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Ein zarter Lufthauch für die Unendlichkeit

Wohl in einem der schönsten Innenhöfe Innsbrucks, dem Franziskanerkreuzgang gleich neben der Hofkirche – Eingang über das Volkskunstmuseum! -, ist derzeit eine Ausstellung besonderer Art. Zarte Papierbahnen, bemalt in der Art von Kaligraphien, flattern einem hier entgegen und vermitteln einen beinahe asiatischen Eindruck, so als wäre das jahrhundertealte Franziskanerkloster – dieser Orden ist an diesem Ort schon seit 1563 – ein tibetischer Meditationsort geworden. Immerhin ist ja nur unweit davon der größte Kenotaph – ein leeres Grabmal – für den Habsburgerherrscher Maximilian I., dessen Todestag kommenden Jahres ja groß gefeiert werden wird. Dieser gilt für viele ja fast für so was wie ein UR-Europäer, reichten seine Ländereien doch weit über die Grenzen des damaligen österreichischen Kernlandes hinaus.

Aber nicht ihm gilt die Ausstellung der Innsbrucker Künstlerin Gitti Schneider sondern ihrer Biographie und der ihrer Vorfahren, so etwa ihrem Urgroßvater Josef Gottesmann (1870-1914). Dieser war der erste Geschäftsführer einer Innsbrucker Großbäckerei, der mittlerweile auch schon Geschichte gewordenen TIROLER ABEITERBÄCKEREI,  besser bekannt vielleicht unter ihrem Kürzel ETAB. Dabei verwebte die Künstlerin Motive aus dessen Tagebüchern und Briefen in diese kunstvollen Seidenpapierbahnen. Zugegeben, die Geschichte dieses Herrn Gottesmann hätte sich mir auf diesem Wege nicht gleich erschlossen, würde nicht sein Bild an der Wand hängen.

Ein Bäckermeister aus dem vorigen Jahrhundert, über dessen Leben wir in der Ausstellung nicht viel mehr erfahren. Immerhin verdankt sich die Ausstellung einem Zufall. Als die Künstlerin nämlich vor einigen Jahren ihr Atelier in der Pradlerstraße bezog, entdeckte sie, dass dort in früherer Zeit eben ihr besagter Urgroßvater diese erste Arbeiterbäckerei aufgebaut hatte. Und so wandelte sie in ihrer Arbeit auf seinen Spuren, und eben jene Spuren lassen sich auch auf den Fahnen im Kreuzgang des Franziskanerkreuzgangs wiederfinden. Spuren der Erinnerungen vielleicht, vergleichbar vielleicht denen, die eine Festplatte eines gebrauchten Computers in zig Jahren, unter einem Mikroskop gehalten, unserem erinnerungsneugierigen Blicken freigeben.

Und mit Erinnerungen ist dieser schöne Kreuzgang ja auch sonst ausgestattet. Wenn wir etwa an die aus dem Grünen aufragende Eduard-Wallnöfer-Büste von Rudi Wach denken, die zwar nur deshalb dort gelandet ist, weil man sich im Landhaus über die Soll-und Haben-Seite der Lebensbilanz des ehemaligen Tiroler Langzeitlandeshauptmannes nicht einig geworden war.

Ähnlich wie über die Ästhetik und Aussagekraft eines bis vor wenigen ebenfalls noch dort platziert gewesenen Kruzifixes desselben Künstlers, das für die Innbrücke geschaffen wurde und ebenfalls erstmal seine Wartezeit in diesem Garten abstehen musste. Mittlerweile dank der Initiative der verstorbenen Innsbrucker Bürgermeisterin Hilde Zach auf der Innbrücke steht.

Immerhin ist dieser stille Ort natürlich auch religiöser Beschaulichkeit, wie etwa die neueren Fresken, die das Leben des Heiligen Franziskus und seiner Nachfolger thematisieren,  kundtun. Nachdem das Thema der Arbeiten von Gitti Schneider ja das der Erinnerung ist, können diese schön bearbeiteten Papierbahnen durchaus auch als Symbole für die Unendlichkeit gesehen und gelesen werden. Die Ausstellung ist bei freiem Eintritt zugänglich und geht noch bis 7. Oktober 2018. Ein Besuch lohnt sich!

 

Helmut Schiestl

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