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Eine rosarote Tragödie

Die SPÖ pendelt seit Monaten zwischen 20 und 22 Prozent in den Umfragen und wenn nicht noch ein wirkliches Wahlwunder geschieht, wird sie am 29. September deutlich gegen Türkis verlieren. Schlimmstenfalls landet die SPÖ sogar auf Platz 3: Hofer und seine Kameraden haben ihre Reihen dicht geschlossen und die Österreicher/innen scheinen den Blaunen auch den neunzehnhundertachtundreißigsten Einzelfall zu verzeihen, solange sie weiterhin gegen die bösen Ausländer hetzen und versprechen, das Rauchverbot wieder zu kippen.

Das Elend der Sozialdemokratie begründet sich vor allem damit, dass die Partei für nichts mehr zu stehen scheint. Man versucht die Grünen zu kopieren, will aber keinesfalls eine CO2-Steuer einführen oder das österreichische Nationalgericht Wiener Schnitzel verteuern. Sie spricht sich für mehr Verteilungsgerechtigkeit aus, will allerdings hohe Vermögen erst über einer Million Euro besteuern – diese Millionärssteuer soll für Vermögen zwischen einer und zehn Millionen Euro gerade einmal 0,5 Prozent betragen: Umverteilung mit dem Teelöffel sozusagen.

Parteichefin Pamela Rendi-Wagner schlägt sich recht wacker, aber der Wahlkampf besteht hauptsächlich aus Schlagwörtern wie „gemeinsam“ und „Menschlichkeit“, die auch dadurch nicht aussagekräftiger werden, weil sie mit einem Hashtag versehen werden. Wie mutlos die SPÖ diesen Wahlkampf führt, lässt sich an einem Slogan wie „Von einem Vollzeitjob muss man leben können“ ablesen.

Wahrscheinlich waren seit langer Zeit nicht mehr so viele Menschen wie heute kritisch bis ablehnend gegen den Kapitalismus eingestellt. Die Sozialdemokratie hat längst aufgegeben, den Kapitalismus überwinden zu wollen und begnügt sich stattdessen damit, ihn zu verwalten. Genau aus dieser defensiven und mutlosen Haltung erklärt sich ihr Niedergang.

In Tirol kommt hinzu, dass der Landesvorsitzende Georg Dornauer kein Fettnäpfchen auslässt und die Spitzenkandidatin für Innsbruck, Selma Yildirim, sogar die eigenen Genoss/inn/en gegen sich aufbringt. Gut möglich, dass die SPÖ bei dieser Wahl in der Horizontalen landet und den aufgelegten Elfmeter „Ibiza -Skandal“ in ein peinliches Eigentor verwandelt.

Andreas Wiesinger

7 Comments

  1. Ich kann deinen Unmut zwar verstehen, ihn aber doch nicht ganz teilen. Erstens Mal ist die Krise der Sozialdemokratie schon länger anhaltend, spätestens seit Gusenbauer ging’s eigentlich inhaltlich abwärts mit ihr. Und nicht nur in Österreich, sondern auch in den anderen Ländern. Warum das so ist, das zu erörtern würde der Platz hier nicht ausreichen. Die Ergebnisse der Umfrage, die der heutige STANDARD präsentiert, und nach der die Sozialdemokratie zwar viele historische Verdienste aber wenig neue Ideen hat, hat vielleicht einiges für sich.
    Was aber zweitens sicher mit ein Grund für ihre schwindende Attraktivität bei den Wählerinnen und Wählern sein dürfte, ist wohl auch das Herumlavieren nicht nur der Sozialdemokratie, sondern auch der Linken überhaupt, in der Migrationsfrage. Da muss man die Ängste der Menschen ernst nehmen. Und hier liegt der Kurz – man kann ihn sympathisch finden oder nicht – nun mal vorne. Ganz konkret: es mag zwar ein Recht auf Rettung in Seenot geben, das heißt aber nicht, dass diese Menschen alle ein Recht haben, nach Europa zu kommen. So lange sich hier nichts ändert, werden sich Menschen in Afrika aufmachen, und ihr Leben riskieren. Letztlich handelt es sich nicht um Kriegsflüchtlinge, denen nach internationalem Recht geholfen werden muss. Die Zunahme an Gewalttaten in unseren Städten ist auch eine Folge der Migration. Und so lange die Linke hier keinen Gegenentwurf anbietet, werden die Rechten Parteien davon profitieren. Die alle ohne Ausnahme als Faschisten und Nazis hinzustellen, halte ich für die falsche Strategie.
    Und noch zu Selma Yildrim: Ich bin mir nicht sicher, ob der geplante Busparkplatz am Hofgartenareal hier die richtige Lösung ist. Immerhin gibt es hier Widerstand von vielen Seiten. Der Bau einer Busgarage im Zusammenhang mit dem Neubau des MCI könnte vielleicht die bessere Lösung sein.

