zu hetzen bin ich geschlendert, habe mich umgesehen und mein ganzer Körper hat den Frühling wahrgenommen. Vorgestern hatte ich mich noch über die belastende Hitze nach den kälteren Tagen beklagt. Unterwegs habe ich mir in aller Ruhe einen Kaffee genehmigt, den mir eine überaus freundliche Bedienung gereicht hat.

In Innsbruck wechselte ich dann vom Zug zum Bus und eine Dame setzte sich neben mich, fragte ganz freundlich, ob der Platz neben mir frei wäre und lächelte mir während der Fahrt immer wieder zu. Nach ein paar Stationen stieg eine Dame im Rollstuhl zu. Der Busfahrer half ihr beim Einsteigen, merkte dann aber, dass ein Fahrrad an dem für sie bestimmten Platz im Bus stand. Sofort fragte er, wem das Fahrrad gehörte, doch bevor jemand antworten konnte, wies ihn die Dame überaus warmherzig an, es gut sein zu lassen. Dabei nahm sie seine Hand und versicherte ihm mit fast mütterlicher Bestimmtheit, dass es in Ordnung für sie war. Für mich eine tolle Frau, weil sie so viel Liebe für die Menschen ausstrahlte. Plötzlich dachte ich mir: „Egal, was ist, du kannst immer warmherzig und nett sein!“.

Wie schon gesagt gibt es für diesen Text keinen Grund oder speziellen Anlass, außer der Erkenntnis, dass jeder Mensch, dem wir begegnen – auch und gerade, wenn wir es am wenigsten vermuten – für uns ein Richtungsweiser sein kann. Und auch wenn wir es oft nicht wahrnehmen, gibt es wahnsinnig viel Gutes in der Welt. Es liegt meist verborgen in den scheinbar unbedeutenden Kleinigkeiten, aber es ist trotzdem da. Ob wir es allerdings sehen und erkennen, das liegt einzig und allein an uns selbst.

Birgit Hohlbrugger

Gast

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert