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Fahrräder im Inn

Als ich vor einigen Tagen an der Innpromenade in Mariahilf entlang spazierte, entdeckte ich ein Fahrrad hinter dem Zaun am Wegesrand, das offensichtlich aus dem Inn gefischt worden war. Rost, Wasserpflanzen, Blätter und ein schwarzes Plastiksackerl in den Speichen, verbogene Felgen. Schon öfters startete ich Gedankenexperimente, wie diese Fahrräder in den Inn gelangen. Am Innufer nahe des Weiherburgsteges entdeckte ich vor kurzem wieder eines und ebenso bei der Markthalle.

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Ich beobachtete die Leute ein wenig, die daran vorbeigingen, die Reaktionen gingen von Stirnrunzeln bis hin zur Belustigung. Ich fotografierte das Rad sogleich und startete ein Gedankenexperiment mit einer fiktiven Person Johannes:

Johannes traf sich mit seinem Bruder, um sich über seine Sorgen in Bezug auf sein Beziehungsleben zu unterhalten, irgendwie lief es in letzter Zeit mehr schlecht als recht und seine Freundin maßregelte ihn ständig, da Johannes sich – ihrer Meinung nach – zu exzessiv dem Alkohol hingab, peinliche Geschichten wie: Sich in Bars ausziehen und sich an andere Mädels ranschmeißen, kamen ihr zu Ohren und sie schämte sich für ihn, was ihrer Liebe zu ihm nicht sehr zuträglich war. Johannes wollte, dass sein großer Bruder ihn tröstete und ihm sagte, wie arm er war und wie wenig Verständnis doch die Freundin für ihn hatte, denn er hielt das Leben ohne Alkohol nicht so recht aus.

Der große Bruder hatte sich bisher oft darauf eingelassen, aber langsam reichte es ihm, er hielt diese Jammerei nicht mehr aus. Nachdem er sich zum 100ersten Mal angehört hatte, dass die liebe Annemarie keine Lust mehr hatte, mit Johannes ins Bett zu gehen, meinte der große Bruder: „Hör mal Johannes, welche Frau hat schon Lust auf einen nach Alkohol stinkenden Mann, der aus dem Mund und aus allen Poren Ausdünstungen mit ins gemeinsame Bett bringt? Johannes, es reicht mir jetzt dann auch langsam mit dir, hör auf mit dem Trinken, sonst läuft sie dir weg, ich mag mir deine Geschichten nicht mehr anhören, ich gehe jetzt.“. Perplex blickte Johannes auf den leeren Stuhl, auf dem soeben noch sein Bruderherz gesessen hatte. So eine verständnislose Aussage hatte er noch nie von ihm gehört. Er ging zur Bar und bestellte sich noch ein Bier, traf einen Saufkumpanen und die Schnapserln flossen in Strömen. „Nur mehr oan, ha?“. „Jo, nur mehr oan, oba dann geh i hoam!“. „Jo, i a.“. „Oke“.

Und so ging es dahin, bis Johannes schließlich alles doppelt sah und er in Richtung Fahrrad wankte, er wollte noch fahren und trat an der Innpromenade entlang in die Pedale und plötzlich blockierte die Kette und Johannes stürzte! „Scheiß Fahrrad!“, brüllte er und rappelte sich auf. Da er blöderweise nicht mehr richtig sehen konnte, gelang es ihm auch nicht, die Kette wieder einzuhängen. „Ah, geh, woasch wos, des Radl muss weg!“, schoss es ihn durch seinen benebelten Kopf, stemmte es wie Superman mit seinen beiden Armen hoch und warf es die Unibrücke hinunter. Zufrieden wankte er nach Hause, denn er hatte es dem Fahrrad so richtig gezeigt.

Drei Tage später war eine Fahrradtour mit seiner Freundin geplant und er spazierte in den Keller und es war nicht da. Blackout. Wo könnte es sein? Er rief sie an und beichtete ihr sein Unglück des unauffindbaren Fahrrades, worauf sie sich ihren Teil in Bezug auf die Geschichte dachte und sich lieber mit einer Freundin verabredete.

Ein Jahr später, eine Beziehung ärmer und eine Erfahrung reicher, entdeckte Johannes sein Fahrrad am Wegesrand der Innpromenade und ging peinlich berührt daran vorüber.

So oder so ähnlich könnte es mit dem Fahrrad im Bild  gewesen sein. Oder wie ist eure Version?

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Barbara Tatschl

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