  2. Ich behaupte ja nicht, dass die Krise der Sozialdemokratie eine neue Entwicklung ist oder sich nur auf Österreich beschränkt – im Gegenteil: Das Problem der inhaltlichen Orientierungslosigkeit begann spätestens mit dem neoliberalen dritten Weg von Schröder und Blair, mit denen sich Viktor Klima ja damals groß plakatieren ließ.

    Es „mag“ nicht nur ein Recht auf Seenotrettung geben, sondern es besteht ein MENSCHENRECHT AUF ASYL. Das dieses tatsächlich nicht gilt, führte allein 2018 zu 2262 ertrunkenen Menschen im Mittelmeer – und darunter waren nachweislich viele, die vor Kriegen geflüchtet sind, die auch mit Waffen der europäischen Rüstungsindustrie geführt wurden. Die Zunahme von Gewalttaten in unseren Städten als direkte Folge der Migration zu unterstellen, ist polemisch und erinnert mich fast schon an Sprüche von Kurz und Kickl … du weißt doch, dass die Kriminalität in Österreich insgesamt sinkt – auch die Gewaltkriminalität ist rückläufig: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20190502_OTS0111/polizeiliche-kriminalstatistik-2018-oesterreich-ist-so-sicher-wie-noch-nie

    Zum Busparkplatz habe ich keine abschließende Meinung, es ist aber jedenfalls bemerkenswert, dass sich die SPÖ Innsbruck in dieser Frage zwei Wochen vor der Wahl öffentlich zerstreitet. Eine Busgarage wäre natürlich platzsparender, würde aber auch um ein Vielfaches mehr kosten.

  3. Ein Menschenrecht auf Asyl gibt es nicht, vor allem gibt es das nicht für Wirtschaftsflüchtlinge, und um solche handelt es sich bei den über das Mittelmeer kommenden Bootsflüchtlingen wohl im überwiegenden Fall. https://www.addendum.org/asyl/recht-auf-asyl/ Jedes Land muss selbst entscheiden, wen es hereinlässt. Alle Grenzen öffnen halte ich für einen fatalen Fehler, dessen Folgen uns die kommenden Jahre sicher noch beschäftigen werden. Auch wenn du schreibst, dass die Kriminalitätsstatistik rückläufig ist, der subjektive Eindruck ist ein anderer. Und mit Statistiken bin ich sowieso vorsichtig. Traue keiner Statistik, die du nicht vorher selber gefälscht hast. Klingt vielleicht schon etwas abgedroschen, aber hat sicher in vielen Fällen noch seine Berechtigung.

  4. Die Erbschaftssteuer soll ab einer Million €, 25% betragen, ab € 10 Millionen €, 35%. Ansonsten teile ich deine Meinung im Großen und Ganzen.

  5. Wie viele der 2262 Toten wohl „Wirtschaftsflüchtlinge“ waren … ich kenne nur ein Leben in Wohlstand und Frieden, aber wenn ich aus einem vom Krieg verheerten und Hunger bedrohten Land käme, würde ich mich wahrscheinlich auch für die lebensgefährliche Flucht in den vermeintlich goldenen Westen entscheiden.

    Ich frage mich schon, wie wir im sicheren und wohlhabenden Europa so hartherzig sein können, diese Menschen vor der Festung EUropa krepieren zu lassen … Wobei ein paar Wirtschaftsflüchtlinge dürfen ja noch unsere Biotomaten in Südspanien ernten – das sind keine Erntesklaven, schließlich bekommen sie bis zu fünf Euro pro Tag!

    Ja, wenn Fakten von Gefühlen und subjektiven Bedrohungsszenarien abgelöst werden, haben die rechten Hetzer wohl endgültig gewonnen … die „Ausländer“ halten unser Pflegesystem am Laufen und zahlen um einiges mehr ins Sozialsystem ein, als sie daraus beziehen. Aber das ist bestimmt nur die Propaganda der linkslinken Lügenpresse: https://www.derstandard.at/story/2000037209653/auslaender-zahlen-mehr-ins-sozialsystem-ein-als-sie-erhalten

    Danke für die Berichtigung, Patrick: Ich habe die Erbschaftssteuer mit der Vermögenssteuer verwechselt und den Fehler im Text berichtigt.

  6. Österreichische PolitikerInnen haben es generell versäumt, auch nur zu beteuern, sie würden sich im EU-Parlament für eine („gerechte“) Aufteilung von Flüchtlingen auf alle Länder der EU im Verhältnis zu Bevölkerungszahl und Wirtschaftskapazität einsetzen.
    Das ist unglaubwürdig! – So irrational ist die Flüchtlings“debatte“ auf beiden Seiten!
    Alle anderen politischen Themen, bei denen es um Menschen geht, werden auch mit dem Mittel der Quantifizierung erörtert: z. B. Mietzinsobergrenzen/ m², Prozentsatz an Vermögen- oder Erbschaftssteuer (siehe oben!) usw.
    Bei der ständig instrumentalisierten Flüchtlingsfrage hingegen sagt Rechts:
    Null Menschen sollen in Zukunft in unser Land herein dürfen,
    und Links: Alle sollen hereinkommen dürfen.
    PS.: Ja, wir brauchen Zuwanderung auch zwecks Bevölkerungs-Nachwuchs (war auch bis vor kurz-em österreichische Politik).
    Und auf die Sicherheit soll freilich wie ein Luchs geachtet werden.
    Aber bitte nicht obiges Manko übersehen!
    (Johannes Hahn wurde unlängst – im „Kurier“? – nur sehr allgemein zu seiner Arbeit in Brüssel interviewt und lang und breit tatsächlich über das Essen in dieser Stadt!!)

  7. Die SPÖ hat es wohl begriffen, dass es diesmal gilt, jenes Feld zu besetzen, das die ÖVP auf Druck der FPÖ und der Neos verlassen hat, und das wäre die Partei der politischen Mitte zu miemen. Das merkt man ganz klar am SPÖ-Wahlprogramm, an dem die Mittelschicht ganz sicher nicht anecken würde. Nebenbei erwähnt, eine bestimmte Form der CO2-Besteuerung wird darin angesprochen.
    Jene Fehler, die passieren, liegen vor allem im Bereich der optischen wie der verbalen Wahlkampfrhetorik. Frau Rendi-Wagner muss gnadenlos die Hand zu neuen WählerInnengruppen ausstrecken, die von der ÖVP unter anderem durch die Kassenreform im Stich gelassen wurden (u.a. KleinunternehmerInnen, NebenerwerbsunternehmerInnen, Kleinlandwirte, UnternehmerInnen, die ökonomisch von Asylberechtigten profitieren etc. ). Auch zukünftig zu erwartende Bundesländerdisparitäten im Gesundheitsbereich könnten angesprochen werden.
    Herr Dornauer sollte einsehen, dass sein Konterfei auf dem SPÖ-Logo die SPÖ-Zentrale wie einen mittelmäßigen Privatbetrieb aussehen lässt. Die SPÖ-Plakate sind fast schon zu sehr auf Persönlichkeitswahlkampf zurechtgeschnitten. Die Fotos der KandidatInnen sind überwiegend semi-professionell.

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